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Polnische Helfer bleiben daheim

In Brandenburg fehlen Helfer für die Spargelernte. Grund ist eine neue Sozialabgabepflicht für Arbeitskräfte aus Polen. Auf einigen Feldern sprießt das Gemüse bereits aus den Dämmen.

Von Claudia van Laak | 16.05.2006
    Polnische Frauen in Gummistiefeln, Schürzen und Gummihandschuhen stehen an der Sortiermaschine und packen Spargel in grüne, blaue, lila- und türkisfarbene Plastikkisten. Der Spargelhof Schlunkendorf hat kräftig investiert. Um Arbeitskräfte einzusparen, wurden drei vollautomatische Sortiermaschinen gekauft. "Wir brauchen in diesem Jahr in der Sortierung 80 Arbeitskräfte weniger," sagt Geschäftsführer Bernhard Falkenthal:

    "Der große Vorteil dieser Sortierautomaten ist: Ich brauche an den Sortiermaschinen nicht unbedingt Fachkräfte. Hier ist folgende Situation, dass die Erntehelfer nur noch eine Aufgabe haben: Ich nehme jetzt nur noch die Ware raus und lege sie in die Kiste."
    Der Spargelhof hat in Sortierautomaten investiert und in Maschinen, die die Folie auf den Spargeldämmen umdrehen, auch dies eine Rationalisierungsmaßnahme, um Arbeitskräfte einzusparen. Denn die polnischen Erntehelfer sind in diesem Jahr teurer. Für sie müssen in Polen Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden:

    "Wir müssen 47 Prozent auf den Nettolohn nach Polen überweisen, das hört sich jetzt gewaltig an. Wenn der polnische Erntehelfer 2000 Euro netto verdient, muss ich noch einmal zusätzlich 1000 Euro nach Polen überweisen für die Sozialversicherung, was vorher nicht war, das ist eine gewaltige Summe, 47 Prozent, das wird einigen Betrieben, auch gesunden Betrieben, den Garaus machen."

    Eigentlich wird der Sozialversicherungsbeitrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geteilt. Der Spargelhof Schlunkendorf übernimmt allerdings die gesamte Summe für die polnischen Erntehelfer. Denn Geschäftsführer Falkenthal weiß: Müssten die Saisonkräfte noch etwas von ihrem Lohn abgeben, kämen sie erst gar nicht. Bereits jetzt sind viele Polen wegen der unklaren Situation zu Hause geblieben, sagt Vorarbeiter Piotr Mihauwicz:

    "Die besten Arbeiter sind in diesem Jahr nicht gekommen. Sie warten ab, was mit dieser Regelung passiert, aber sie wissen genau, ohne uns Polen läuft auf den Spargelfeldern nichts. Die Politik in Bezug auf die Erntehelfer muss geändert werden."

    Von 1000 Spargelstechern auf Hof Schlunkendorf stammen 50 aus Deutschland, 200 aus Rumänien, der Rest aus Polen. Sie sind nicht durch deutsche Arbeitslose zu ersetzen, ist Brandenburgs Agrarminister Dietmar Woidke überzeugt:

    "Eines muss man immer dabei wissen, dass diese Arbeitskräfte deutsche Arbeitsplätze sichern. Und wenn sie wegfallen würden, hätten die Betriebe einen großen Wettbewerbsnachnachteil. Und dieser Wettbewerbsnachteil hätte zur Folge, dass deutsche Arbeitsplätze wegfallen, Dauerarbeitsplätze wohlgemerkt."

    Die Sozialabgabepflicht hat Nachteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ist Agrarminister Woidke überzeugt. Dass diese EU-Regelung durch ein bilaterales Abkommen zwischen Polen und Deutschland außer Kraft gesetzt werden könnte, hält er allerdings für unwahrscheinlich. So wird in diesem Jahr mancher Spargel nicht gestochen werden können. In Schlunkendorf fehlen Erntehelfer. Die grünen Stangen wachsen bereits aus den Dämmen.