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Polnischer Regierungschef in Berlin
Politsches Tauwetter in den deutsch-polnischen Beziehungen

Angela Merkel trifft sich heute in Berlin mit dem polnischen Regierungschef Mateusz Morawiecki. Dabei wird es in erster Linie um die Zukunft der Europäischen Union gehen - da liegen die Vorstellungen weit auseinander. Doch das Treffen soll das politisch angespannte Verhältnis verbessern.

Von Florian Kellermann | 16.02.2018
    Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki
    Auftritt von Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki: Er gilt als offener und dialogbereiter als seine Vorgängerin Beata Szydlo (imago stock&people)
    Zumindest der Ton hat sich geändert in den deutsch-polnischen Beziehungen, seit Mateusz Morawiecki Regierungschef in Warschau ist. Schon bevor der Termin für das heutige Treffen feststand, sagte der neue Ministerpräsident:
    "Die Bundeskanzlerin und ich werden schwierigen Themen nicht aus dem Weg gehen. Aber wir werden uns bemühen, das zu suchen, was uns verbindet. Und Lösungen dort zu erarbeiten, wo wir noch keinen gemeinsamen Nenner gefunden haben."
    Ein neues Kapitel in den deutsch-polnischen Beziehungen
    Das Wort Dialog steht wieder im Vordergrund, und auch unmittelbar vor dem heutigen Besuch haben Morawieckis engste Vertraute vor allem die positiven Entwicklungen unterstrichen, die es zwischen den Nachbarländern gibt. So Michael Dworczyk, der Kanzleichef des Ministerpräsidenten:
    "Bei diesem Treffen wird es zu einem Neustart kommen. Schon jetzt sind die Beziehungen in vielen Bereichen gut. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit entwickelt sich so gut wie seit Jahren nicht mehr. Von einem Neustart spreche ich, weil personelle Veränderungen immer eine Gelegenheit sind, ein neues Kapitel aufzuschlagen."
    Kriegsreparationen von Deutschland fordern
    Vor allem ein Thema hatte in den vergangenen Monaten für Verstimmung gesorgt: Führende Politiker der rechtskonservativen polnischen Regierungspartei PiS erwägen, von Deutschland Kriegsreparationen zu fordern. Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak brachte die Summe von einer Billion US-Dollar ins Spiel - allein für materielle Schäden, die Polen während des Zweiten Weltkriegs erlitten habe.
    Doch zumindest an erster Stelle wird das Thema beim heutigen Treffen nicht stehen, so jedenfalls interpretieren Kommentatoren die Worte von Regierungssprecherin Joanna Kopcinska:
    "Wenn der Ministerpräsident danach gefragt wird, wird er dem Thema nicht ausweichen. Er hat gesagt, dass die Entschädigungsfrage noch nicht erledigt ist. Aber im Moment arbeitet das Parlament an diesem Problem."
    Mehr Macht für die Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten
    Die Regierungschefs werden sich in erster Linie mit der Zukunft der Europäischen Union beschäftigen - und da liegen die Vorstellungen weit auseinander. Während die Bundesregierung auf eine stärkere Integration setzt, möchte Polen in die entgegengesetzte Richtung. Mehr Macht für die Parlamente der Mitgliedsstaaten, so das Credo in Warschau. Polen ist unter anderem gegen einen gemeinsamen Mechanismus für die Aufnahme von Flüchtlingen.
    Warschau protestiert auch dagegen, dass die EU-Kommission ein Verfahren gegen Polen eingeleitet hat. Eine umstrittene Gerichtsreform gefährde den Rechtsstaat, so der Vorwurf. Auch das werde heute zur Sprache kommen, sagt Krzysztof Ruchniewicz, Direktor des Willy Brandt-Zentrums an der Universität Breslau:
    "Wir müssen abwarten und sehen, wie sich diese Sache weiterentwickelt, wie sich Deutschland dazu positioniert. Was sind die Kompromisse? Da haben wir mehr Fragen als Antworten, und vielleicht wissen wir nach dem Besuch etwas mehr."
    Aber nicht nur Deutschland, auch Polen fordert mehr Solidarität ein. Das Land stellt sich gegen die Pipeline Nordstream II, die Gas direkt aus Russland nach Deutschland befördern soll. Es will, dass die EU ein Mitspracherecht bekommt. Deutschland ist dagegen und hat den Bau der Pipeline auf seinem Hoheitsgebiet bereits bewilligt.
    Der Ton zwischen Deutschland und Polen hat sich also entspannt, und das wird heute wohl zu bemerken sein. In vielen Sachfragen jedoch liegen die Standpunkte weiterhin weit auseinander.