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Polnisches Militär
Verteidigungsminister sorgt für Chaos

Verteidigungsminister Antoni Macierewicz ist das laut Umfragen unbeliebteste Regierungsmitglied. Aber als enger Vertrauter von Jaroslaw Kaczynski - dem Vorsitzenden der Regierungspartei PiS - sitzt er fest im Sattel. Seine Politik schadet aber der Armee immer mehr: Zahlreiche hoch angesehene Generäle haben deshalb den Dienst quittiert.

Von Florian Kellermann | 27.03.2017
    Der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz |
    Kehrt mit dem Stahlbesen: Kaczynski-Vertrauter Antoni Macierewicz vergrätzt alle altgedienten Generäle Polens - die Geheimdienste Russlands und Chinas sollen davon profitieren. (Radek Pietruszka)
    Die polnische Armee erlebt einen ungewöhnlichen Aderlass: Etwa 30 Generäle und 250 Soldaten im Rang eines Oberst haben ihren Hut genommen, seit die rechtskonservative Regierungspartei PiS an der Macht ist. Also in nicht einmal anderthalb Jahren. Meist geben die hochrangigen Militärs persönliche Gründe für ihr Ausscheiden an. Aber das halten Experten für vorgeschoben, so Waldemar Skrzypczak, General im Ruhestand:
    "Wir wissen ja, was in der Armee los ist im Moment. Dort herrscht eine Atmosphäre, die alle vertreiben soll, die eine andere Meinung haben als die Regierung. Diese behandelt die Generäle herablassend. Sie wirft diejenigen aus der Armee, die ihre eigene Meinung vertreten und ersetzt mit denen, die ein eher weiches Rückgrat haben."
    "Sind wir für die NATO noch glaubwürdig?"
    General Skrzypczak zeichnet ein erschreckendes Bild vom Verhältnis zwischen Verteidigungsminister Antoni Macierewicz und dem Militär. Er spricht von Säuberungen, die an das Vorgehen des türkischen Präsidenten Erdogan in dessen Land erinnerten. Die Regierung suche keinen Kontakt zu erfahrenen Generälen, auch der Präsident als Oberbefehlshaber nicht. Das werde nicht ohne Folgen bleiben:
    "Die Führung der NATO verhält sich politisch korrekt, sie wird sich nicht einmischen. Aber die Amerikaner, Briten und Franzosen beobachten das genau. Sie sehen, dass die Erfahrensten gehen, die etwa in Afghanistan oder im Irak gedient haben - und dass an ihre Stelle Soldaten kommen, die bisher nichts dergleichen geleistet haben. Die Frage ist doch, ob wir da für die NATO noch glaubwürdig sind."
    Protegé des Ministers: 27-jähriger Student wird zum Abteilungschef
    Für besonders großen Verdruss sorgt bei Armeeangehörigen, wie Minister Macierewicz seinen politischen Ziehsohn Bartlomiej Misiewicz fördert. Misiewicz ist erst 27 Jahre alt und studiert noch. Trotzdem machte ihn der Minister zum Sprecher des Ressorts und zum Chef einer wichtigen Abteilung im Ministerium. Nach Medienberichten wurden Soldaten angehalten, vor dem jungen Mann zu salutieren, als wäre er ihr Vorgesetzter. Das führte auch zu Kritik aus den Reihen der Regierungspartei PiS.
    Verteidigungsminister sieht in seinen Truppen Spitzel am Werk
    Verteidigungsminister Macierewicz sieht jedoch andere Gründe für den Aderlass bei der Armee. Viele Generäle und Obersten gingen wegen ihrer Vergangenheit. Der Minister erwähnte deren sogenannte "Lustrationserklärungen" - also die Angaben zu einer möglichen früheren Zusammenarbeit mit ausländischen oder polnischen Geheimdiensten:
    "Als ich das Ministerium übernommen habe, hat sich gezeigt, dass über 700 Lustrationserklärungen nicht dem Institut für das nationale Gedächtnis übergeben worden waren. Darunter waren auch die Erklärungen von Obersten. Daraus mussten Konsequenzen gezogen werden. Nur deshalb sind im vergangenen Jahr etwas mehr, aber nicht viel mehr, Obersten ausgeschieden als 2015."
    Staatsdiener fühlen sich schlecht behandelt
    In den Augen der Opposition eine skandalöse Aussage: Macierewicz habe damit verdiente Offiziere in die Nähe von Spitzeln gerückt, so der Vorwurf. Vielmehr helfe Macierewicz selber, wenn auch ungewollt, ausländischen Geheimdiensten, sagt Krzszysztof Boruc, Militärexperte am Collegium Civitas, einer privaten Hochschule in Warschau:
    "Jeder Offizier, der geht, wird zu einem interessanten Objekt für fremde Geheimdienste. Vor allem, wenn diese Offiziere das ganze Leben ihrem Staat gedient haben und dieser Staat sie dann plötzlich so schlecht behandelt. Es ist bekannt, dass zum Beispiel der russische Militärgeheimdienst sehr aktiv ist in Polen."
    Staatsgeheimnisse vermutlich zu Russen und Chinesen durchgesickert
    Das sei ein weiterer Grund, warum die Personalpolitik der Regierung die Zusammenarbeit mit anderen NATO-Staaten erschwere, so Boruc:
    "Seit die PiS regiert, bekommt Polen von den Partnern viel weniger Informationen - von den Nachrichtendiensten und auch von der Militäraufklärung, auf taktischer und auf strategischer Ebene. Denn Polen ist zu einem wenig vertrauenswürdigen Land geworden. Nicht nur einmal sind geheime Informationen bei uns durchgesickert und bei den Russen oder Chinesen gelandet."
    Zumindest leise regt sich nun auch im Regierungslager Widerstand gegen Verteidigungsminister Macierewicz. Staatspräsident Andrzej Duda hat dem Minister zwei kritische Briefe geschrieben. Er erbittet Auskunft über einige Vorgänge beim Militär.