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Poppig, laut und bunt

Mischwesen mit Pferdeköpfen und Piratengesichtern spielen in den Erwiderungen, den "Returns" von William Forsythe Tanztheaterstück in Dresden Hellerau ein große Rolle. Herausgekommen ist eine vergnügliche Bild-Ton-Collage zwischen Kunst und Kommerz.

Von Georg-Friedrich Kühn | 27.06.2009
    "Modenschau in der Pirate Bay. Was ist Kunst, was Kommerz? Ist Kunst nicht auch Kommerz, abhängig vom Geld? Was ist originär, was geklaut?"
    Der Nebenraum im Festspielhaus Hellerau ist mit wasserblauem Filz ausgelegt. Links ein Tisch mit Tennisbällen, Schuhen, Stiefeln, Perücken, Skalps, Lederzeug.

    Im Raum verteilt, an den Wänden angepinnt oder auf Mikrofonständer geklammert: Plakatdrucke mit als Piraten verkleideten Tänzern oder Spielkarten mit aufmontierten Tänzer-Köpfen, Spiegel.

    Hinten in dem niedrigen Raum surrt ein Nadeldrucker, der immer mal wieder Sinnsprüche in Englisch ausspuckt wie - zu Deutsch: "Bin tot, bevor meine Geschichte beginnt, die niemals erscheint."

    Eine kleine Tänzerin, drapiert wie eine Eskimofrau mit dick aufgeklebten roten Plastikstreifen über den Lippen erscheint, murmelt englische Reimworte auf "art" (Kunst), bastelt daraus Nonsens-Sätze. Etwa "art is a part of art department", Kunst ist Teil einer Kunst-Abteilung.

    Andere Figuren tauchen auf wie eine Tänzerin im bräunlichen Kostüm mit aufgeklebtem Pferde-Kiefer. Nach kleinen Tanzübungen verdrückt sie sich hinten an die Wand, den Kopf unter einem Plakat-Porträt versteckend.

    Oder ein Tänzer in einem Frauenschleier, der immer mehr zum Piraten-Outfit mutiert, murmelt ins Mikrofon Wortfetzen, die über eine Elektronik verzerrt werden, während er sich Tennisbälle als Ohrenclips anheftet.

    Die Kostümierung der auftretenden Tänzer wird immer exotischer mit ihrer Mischung aus Walle- und Schnur-Bärten, T-Shirts als Lendenschurzen, Stulpenstiefeln, Piratenhüten, sich auftürmenden Turbanen als Kopfbedeckung, Tennisbällen als Backenerweiterung.

    Bis im dahinter liegenden halbdunklen großen Raum auch noch ein geklontes Piraten-"Sacre" anhebt und dann alles endet wie auf einem endlosen Catwalk, die Tänzerinnen und Tänzer in wechselnden Kostümierungen die Variierbarkeit von Stoffen und Accessoires vorführen.

    Sogar Anspielungen auf die Piraten vor Somalia leistet man sich mit einem Moses-ähnlichen Koran-Gelehrten. Und das zu einer ohrenbetäubenden Stampfmusik, unterlegt vom Ping-Pong-Geräusch, das zwei Tennisspieler mit der von der Eskimo-Frau zur als Tennis-Netz zwischen beiden mit ausgebreiteten Armen stehenden "Yoko O-No" erzeugten.

    Und ganz zum Schluss darf dann noch eine Tänzerin im Glitzerfummel à la Marilyn Monroe zum Kennedy-Geburtstag eine Schnulze säuseln.

    Gut eine Stunde währt dieses "The Returns", die Erwiderungen, Rückgaben (im sportlichen Sinn), genannte Programm der Forsythe Company, bei dem der Meister an Bühnenbild und Kostümen selbst mitwirkte, die Tänzerinnen und Tänzer immer wieder kleine virtuose Kabinettstückchen einstreuen.

    Sehr leicht, locker, wie improvisiert kommt das daher; durchleuchtet mit zuckenden Flashs und einem ironischen Lächeln die heutigen Diskussionen um Urheberrecht und Piraterie vor dem Hintergrund eines von Marcel Duchamp und Andy Warhol umgedeuteten Kunstbegriffs des 20. Jahrhunderts.

    Eine vergnügliche Bild-Ton-Collage ist das. Poppig, laut, bunt. Kunst und Kommerz: Die Grenze gibt es hier eher nicht. Und dass diese Show sehr unterhaltsam ist, werden ihre Macher nicht als Vorwurf sondern als Kompliment empfinden. Andere vielleicht doch.