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Popstar Roboter

Musikalische Massenware aus der Produktion professioneller Hit-Macher gehört der Vergangenheit an. Jetzt übernehmen die Roboter das Musikbusiness. Schon bald soll sich der erste bei einer Castingshow bewähren.

Von Tim Thaler | 13.06.2013
    Xbox, Wii oder Playstation stehen heutzutage in beinahe jedem Wohnzimmer und in der Küche vielleicht noch ein Brotbackautomat. Was all diese Dinge gemeinsam haben? Es sind Roboter, die uns entweder Arbeit abnehmen oder uns den Alltag versüßen. Eines nur haben sie bis heute nicht gelernt: uns selbstständig schöne Lieder vorzusingen. Genau das versucht Karl Heinz Jeron zu ändern.

    "Mein Name ist Karl Heinz Jeron und ich bin Künstler aus Berlin."

    Es ist windig auf der Brücke, auf der Karl Heinz Jeron steht. Um ihn herum eine kleine Menschentraube. Er selbst ist allerdings gar nicht der Mittelpunkt; vielmehr geht es um das oder besser um den, der vor ihm steht. Ein paar Räder, darauf Backsteine, zwei Röhren, die etwas weiter oben in einem Lautsprecher enden. Alles verbunden mit Kabeln, Batterien und Klebeband. Ein Klischee-Roboter sieht anders aus. Aber Karl Heinz Jerons Roboter entspricht ja auch sonst keinem Klischee.

    "Roboter arbeiten üblicherweise sieben Tage die Woche, 24 Stunden in der Automobilindustrie, und da sollte man ihnen auch mal ne Chance in der Unterhaltungsindustrie geben."

    So erschuf Karl Heinz Jeron den Künstler, der die von Florian Silbereisens, Dieter Bohlens und Madonnas durchsetzte Unterhaltungsindustrie aufrütteln soll. Der Künstlername jedenfalls ist schon mal ziemlich einzigartig …

    "Sim Gishel ist ein Stück von Autechre vom Cornfield Album; also das Album, bei dem sie praktisch ausschließlich eben Software benutzt haben, um alle Stücke zu erzeugen."

    Den klassischen Weg über Demo-Songs zum Plattenvertrag zu gehen oder besser zu rollen, kommt für so jemanden wie Sim Gishel natürlich nicht in Frage. Er versucht, gleich ganz groß durchzustarten.

    "Also der soll sich ja bei Castingshows bewerben. Das ist der ursprüngliche Plan für die Maschine, und er ist erfolgreich durch die Vorauswahl für ‚Das Supertalent‘ gekommen."

    Der Weg zum Supertalent ist jedoch noch ein weiter und Sim Gishels Rollen sind zu klein, um ihn alleine zu bewältigen. Deshalb hat Karl Heinz Jeron direkt neben Sim Gishel ein Schild aufgestellt. 100 Euro fehlen noch für Sim Gishels Transport zum Supertalent. Der Lohn für die Spenden ist … nun ja, nennen wir es mal "Gesang".

    Den zu erwartenden Ruhm wollen Sim Gishel, aber auch Karl Heinz Jeron gar nicht für sich alleine. Und so lädt Jeron jeden Monat interessierte Menschen zum Roboter-Workshop ein.

    "Das ist auch nicht zeitlich unglaublich aufwendig. Da bekommt man schon was zusammengebaut, was sich dann bewegt und eben auch Töne von sich gibt."

    Vier angehende Musik-Roboter-Bastler sitzen in einem kleinen Hinterhof-Gartenhaus mitten im Zentrum Berlins. Sie stehen noch ganz am Anfang; ihre Roboter lernen sich gerade mal zu orientieren; heute steht "Auge-Rad-Koordinierung" auf dem Lehrplan.

    "Was wir heute einfach mal bauen, ist schlichtweg, dass sich die Motoren entsprechend, wenn es sich um einen hellen oder dunklen Untergrund handelt, nach links oder nach rechts bewegen."

    Die ersten Erfolge lassen nicht lange auf sich warten; Roboter-Stars sind eben leichter aufzubauen als nölende Nachwuchskünstler mit eigenem Willen.

    "Ja, wir haben jetzt fast alle Komponenten verbaut. Vielleicht kann man das so kurz mal testen."

    Und so erschallen sie zum ersten Mal: die zukünftigen Roboter-Hits, denen wir uns wohl schon bald durch Fernsehen, Radio und Klingelton nicht mehr entziehen können.