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Populisten
Abgesang auf die EU

UKIP – die rechtspopulistische britische Unabhängigkeitspartei - schürt in ihrem Europawahlkampf die Angst vor Europa und vor Einwanderern. Sie schwimmt im Geld und könnte laut Umfragen die Europawahl in Großbritannien gewinnen.

Von Jochen Spengler | 05.05.2014
    Nigel Farage in einer Kneipe
    UKIP-Chef Nigel Farage gibt sich bürgernah (Bild: dpa / picture alliance)
    Man kann Nigel Farage kaum entkommen. Kein Tag vergeht, an dem sein Konterfei nicht aus irgendeiner Zeitung grinst, kein Tag an dem dem Anführer der UK Independence Party (UKIP) im Fernsehen nicht ein Forum geboten würde. Kein anderer Politiker in Großbritannien wird von den Medien stärker hofiert, ist so präsent vor der Europawahl wie der Europagegner Nigel Farage. Er nutzt die Auftritte, um seinen Anhängern einzuhämmern: „Dieses sind die wichtigsten Europawahlen, die es jemals in diesem Land gab. Wir haben die Chance, einen Schock im britischen politischen System auszulösen, der nichts weniger als ein Erdbeben sein wird."
    Der 50-jährige Kettenraucher bringt das mit, was im Zeitalter des TV-Entertainments vor allem zählt: Unterhaltungstalent. Farage hat Humor, ist beleidigend, schlagfertig und bietet kurze Antworten auf komplizierte Fragen.
    Gegen die EU und Migranten
    Vor allem zwei simple Botschaften verkündet er immer wieder – so auch beim haushoch gewonnenen Fernsehduell gegen den liberalen EU-Freund Nick Clegg: ‚Stoppt die Einwanderung' und ‚Raus aus der EU'. Die Briten müssten die Kontrolle über ihr Land zurückgewinnen, die Grenzen selbst kontrollieren und eine „anständige Einwanderungspolitik" machen, fordert Farage. Und fügt hinzu: „Lasst uns aufhören, 55 Millionen Pfund pro Tag einem Club zu geben, bei dem wir nicht Mitglied sein müssen."
    Der jüngsten Umfrage zufolge wird die Unabhängigkeitspartei vor Labour und den Konservativen die Europawahl gewinnen. Bislang hat UKIP seine 36.000 Mitglieder vor allem aus dem Lager der Konservativen rekrutiert. Nun will Farage auch das Labour-Reservoir anzapfen. Nicht zufällig startete er die Wahlkampagne im Herzland der Arbeiterklasse. In Sheffield präsentierte UKIP vier Wahlplakate, die vor allem eines schüren sollen: Angst vor EU-Ausländern. Farage nennt den Wahlkampf den „bisher größten und professionellsten seiner Partei" - und dankt im gleichen Atemzug Paul Sykes für seine Hilfe.
    Sykes ist ein reicher Unternehmer. Früher hat er die Konservativen unterstützt. Jetzt finanziert er mit einer Spende von 1,8 Millionen Euro UKIP und ihre Plakataktion. Sykes meint, die britische Bevölkerung müsse endlich verstehen, wie das britische Verhältnis zur EU sei: „Die einzige Partei, die ein klares Rein-oder-Raus-Referendum anbietet, ist die Unabhängigkeitspartei. Deswegen helfe ich ihr."
    Parolen für "Wutbürger"
    Nigel Farage inszeniert sich derweil als Mann des Volkes, der das formuliert, was der ‚einfache Mann' auch empfindet. Und er versucht, Protest und Wut der Bürger auf „die da oben", auf das politische Establishment anzufachen. Die meisten Menschen seien weit entfernt von der politischen Elite in Westminster. „Vielleicht sind hier ja auch einige, die in Eton oder in Oxford studiert haben", sagt er bei einem Auftritt. „Doch meine Vermutung ist, dass die meisten von Euch hier tatsächlich richtige Menschen sind, mit richtigen Jobs, die ihre Familien großziehen und stolz darauf sind, Briten zu sein."
    Die Anbiederung funktioniert meistens, obgleich Farage selbst eine Privatschule besucht hat, Börsenmakler war und seit 15 Jahren Abgeordneten-Bezüge des Europaparlaments kassiert, das er immer mit Verachtung und häufig mit Abwesenheit straft.
    Wo er auftritt, gibt es nicht selten Proteste oder Eierwürfe. Doch ganz gleich, ob er mit dem Geld der EU seine Frau als Sekretärin bezahlt, ob zweifelhafte Plakate oder rassistische Äußerungen unzähliger UKIP-Funktionäre: All das perlt anscheinend ab an Mr. Teflon, der wie ein revolutionärer Volkstribun seine Landsleute aufruft: „Kommt und tretet der Volksarmee bei. Lasst uns das Establishment stürzen, das uns in diesen Schlammassel geführt hat."