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Poroschenko in Brüssel
Alle Augen auf Minsk

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko setzt seine Tour durch Europa fort: Nach Berlin ist nun Brüssel an der Reihe. Die Regierung in Kiew braucht Hilfe, vor allem finanzielle. Doch dafür erwartet die EU Reformen - und mehr Bemühungen in Sachen Friedensabkommen für die Ostukraine.

Von Annette Riedel, Brüssel | 27.08.2015
    Donald Tusk, Petro Poroschenko und Jean-Claude Juncker am 27.04.2015 in Kiew
    Petro Poroschenko (Mitte) sucht das Gespräch mit den Vertretern der Europäischen Union. (Sergey Dolzhenko)
    Wenn der ukrainische Präsident Poroschenko sich am Donnerstag in Brüssel mit EU-Kommissionspräsident Juncker zu Gesprächen trifft, dann kann er auf einen freundlichen Empfang setzen. Freundlich aber durchaus auch fordernd. Denn, was die Umsetzung der Verabredung von Minsk zur Befriedung der angespannten Lage in der Ostukraine angeht, ist zwar aus Sicht der EU vor allem Russland gefragt. Aber auch auf ukrainischer Seite sind die entsprechenden Ambitionen nicht in jedem Punkt zureichend. Die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten, Catherine Ray, sagt es so: "Wir appellieren an alle Seiten, sich an das Minsker Abkommen zu halten - den Waffenstillstand einzuhalten, schwere Waffen abzuziehen, alles zum Schutz der Zivilbevölkerung zu tun. Die EU unterstützt die volle Implementierung von Minsk."
    Kiew betreibt beispielsweise aus Sicht von internationalen Beobachtern nicht entschieden genug die Entwaffnung und Disziplinierung der ukrainischen nationalistischen Milizen.
    Dass weder der Waffenstillstand noch die ebenfalls in Minsk verabredete volle Arbeitsfähigkeit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit, OSZE, wirklich funktionieren, dass Kampfhandlungen und Behinderungen der Beobachter eher zuletzt wieder zugenommen haben, beunruhigt in der EU, lässt manchen zweifeln an der Wirksamkeit von Minsk, treibt auch den deutschen Außenminister Steinmeier um: "Da die Situation nach wie vor nicht hinreichend gesettlet ist, müssen wir immer im Auge haben, dass die Eskalationen nicht ein Maß erreichen, dass militärisch die Lage außer Kontrolle gerät."
    Ein Pole redet Kiew ins Gewissen
    Und doch sieht nach wie vor weder Steinmeier, sahen auch die Bundeskanzlerin und der französische Präsident Hollande nach ihren Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Anfang der Woche, noch sieht sonst irgendjemand eine Alternative dazu, an Minsk festzuhalten. Dass vor der Ukraine jenseits des Umgangs mit der Situation im Osten des Landes riesige Aufgaben stehen, darauf verweist der CDU-Abgeordnete im EU-Parlament, Elmar Brook. Der Außenpolitiker gehört, wie der ehemalige polnische Präsident Kwasniewski, zu einem Kreis internationaler Berater der Regierung in Kiew. "Im Prinzip muss die Ukraine einen Transformationsprozess machen - politisch und wirtschaftlich - wie das beispielsweise nach 1990 Polen gemacht hat."
    Und so ist es vielleicht auch von besonderem Gewicht, wenn ein Pole, Ratspräsident Tusk nämlich, Kiew ins Gewissen redet, zuletzt beim EU-Ukraine-Gipfel im Frühjahr: "Polen weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet durch einen solchen schmerzlichen Prozess zu gehen - selbst ohne einen bewaffneten Konflikt im Lande. Aber ich kann ehrlich sagen, dass es keine bessere Alternative gibt. Die Reformen, die Opfer, die West-Orientierung waren es die Sache wert." Europa, so Tusk, werde der Ukraine dabei in jeder erdenklichen Weise zur Seite stehen.
    Schuldenproblem von "griechischen' Ausmaßen"
    Kiew wird jeden Rat, jede Tat, jeden Euro aus Brüssel brauchen können, denn es hat zudem auch ein Schuldenproblem von "griechischen Ausmaßen". "Es ist wichtig, dass man für den ökonomischen Fortschritt endlich die notwendigen Maßnahmen gegen Korruption durchsetzt und für Rechtsstaatlichkeit, denn wenn man ausländische Investitionen haben will, muss es klar sein, dass man nicht durch Korruption von Oligarchen unter Druck gesetzt werden kann."
    Entsprechende Gesetze zu schaffen, ist das eine - sie umzusetzen und anzuwenden eben noch eine ganz andere Sache. Und nicht zuletzt darüber werden Juncker und Poroschenko zu diskutieren haben, sagt die Kommissionssprecherin.