Donnerstag, 18. April 2024

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Porträt Stefan Schönberg
Radiologie - mehr als nur Bilder machen

Mit Stefan Schönberg wird im kommenden Jahr der Direktor der Radiologie am Uniklinikum Mannheim zum Präsidenten der Deutschen Röntgengesellschaft. 1905 gegründet, ist die DRG eine der ältesten Interessensvertretungen der Medizin, die technisch aber immer wieder für Innovationen bekannt ist.

Von Maximilian Schönherr | 20.07.2016
    In der Zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums Jena (UKJ) liegt eine Röntgenassistentin am 20.01.2016 in Jena (Thüringen) zum Zwecke der Demonstration des Geräts in einem Computertomographen, der Röntgenassistent Kay Clausner bedient ihn.
    So kennt man die Arbeit von Radiologen - doch zunehmend kommen neue Aufgaben auch im OP hinzu. (dpa-Zentralbild)
    "Mein Name ist Stefan Schönberg. Ich bin Direktor des Instituts für klinische Radiologie und Nuklearmedizin hier an der Universitätsmedizin Mannheim und ausgewählter Präsident für die Deutsche Röntgengesellschaft ab 2017."
    Stefan Schönberg trägt Anzug und Krawatte. So arbeite er doch normalerweise nicht?
    "Doch! Wir sind der Meinung, dass eine gewisse Selbst- und Fremdwahrnehmung förderlich ist", lacht Stefan Schönberg und fährt ernster fort: "Wir schätzen unsere Patienten sehr und möchten, dass sie uns auch so wahrnehmen. Deswegen ist das Teil unseres Lebensstils. Gelebter Umgang."
    Stefan Schönberg
    Stefan Schönberg (Uni Mannheim)
    Stefan Schönberg wurde 1969 geboren und hat - von einem Aufenthalt in den USA abgesehen - seine Karriere in Süddeutschland gemacht, unter anderem am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Er kennt die sprichwörtliche Konkurrenz zwischen Radiologen und Chirurgen: Traditionell halten viele Chirurgen die Radiologen nur für Zulieferer von Bildern. Mit diesem Herabschauen soll es nun ein Ende haben, denn, so Schönberg, die Radiologen kommen ab sofort mit in den OP und legen selbst Hand an. Der Grund sind die in den letzten Jahren immer besser gewordenen Bildgebungsverfahren, mit denen sich die Lage eines Tumors und seiner Gefäße immer besser erkennen lässt. Die Radiologen markieren den Tumor inzwischen oft während eines Eingriffs am Patienten.
    "Wir nennen das Computer Assisted Thoracic Surgery, abgekürzt CATS, wo jetzt der interventionelle Radiologe und der Chirurg gemeinsam am Tisch stehen."
    "Der Radiologe macht wirklich einen Teil des Eingriffs"
    Der Radiologe bereitet den Eingriff mit vor, so war das schon immer, aber jetzt nimmt er auch während des Eingriffs Röntgenbilder auf, etwa bei Operationen im Brustkorbbereich. Er interpretiert diese Aufnahmen nicht nur:
    "Der Radiologe macht wirklich einen Teil des Eingriffs. Er legt beispielweise die Nadel in den Herd. Es kann aber auch sein, dass er eine Hitzebehandlung des entsprechenden Herdes macht, wenn es einen zusätzlichen Herd gibt, der chirurgisch schlecht erreichbar ist. Er wird also ein Teil der tatsächlichen Behandlungskette.
    Für Eingriffe im Gehirn oder an der Prostata kommen jetzt, zunächst als Prototypen, Magnetresonanz-Tomographen in den Operationssaal. Zentrales Forschungsthema ist es laut Schönberg, die konventionellen Instrumente im OP so zu konstruieren, dass sie immun gegen die starken Magnetfelder dieser großen neuen Geräte sind. Auch bei der Vernetzung der Maschinen sieht er Handlungsbedarf.
    "Maschinen haben den riesigen Nachteil, dass sie häufig überhaupt nicht miteinander interagieren können. Die Industrie hat mit Industrie 4.0 schon erkannt, dass Maschinen Teil eines interaktiven flexiblen Prozesses sein müssen. Genau das müssen wir auch machen: Das Anästhesiegerät darf nicht im Weg vom Roboterarm stehen. Man muss solche Systeme mit hochleistungsfähiger Elektronik und Informatik verbinden und ihnen eine Rolle in einem dreidimensionalen Raum zuweisen."
    Open Source und Maschinen, die lernen
    Der angehende Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft setzt dabei auf "RadiOmics", einen Open-Source-Standard für die Beschreibung von Bildgebungsdaten in der Radiologie. Und für die Analyse der Bilddaten sieht er ein neues Zeitalter anbrechen: das der neuronalen Netze und der selbstlernenden Software.
    "Der Computer lernt an seiner eigenen Entscheidungsfindung, und das wird für uns jetzt interessant, um ein Mehr aus unseren Daten zu generieren. In jedem Bild, das wir anschauen, beispielsweise von einem Tumor in der Lunge, steckt ja eine mehrdimensionale Information. Und es ist in der Tat so, dass alle diese Komponenten in Korrelation gebracht werden könnten zu anderer Information zu einem Tumor. Es gibt ja auch Daten zur Genetik und zum Verlauf des Tumors. Damit entstehen plötzlich Tausende von möglichen Permutationen, die man korrelieren kann."
    Und zwar mit Hilfe von Maschinenlernen, um dann noch schonender zu operieren und Medikamente gezielter einzusetzen. Oder um vielleicht gar nicht zu operieren, weil die Software nahe legt, der Tumor wird nicht streuen.