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Portugal
Droht Europa eine neue Banken-Krise?

Portugiesische Geldhäuser haben Milliarden aus dem Rettungspaket zwischen 2011 und 2014 erhalten. Doch scheint dadurch das Problem nur vertagt worden zu sein, denn die portugiesischen Geldhäuser kämpfen wieder ums Überleben. Im Zuge der Europäischen Bankenunion geraten die Banken nun unter verstärkten Druck.

Von Tilo Wagner | 04.05.2016
    Die Zentrale der Europäischen Zentralbank
    Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Anfang November 2014 die Verantwortung für den einheitlichen europäischen Bankenaufsichtsmechanismus übernommen (picture-alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    In einem holzvertäfelten Raum des portugiesischen Parlaments stellen sich Banker und Politiker den Fragen einer Untersuchungskommission, um den Zusammenbruch und die staatliche Rettung einer großen Privatbank zu erklären. Die Bilder ähneln sich: Vor einem Jahr war es das Finanzimperium der Bankerfamilie Espírito Santo. Und nun geht es um das Geldhaus Banif, das Ende Dezember 2015 unter zweifelhaften Umständen aufgelöst wurde: Auf Druck der Europäischen Zentralbank übernahm die spanische Großbank Santander für 150 Millionen Euro das fast risikofreie Kerngeschäft. Dagegen musste Portugals sozialistische Minderheitsregierung über 2,2 Milliarden Euro ausgeben, um eine sogenannte Bad Bank für notleidende Kredite zu schaffen.
    Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen: Denn die Kosten für die Bankenrettung ließen das portugiesische Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr weit über die Drei-Prozent-Grenze ansteigen; durch diesen erneuten Bruch mit den Euro-Stabilitätskriterien verstärken sich allerdings auch die Brüsseler Forderungen an Lissabon, nicht vom Sparkurs abzukommen.
    Gerade das aber sei für die neue Regierung ein schwerer Schlag gewesen, sagt Wirtschaftsprofessor João César das Neves. Denn die Sozialisten hätten die Altlasten der Bankenkrise schließlich nur geerbt:
    "Die vorherige Regierung hat eine Reihe von Problemen nicht gelöst, zum Beispiel angeschlagene Finanzinstitute rechtzeitig abzuwickeln. Unter dem Sparkurs der vergangenen Jahre haben auch die Banken gelitten. Jetzt geht es um eine neue Finanzkrise, diesmal nicht im staatlichen Sektor, sondern bei den privaten Geldhäusern. Seit Jahren haben die Banken in Portugal mit billigen Krediten Großunternehmen finanziert, deren Produkte mittlerweile nicht mehr wirklich rentabel sind. Diese Situation wird sich in Zukunft mit den geringen Wachstumsraten, die wir erwarten, noch verschlechtern."
    Kritik an der Europäischen Union
    Bei der Suche nach den Schuldigen rückt auch die Europäische Union ins Zielfeuer der Kritik. So sollen es die verschärften Regeln zur Rettung von Finanzinstituten - Kernstücke der Europäischen Bankenunion - verhindert haben, auch die in Notlage geratene Banif-Bank handwerklich professionell abwickeln zu können.
    Zudem, so die Klage, beeinflussten die finanzpolitischen Ideen aus Brüssel und Frankfurt auch die Struktur einer weiteren portugiesischen Privatbank. Die EU wünscht sich nämlich, dass sich das Geldhaus BPI von seinem angolanischen Kapital trennt. Die Großinvestorin und Tochter des angolanische Präsidenten, Isabel dos Santos, möge ihren 20-Prozent-starken-Anteil zugunsten einer spanischen Bank abtreten. Lissabon fürchtet jedoch, dass der Bruch mit der afrikanischen Präsidententochter dann die sensiblen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Portugal und der früheren Kolonie Angola mittelfristig stören könnte.
    Die Bankenkrise in Portugal wirke sich jetzt schon direkt auf das Wirtschaftswachstum aus, warnt João Viera Lopes, Präsident des Arbeitnehmerverbandes für Einzelhandel und Dienstleistung:
    "Die portugiesischen Banken haben jahrelang großzügig Kredite verteilt, ohne sich an gewisse Kriterien zu halten. Dadurch haben sie immer noch einen hohen Anteil fauler Kredite. Jetzt ist das Gegenteil der Fall. Es ist fast unmöglich für Unternehmen, einen Kredit zu bekommen. Und das trifft ganz besonders junge, innovative Unternehmen oder Start-ups, die zum Beispiel in der digitalen Wirtschaft ihr Geschäft machen. Wir fürchten jetzt, dass sich durch die zunehmende Konzentration auf wenige Großbanken und als Folge der Übernahme portugiesischer Geldhäuser durch ausländische Investoren, die den portugiesischen Markt nicht kennen, die Kreditklemme weiter verschärft."
    In der Wochenzeitung "Expresso" hat am vergangenen Samstag eine halbe Hundertschaft von Vertretern aus Politik und Wirtschaft, darunter auch drei ehemalige konservative Finanzminister, ein Manifest veröffentlicht, in dem vor den Gefahren einer Übernahme portugiesischer Banken durch ausländisches Kapital gewarnt wird. Finanzprofessor João Duque, einer der Unterzeichner des Dokuments, sieht die Schuld für die aktuelle Schieflage im portugiesischen Bankensystem ebenso in Brüssel:
    "In den nächsten Jahren könnten weitere portugiesische Banken von ausländischen Investoren aufgekauft werden – und zwar auch auf Druck aus Europa. Wir Portugiesen haben den Moment für eine Bankenkrise einfach schlecht gewählt. Hätten wir im Jahr 2007/2008 eine Bankenkrise gehabt, wäre sie wohl einfacher zu lösen gewesen sein als jetzt, da es nun wegen der Bankenunion viele neue Richtlinien gibt. Dazu kommt: Portugal ist einfach zu klein, um in Brüssel richtig auf den Tisch zu hauen und zu fordern, dass gewisse Regeln geändert oder angepasst werden müssen."