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Portugal
Eine Tombola für ehrliche Steuerzahler

Die portugiesische Regierung verlost unter Steuerzahlern ein Jahr lang wöchentlich ein Auto. Damit will sie Verbraucher belohnen, die beim Bezahlen von Konsumgütern oder Dienstleistungen ihre Steuernummer angegeben haben, und so die Schattenwirtschaft bekämpfen.

Von Tilo Wagner | 03.04.2014
    Ein Verkäufer steht hinter einer Supermarktkasse in Lissabon. Brot, Kekse und Milch liegen auf dem Förderband, doch bevor der Verkäufer die Strichcodes einscannt, fragt er die Kundin, ob sie ihre Steuernummer angeben will. Diese Frage ist Pflicht. Seit Anfang des Jahres müssen Einzelhändler, Gastronomen und Dienstleister in Portugal ein zertifiziertes Abrechnungsprogramm benutzen, damit die Mehrwertsteuer tatsächlich abgeführt wird. Die Regierung will so die Schattenwirtschaft bekämpfen. Die Beobachtungsstelle für Steuerflucht an der Universität Porto schätzt den Wirtschaftsanteil, der steuerlich nicht erfasst ist, auf 26,7 Prozent. Anders ausgedrückt: Wenn Portugal die Schattenwirtschaft in den Wirtschaftskreislauf integrieren würde, hätte der Staat im vergangenen Jahr kein Defizit, sondern einen Haushaltsüberschuss von über einem Prozent eingefahren. Dass die Regierung die Steuerflucht bekämpfen will, findet Jorge Morgado, der Präsident des größten portugiesischen Verbraucherverbandes DECO, eigentlich gut:
    "Die Portugiesen haben seit Langem ein schlechtes Verhältnis zur Steuerplicht. Und es gibt weiterhin eine Menge Leute, die keine Steuern zahlen wollen. Das muss sich ändern. Wir müssen die Menschen erziehen - im bürgerlichen Sinne. Sie müssen dazu bewegt werden, freiwillig Steuern zu zahlen. Wir müssen ihnen erklären, dass ein gut funktionierender Staat mit guten Sozialleistungen, Bildungseinrichtungen und einer ordentlichen Gesundheitsversorgung auf ihre Steuern angewiesen ist."
    In den vergangenen Jahren aber ist die Schattenwirtschaft in Portugal weiter gewachsen. Das liege auch an der Krise und der harten Sparpolitik der Regierung, sagt Jorge Morgado:
    "Die Steuerlast hat extrem zugenommen, vor allem die privaten Haushalte sind davon betroffen. Und gleichzeitig hat die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen stark abgenommen."
    Der Gewinn: deutsche Mittelklassewagen
    Mit bürgerlichen Idealen lassen sich die Portugiesen daher scheinbar nicht zum Steuern zahlen animieren. Deshalb versucht es die Regierung jetzt mit Geschenken. In dieser Woche soll der erste von insgesamt 52 deutschen Mittelklassewagen an einen ehrlichen Steuerzahler verlost werden. Zwei Luxusautos werden im laufenden Jahr zusätzlich verschenkt. Insgesamt lässt sich die Regierung das Steuer-Lotto circa 3,5 Millionen Euro kosten. Mitmachen kann jeder, der Abgaben zahlt. Jede Rechnung mit einem Wert von über zehn Euro wird in einen Lottoschein umgewandelt. Die Chancen für den Steuerzahler sind dementsprechend gering, bei schätzungsweise 46 Millionen Lottoscheinen.
    Francisco Ferreira von der Umweltorganisation "Quercus" hat zwar prinzipiell nichts gegen ein Steuer-Lotto. Die Anreize seien jedoch falsch gewählt, findet er:
    "Wir wollen in Portugal doch ein nachhaltiges Wachstum, oder? Dafür hätte die Regierung aber andere Preise wählen müssen. Die Autos, die jetzt verlost werden, fressen ziemlich viel Sprit, stoßen viel CO2 aus und sind einfach nicht energieeffizient. Da wäre es doch ein wesentlich klügeres Zeichen gewesen, wenn man zum Beispiel Elektro-Autos verlosen würde."
    Der Verbraucherschützer Jorge Morgado geht mit seiner Kritik noch ein Stück weiter. Die Autos seien das Symbol für eine Traumwelt, die die Politiker dem Volk vor der Krise jahrelang versprochen hätten und die dennoch für viele Portugiesen immer unbezahlbar geblieben sei:
    "Die Regierung handelt sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite sagt sie den Familien jeden Tag, dass sie ihr Leben neu ordnen und mit weniger auskommen müssen, als das früher der Fall war. Auf der anderen Seite zementiert sie den Traum, den in ihren Augen jede portugiesische Familie zu haben scheint: Einmal ein teures Auto besitzen. Aus ethischer und ideologischer Sicht ist diese Verlosung ein Fiasko. Vielleicht bewirkt sie tatsächlich erst einmal etwas. Aber was ist, wenn die Regierung keine Autos mehr verlost? Vielleicht werden die Portugiesen dann wieder alles schwarz bezahlen."
    Die Anzahl der ausgestellten Rechnungen mit Steuernummer lag im Januar tatsächlich 45 Prozent über dem Vorjahreswert. Ob das an den Glücksspiel liebenden Portugiesen liegt oder am neuen, effizienteren Abrechnungssystem in den Supermärkten, lässt sich statistisch bisher nicht nachweisen.