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Portugal
Ministerpräsident unter Korruptionsverdacht

Portugal wird von einem Korruptionsskandal in den obersten Reihen der Regierung erschüttert. Wegen Steuerhinterziehung wird gegen Ministerpräsident Pedro Passos Coelho ermittelt. Angeleiert hat die Ermittlungen die sozialistische Opposition. Und dabei hatte die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe bereits für verjährt erklärt.

Von Daniel Sulzmann | 30.09.2014
    Turbulent geht es derzeit in Portugals Politik zu: Portugals Regierungschef Pedro Passos Coelho ist in den letzten Tagen unter Druck geraten: Die Vorwürfe gegen ihn beziehen sich auf seine Zeit als Abgeordneter im portugiesischen Parlament. Damals in den 90er-Jahren war Passos Coelho, Gründungsmitglied und Chef einer Nichtregierungsorganisation, die unter dem Namen Portugiesisches Kooperationszentrum fungierte. Dieses Zentrum soll dazu beigetragen haben, einem Unternehmen namens Technoform EU-Zuschüsse zu besorgen, und Pedro Passos Coelho soll davon finanziell profitiert haben, was er vehement bestreitet:
    "Ich habe als Abgeordneter nie Geld von der Firma Technoform bekommen", sagte er bei einer Befragung.
    In der Kritik
    Die Staatsanwaltschaft sagt, die möglichen Delikte seien verjährt und Pedro Passos Coelho hat sich geweigert auf sein Bankgeheimnis zu verzichten und seine Kontoauszüge aus dieser Zeit offenzulegen. Gefordert von Antiono José Seguro, sozialistischer Oppositionspolitiker:
    "Wir können keinen verdächtigen Ministerpräsidenten haben, es kann nicht sein, dass es Zweifel gibt, ob der Ministerpräsident außerparlamentarische Einnahmen hatte zwischen 1995 und 1999."
    Doch Senor Seguro hat inzwischen selbst ein großes Problem: Eigentlich sollte er als Parteichef der Sozialisten Passos Coelho im Wahlkampf im nächsten Jahr als Spitzenkandidat herausfordern. Denn bei der Europawahl hatte er ein gutes Ergebnis für die Sozialisten geholt. Doch dann kam die Urwahl der Parteimitglieder. Sie fegten Seguro aus dem Amt, entschieden sich lieber für den hemdsärmeligen Bürgermeister von Lissabon, Antonio Costa, der schon mal Justiz- und Innenminister war. Der 53 Jahre alte Costa holte völlig überraschend fast 70 Prozent der Stimmen und sagte sogleich der Regierung den Kampf an:
    "Dies ist der erste Tag einer neuen Regierungsmehrheit, das ist der Anfang vom Ende der Regierung."
    Und weil sich Seguro über seine Niederlage gar nicht beruhigen konnte, ja von Verrat durch den Parteikollegen sprach, lenkte Sieger Costa den Blick auf die Partei als Ganzes:
    "Diese Wahl war nicht die Niederlage von Irgendjemandem, sondern der Sieg aller Parteimitglieder und Sympathisanten der sozialistischen Partei."
    Unter Druck
    Mit Antonio Costa hat Pedro Passos Coelho jetzt für die nächsten Wochen und Monaten einen erfahrenen und gefährlichen politischen Gegenspieler, und das auch, weil sich auch noch die europäische Antikorruptionsbehörde eingeschaltet hat: Laut einem Bericht der Zeitung "O publico" untersucht die Behörde die Verflechtung des "portugiesischen Koperationszentrums" von Pedro Passos Coelho und der Firma Tecnoforma: Politik ist in Portugal im Moment zwar turbulent, aber alles andere als langweilig.