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Portugal
Misstrauen und mögliches Linksbündnis

Bei der Europawahl in Portugal rutschte die konservative Regierungskoalition auf 27 Prozent der Stimmen ab. Die Kommunistische Partei kam auf 12 Prozent, schickt zum ersten Mal nach dem Ende des Kommunismus in Osteuropa wieder drei Abgeordnete nach Brüssel - und führt sich gleich mit einem Misstrauensvotum ein.

Von Tilo Wagner | 30.05.2014
    Die Flaggen Portugals und Europas
    Die Flaggen Portugals und Europas (dpa / picture-alliance / Peter Zimmermann)
    Die Begeisterung war groß unter den Anhängern der portugiesischen Kommunisten, als Generalsekretär Jerónimo Sousa ankündigte, ein Misstrauensvotum gegen die konservative Regierung zu stellen. Denn für die Kommunisten ist klar: Nach dem schlechten Abschneiden der Mitte-Rechts-Koalition bei der Europawahl muss die Regierung zurücktreten.
    Ângelo Alves ist Mitglied des Zentralkomitees der kommunistischen Partei. Er hat in den vergangenen Jahren die politischen Positionen der Kommunisten mitdefiniert, also auch die Kritik an der Europäischen Union:
    "Wir haben bisher in Europa keinen Integrationsprozess erlebt, der die Staaten alle gleich behandelt. Der Kapitalismus hat die Regeln bestimmt. Zum einen haben die Großunternehmen ihre Macht gegenüber den Arbeitern ausgebaut; zum anderen haben die Großmächte in der EU ihren Einfluss auf die sogenannten kleinen Staaten der Peripherie verstärkt."
    Klare Forderung: Ausstieg aus der Währungsunion
    Die portugiesischen Kommunisten haben deshalb eine klare Forderung formuliert, für die sie sich nach dem Wahlerfolg auch in Brüssel einsetzen wollen:
    "Wir müssen Portugal auf den Ausstieg aus der Europäischen Währungsunion vorbereiten und so dem Land die damit verbundenen Zwangsauflagen ersparen. Das portugiesische Volk hat genug gelitten. Es wäre am besten, wenn wir diesen Weg nicht alleine gehen müssen, sondern von der EU unterstützt werden. Wenn die EU wirklich so solidarisch ist, wie sie das immer von sich selbst behauptet, dann muss sie doch zugeben, dass es ein Fehler war, Portugal in die Zwangsweste des Euros zu stecken. Wir brauchen schließlich Hilfen von der EU, um einen geordneten Ausstieg aus dem Euro vorzubereiten."
    Damit stellen sich die Kommunisten kurioserweise auf die Seite ihre ärgsten politischen Feinde: Schließlich fordern auch die euroskeptischen, rechtspopulistischen Parteien in Europa ein Ende der Gemeinschaftswährung. Ângelo Alves weist das zurück. Seine Partei wolle Portugal nicht zurück in die Isolation führen:
    "Wenn wir die rechtsextremen Parteien in Europa bekämpfen wollen, dann müssen wir die sozialen Rechte stärken und die Würde der einzelnen Völker, seien es Portugiesen oder Deutsche, im gemeinsamen Miteinander respektieren. Die Rechtsextremen wollen jedoch das Gegenteil: Sie suchen den nationalen Alleingang."
    Die Europawahl war der letzte Urnengang der Portugiesen vor den Parlamentswahlen im kommenden Jahr. Dieses Mal hat eine breite Mehrheit der Portugiesen zwar links gewählt. Ein Regierungswechsel mit einer stabilen Mehrheit wäre aber nur möglich, wenn sich die gemäßigten Sozialisten und die Kommunisten auf eine Koalition einigen. Das scheint zurzeit nicht möglich. Ângelo Alves weist auf unterschiedliche Positionen hin:
    "Wir Kommunisten haben den Sozialisten ein politisches Projekt vorgestellt: Wir wollen mit den Geldgebern über unsere Staatsschulden verhandeln. Wir wollen, dass ein Teil der strategisch wichtigen Industrie wieder in die Hände des Staates gelangt. Und wir setzen uns für Einkommenserhöhungen durch, damit der Konsum im Land wieder angekurbelt wird. Die Sozialisten hatten eine klare Antwort für uns: Sie seien noch nicht einmal daran interessiert, über diese Forderungen zu verhandeln."
    Sozialisten lebten in der Opposition nicht leicht
    Doch das Leben in der Opposition ist den Sozialisten nicht leicht gefallen. Sie haben das Troika-Programm, das im Mai ausgelaufen ist, mitverhandelt, haben sich immer als proeuropäische Partei definiert und sich deshalb nie gegen den wirtschafts- und finanzpolitischen Konsens in Brüssel, Washington und Berlin gestellt. Das hat Spuren hinterlassen. Bei der Wahl siegten die Sozialisten nur mit einem dünnen Vorsprung, der erwartete deutliche Triumph blieb aus. Im Innern der Partei rumort es. Sozialistenchef António José Seguro kann sich seines Postens nicht mehr sicher sein.
    Der Politologe António Costa Pinto verweist deshalb darauf, dass auch in Zukunft ein Linksbündnis in Portugal sehr unwahrscheinlich ist:
    "Seit dem Beginn der Demokratie hat die Linke in Portugal ein Problem, das sie aus der Zeit des Kalten Krieges geerbt hat: Auf der einen Seite eine sozialistische Partei, die regieren will und sich stark von den Kommunisten unterscheidet. Auf der anderen Seite eine kommunistische Partei, die sehr aktiv ist, aber bisher nur auf lokaler Ebene politische Verantwortung übernommen hat und Bündnisse mit den Sozialisten eingegangen ist. Daraus resultieren die großen Schwierigkeiten, eine Links-Koalition in Portugal zu bilden."