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Portugal und CETA
Risiken und Nachteile werden kaum diskutiert

Wein und Käse für Nordamerika: Landwirtschaftliche Produkte aus Portugal sollen neue Absatzmärkte finden. Deshalb steht die portugiesische Regierung dem Freihandel durch TTIP und CETA sehr positiv gegenüber. Widerspruch gibt es bislang kaum, aber das könnte sich ändern.

Von Tilo Wagner | 12.10.2016
    Blick in eine Kellerei: Portwein reift in Eichenfässern in der portugiesischen Stadt Porto.
    Blick in eine Kellerei: Portwein reift in Eichenfässern in der portugiesischen Stadt Porto. (picture alliance / Robert B. Fishman, ecomedia)
    Miguel Cachão arbeitet bei einer Winzergenossenschaft südlich von Lissabon. Er berät die Weinbauern aus der Region und hilft ihnen dabei, ihr Produkt in Exportmärkten zu positionieren. Der Sektor durchlaufe seit ein paar Jahren eine tiefgreifende Modernisierung, erläutert Cachão.
    "Der Export von portugiesischem Wein hat mitten in der Krise rasant zugenommen und die Geschäfte liefen vor allem in den ehemaligen portugiesischen Kolonien Brasilien und Angola sehr gut. Doch das hat sich jetzt schlagartig verändert, denn diese beiden Länder stecken in einer tiefen Krise und sind teilweise zahlungsunfähig. Deshalb schauen wir jetzt vor allem auf den nordamerikanischen Markt, wo für unsere Produkte die größten Wachstumschancen liegen."
    Große Hoffnungen liegen auf dem Export
    Wein und Käse aus Portugal sollen in Kanada und in den USA neue Absatzmärkte finden – das ist auch eines der Hauptargumente der portugiesischen Regierung, die sich für die Unterzeichnung der Freihandelsabkommen CETA und TTiP einsetzt und Mitte September zusammen mit den Regierungsvertretern aus elf anderen europäischen Staaten auf eine schnelle Lösung drängte. Dahinter steckt vor allem ein ökonomisches Argument: Die sozialistische Minderheitsregierung hat in den vergangenen zehn Monaten eine Reihe von Renten- und Gehaltskürzungen zurückgenommen – in der Hoffnung, dass diese gestiegenen Kosten für den Staat auch durch eine brummende Exportwirtschaft wieder eingefangen würden. Doch diese Rechnung ging bisher nicht auf.
    Claudia Madeiro, Vorstandsmitglied der portugiesischen Grünen, hält nichts davon, den freien Zugang zu den Exportmärkten in Nordamerika als Rettungsanker für die portugiesische Wirtschaft zu definieren:
    "Wir können doch nicht behaupten, dass es Portugal sehr schlecht geht und wir deshalb diese Märkte unbedingt brauchen, um wirtschaftlich überleben zu können. Das ist doch übertrieben. Die Abkommen sind nicht notwendig, damit wir mehr Wein und Käse exportieren, denn das tun wir bereits mit Erfolg, obwohl Zölle anfallen und die Produkte teuer machen. Der Grund: Wein und Käse aus Portugal sind als Qualitätsprodukte in Nordamerika anerkannt und das hat seinen Preis."
    Die portugiesischen Grünen bemühen sich, die Debatte um die Freihandelsabkommen ins Zentrum der Öffentlichkeit zu rücken. Im Juni haben sie eine erste Debatte im portugiesischen Parlament erwirkt. Die Partei warnte vor den Risiken von kanadischem Exportfleisch, der Aufweichung des Arbeitnehmerschutzes und von Umweltauflagen in Europa. Bisher ist in Portugal jedoch nur am Rande der Gesellschaft über Vor- und Nachteile der Abkommen diskutiert worden, Massenproteste haben auf portugiesischen Straßen nicht stattgefunden.
    Desinteresse der Bevölkerung am Freihandelsabkommen
    Der Regierung kommt das allgemeine Desinteresse an den Freihandelsabkommen nicht ungelegen. Denn eine tiefgreifende Debatte würde auch die unterschiedlichen Positionen im linken Parteienspektrum in Portugal aufdecken. Die Sozialisten bauen ihre Minderheitsregierung eigentlich auf die Unterstützung der drei kleineren radikaleren Linksparteien, darunter auch die Grünen, die die Unterzeichnung der Abkommen ablehnen. Claudia Madeira von den portugiesischen Grünen ist sich des offen Widerspruchs zwischen ihrer Partei und den regierenden Sozialisten bewusst:
    "Wir haben zu Beginn der Legislaturperiode vor gut einem Jahr ein Kooperationsabkommen mit der sozialistischen Partei unterschrieben, das als Grundlage für eine stabile Regierungsarbeit gilt. In diesem Dokument haben wir aber nur die Ziele aufgelistet, die wir gemeinsam erreichen wollen. Das heißt: Strittige Punkte sind im Abkommen gar nicht erwähnt, und darunter fällt auch die unterschiedliche Meinung über die Freihandelsabkommen CETA und TTiP. Deshalb wird dieser Streitpunkt das Linksbündnis als Ganzes niemals in Frage stellen."
    Noch ist unklar, ob das portugiesische Parlament Teile des Abkommens mit Kanada doch noch ratifiziert oder ob die Regierung ihre Zustimmung zu CETA einfach im Kabinett beschließt. Die portugiesischen Grünen haben einen Antrag eingereicht, der eine neue Debatte und eine abschließende Abstimmung einfordert. Sollte es dazu kommen, können die Sozialisten jedoch auf die Unterstützung der beiden konservativen Parteien im Parlament bauen, die sich für die Unterzeichnung der Freihandelsabkommen ausgesprochen haben.