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Portugal
Zustand der Niedergeschlagenheit

Die Portugiesen sind stolz, ihre Schulden begleichen zu können. Sie wissen aber auch, welche Konsequenzen der Sparkurs in Portugal hat. Im Land herrscht ein allgemeiner Zustand der Niedergeschlagenheit. Das Bild vom Musterschüler, das die Befürworter der harten Linie in Brüssel und Berlin über Portugal pflegen, zeigt tiefe Risse.

Von Tilo Wagner | 23.02.2015
    Lissabon , die Hauptstadt Portugals
    In Portugal regt sich Unmut über die von Brüssel verordnete Sparpolitik. (picture alliance / Klaus Rose)
    Portugals Premierminister Pedro Passos Coelho musste sich am vergangenen Freitag im Parlament von der linksgerichteten Opposition schwere Vorwürfe gefallen lassen: In der Griechenlandfrage sei die Regierung noch deutscher als die Deutschen aufgetreten und hätte sich dem Diktat aus Berlin komplett unterworfen. Passos Coelho konterte: "An dem Tag, an dem Griechenland zeigt, dass es fähig ist, eine Wachstumspolitik zu entwerfen, ohne auf das Geld der anderen angewiesen zu sein, bin ich der erste, der das hochhalten wird. Aber wenn man einfach sagt: Wir brauchen keine Sparpolitik, denn die anderen zahlen doch, dann mach ich doch genau das gleiche. Mit dem Geld der anderen ist alles viel einfacher! Ich bin nicht gewählt worden, um die Interessen von Syriza zu vertreten, sondern die Interessen der Portugiesen."

    Die Portugiesen sind aber über die Frage, wie man mit dem griechischen Wunsch nach einem Ende der harten Sparpolitik umgehen soll, tief gespalten.
    „Ich bedaure es, dass die Griechen einfach keine konstante Linie zeigen und es bisher nicht geschafft haben, ihr Wort zu halten. Griechenland spielt mit dem Feuer", sagt eine Passantin in der Lissabonner Innenstadt. Ein Bankangestellter sieht das ganz anders: "Griechenland kann uns den Weg zeigen, wie wir gleichzeitig unsere Schulden abbezahlen, aber trotzdem dabei wachsen können."
    Auf der Seite der Geldgeber
    Nach einer jüngsten Umfrage der Wochenzeitung "Expresso" wünschten sich fast 60 Prozent der Befragten, dass die Regierung im Schlepptau der Griechen eine Auflockerung der Sparpolitik auch in Portugal erreichen würde. Doch im Streit um neue Finanzhilfen für Griechenland hat sich die portugiesische Regierung demonstrativ auf die Seite der Geldgeber gestellt und die Sparprogramme in den Euro-Schuldenstaaten verteidigt. Portugal ist in den vergangenen Tagen gerade auch von der deutschen Regierung immer wieder als Beispiel angeführt worden, um den angeblichen Erfolg der Sparprogramme in Europa aufzuzeigen.
    Wer das behauptet, müsse blind sein, sagt Eduardo Paz Ferreira, Leiter des Europa-Instituts an der Universität Lissabon. Paz Ferreira hat zusammen mit 31 anderen Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur, darunter auch zwei ehemalige konservative Minister, an den Regierungschef appelliert, seine Haltung gegenüber Griechenland zu überdenken. Portugal, so Paz Ferreira, müsse sich auf die Seite der Griechen stellen, denn das Land leide ähnlich stark unter den Konsequenzen der harten Sparpolitik: "Portugal steht heute sehr viel schlechter da als noch vor ein paar Jahren. Und diejenigen, die behaupten, unser Land wäre der beste Beweis, dass die Sparprogramme Erfolg haben, diese Leute schauen einfach nicht richtig hin. Sie sehen in Portugal nicht das Drama der hohen Arbeitslosigkeit, der sozialen Instabilität, der Massenauswanderung von Gering- aber auch Hochqualifizierten. Sie wollen den allgemeinen Zustand der Niedergeschlagenheit einfach nicht wahrnehmen."
    Eigenen Weg finden
    Ein neues Bündnis linksgerichteter portugiesischer Parteien und Gruppierungen hat in der vergangenen Woche einen Brief an die Griechen geschrieben, der in der griechischen Presse zitiert wurde. "Wir schämen uns für unsere Regierung", heißt es in dem Schreiben. "Wenn es an uns liegen würde, würde Griechenland nie wieder so isoliert in einem Treffen der Eurogruppe dastehen, wie in den vergangenen Tagen."
    Rui Tavares, ein ehemaliger EU-Parlamentarier, hat den Brief mitverfasst. Er vermutet hinter der Strategie der portugiesischen Regierung nicht viel mehr als den Beginn des Wahlkampfes in Portugal: "Wenn die griechische Regierung zeigen dürfte, dass es möglich ist, nach Brüssel zu gehen, um neue Ideen zu diskutieren und andere Wege aufzuzeigen, wie wir unsere Probleme in Europa lösen können, dann wäre das genau das Gegenteil von dem, was die portugiesische Regierung in den letzten Jahren getan hat. Sie hat nämlich zu allem Ja und Amen gesagt. Und unsere Regierung würde dann die Wahlen im Herbst haushoch verlieren, denn die Mehrheit der Portugiesen will, dass wir unseren eigenen Weg finden, nicht den griechischen, aber einen, den wir selbstständig aushandeln und der uns nicht einfach in Brüssel diktiert wird." Ähnlich wie im Nachbarland Spanien deutet zurzeit auch in Portugal alles daraufhin, dass die Befürworter der Sparpolitik noch in diesem Jahr abgewählt werden dürften. Und eins steht dann schon fest: Es wird den Verantwortlichen in Brüssel und Berlin wesentlich schwieriger fallen, Portugal als den Musterschüler der Troika-Jahre darzustellen.