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Portugals Gold

Portugal bekommt in den nächsten drei Jahren 78 Milliarden Euro aus dem Euro-Rettungsschirm und vom Internationalen Währungsfonds, im Gegenzug verspricht das Land ein ambitioniertes Reformprogramm. Dabei verfügt Portugal noch über erstaunliche Rücklagen: Es hat die größten Goldreserven in der EU.

Von Tilo Wagner | 05.05.2011
    Nach wochenlangen Verhandlungen mit EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank ist es geschafft. Das Rettungspaket für Portugal steht. Der geschäftsführende Premierminister José Sócrates spricht von einem Verhandlungserfolg:

    "Natürlich stellt ein an Finanzhilfen gekoppeltes Programm immer große Herausforderungen dar. Das heißt, wir werden auch in nächster Zukunft viel Arbeit und eine große Kraftanstrengung aufbringen müssen. Doch verglichen mit den Hilfsprogrammen für andere Länder und hinsichtlich großer Spekulationen in den Medien ist es jetzt meine Aufgabe, die Portugiesen zu beruhigen."

    Sócrates teilte seinen Landsleuten vor allem mit, was nicht auf sie zukommen werden würde: keine Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld, keine Absenkung der niedrigen Renten, keine Massenentlassung im öffentlichen Dienst.

    Ein Großteil der Sparmaßnahmen wird sich erst im Haushalt für die kommenden Jahre bemerkbar machen. Der Plan der internationalen Institutionen sieht vor, Renten von über 1.500 Euro zu kürzen, das Arbeitslosengeld auf einen Höchstsatz festzulegen und zeitlich zu begrenzen. Auch die Mehrwertsteuer soll in bestimmten Bereichen, etwa bei der Energie, angehoben werden. Zudem ist geplant, die staatliche Fluggesellschaft TAP zu privatisieren und Anteile an ehemaligen Staatsunternehmen, wie dem Energiekonzern EDP und der Portugal Telecom zu veräußern.

    An eine besonders lukrative staatliche Rücklage will Portugal aber nicht ran: Die portugiesische Nationalbank verfügt im Verhältnis zur realen Wirtschaftsleistung über so hohe Goldreserven wie kein anderes westliches Land. Rund 20 Milliarden Euro, das sind 9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, sind in dem Edelmetall angelegt.
    Ein Großteil der Goldreserven stammt noch aus dem autoritären Regime von António Oliveira de Salazar. Der Historiker Filipe Meneses:

    "Das Gold hatte im Salazar-Regime einen sehr hohen Stellenwert. Salazar war ein strenger Konservativer, vor allem hinsichtlich finanzieller Fragen, und wollte ein Höchstmaß von Unabhängigkeit für Portugal. Er glaubte, dass Portugal zu jedem Zeitpunkt das nationale Überleben sichern musste. Nach Ansicht von Salazar musste ein kleines und armes Land wie Portugal seine Unabhängigkeit über solide Finanzen und eine feste Währung gewähren. In diesem Sinne unterscheidet er sich ganz extrem von den aktuellen Politikern in Portugal."

    Das Gold war für Salazar auch eine Garantie, dass die notorischen Finanzprobleme Portugals, die mit der Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonie Brasilien zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihren Anfang nahmen, die politische Stabilität seines Regimes nicht gefährden würde. Der Kauf des Edelmetalls wurde auch für Propagandazwecke missbraucht. Filipe Meneses:

    "Ab 1928 beginnt Salazar, Gold zu kaufen. Zu diesem Zeitpunkt war er lediglich Finanzminister in einer Militärdiktatur. Er wollte jedoch Premierminister werden, um dann sein Regime aufzubauen. Er brauchte also einen politischen Erfolg, um seine Macht zu festigen. Der Goldkauf war sein Mittel, um den Portugiesen zu zeigen, dass seine Finanz- und Wirtschaftspolitik Erfolg hat."

    Die sozialen Kosten für den Goldkauf waren jedoch extrem hoch. Salazar investierte in Goldbarren, nicht aber in die Ausbildung der Portugiesen. Nach der Nelkenrevolution verwendete der portugiesische Staat schon einmal einen Teil der Reserven, um den modernen Sozialstaat aufzubauen. Eine breite Diskussion über die überschüssigen Goldreserven findet zurzeit in Portugal nicht statt. Und dennoch stehen die Portugiesen einem Goldverkauf nicht abwertend gegenüber. So wie Walter Martins, der als Automechaniker in der Küstenstadt Cascais arbeitet:

    "Ich glaube, wir sollten die Reserven verkaufen. Wir haben sie doch für solche Zwecke. Wenn wir damit weniger Hilfen anfragen müssen, dann umso besser."