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Portugals Position im Katalonien-Konflikt
Solidarität vom Nachbarn?

Portugiesen und Katalanen teilen einen entscheidenden Moment in der Geschichte der iberischen Halbinsel: Den Aufstand gegen Madrid im Jahr 1640. Mit dem Unterschied, dass Portugal damals wieder unabhängig wurde und Katalonien im spanischen Königreich verblieb. Die Portugiesen sind deshalb gespalten, wenn es um eine Unabhängigkeit Kataloniens geht.

Von Tilo Wagner | 01.12.2017
    Die Premierminister Portugals und Spaniens, Antonio Costa und Mariano Rajoy auf einer Pressekonferenz auf einem Treffen im Moncloa Palast in Madrid, November 2016 |
    Viele geschichtsbewusste Portugiesen wissen um die gemeinsame politische Erfahrung mit den Katalanen aus dem 17. Jahrhundert. (dpa/Kiko Huesca)
    Über die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien spricht die portugiesische Regierung fast gar nicht. Und wenn, dann ist die offizielle Position eindeutig:
    "Absolute Solidarität mit der Verteidigung der verfassungsrechtlich festgeschriebenen Einheit Spaniens," beschwört Portugals Premierminister António Costa. Dahinter steckt auch die Angst, dass eine Abspaltung Kataloniens von Spanien den portugiesischen Wirtschaftsaufschwung ausbremsen könnten. Über ein Viertel der portugiesischen Exporte landet im Nachbarland, und davon gehen über zehn Prozent in die Region Katalonien. Und ein portugiesisches Gastronomieunternehmen hat im vergangenen Jahr eine große katalanische Restaurantkette aufgekauft und damit insgesamt die größte portugiesische Auslandsinvestition getätigt.
    Doch nicht alle politischen Parteien teilen die uneingeschränkte Solidarität mit der spanischen Zentralregierung. Die Linksparteien, die im Parlament die sozialistische Minderheitsregierung stützen, haben gegen die Verhaftung von führenden Köpfen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung protestiert. Dennoch war ihnen die katalanische Frage scheinbar zu unbedeutend, um mitten in der Debatte über den Haushalt 2018 eine Krise im Linksbündnis zu riskieren.
    In der portugiesischen Presse erinnern Kommentatoren jedoch immer wieder daran, dass Portugiesen und Katalanen einen entscheidenden Moment in der Geschichte der iberischen Halbinsel teilen - und dass sich Portugal solidarisch zeigen sollte.
    Das Schicksalsjahr 1640
    Der Historiker Fernando Costa von der Neuen Universität Lissabon verweist auf das Schicksalsjahr 1640: In Katalonien schlugen die Truppen des spanischen Königs einen Aufstand des nach Unabhängigkeit strebenden katalanischen Adels nieder; und portugiesische Fürsten verkündeten 1640 das Ende der Personalunion mit der spanischen Krone, die 60 Jahre lang Portugal mitregiert hatte. Die Rebellion in Lissabon war, so Fernando Costa, letztlich eine direkte Reaktion auf die Krise in Katalonien: Denn die portugiesischen Adligen wollten die Niederschlagung des katalanischen Aufstandes nicht mit ihrem Geld und ihren Truppen unterstützen. Vielmehr zeigten sich die Portugiesen im Kampf gegen den gemeinsamen Feind - das spanische Königshaus - schnell solidarisch:
    "Noch im Jahr 1641 eröffnete Portugal in Katalonien eine diplomatische Vertretung. Die jeweiligen Aufstände gegen die spanische Krone brachten Portugiesen und Katalanen zusammen. Es gibt aus dieser Zeit auch das Gerücht, dass der portugiesische König den Katalanen ein Angebot unterbreitet haben soll: Wenn es die Katalanen wünschen, könne er, der König von Portugal, auch vorübergehend König von Katalonien werden."
    Portugal wurde nicht die Schutzmacht von Katalonien. Doch viele geschichtsbewusste Portugiesen wissen um die gemeinsame politische Erfahrung aus dem 17. Jahrhundert. Bis heute ist der 1. Dezember 1640 ein landesweiter Feiertag.
    Portugal als möglicher Vermittler
    In einem winzigen Antiquariat in der Lissabonner Altstadt holt Buchhändler José Ferreira eine Ausgabe von Dantes "Göttlicher Komödie" aus dem Regal.
    "Dante hat bereits im 14. Jahrhundert die Katalanen als stolzes, eigensinniges Volk beschrieben. Und das war nicht unbedingt negativ gemeint. Diese Ambition, die die Katalanen ausmacht, führt natürlich dazu, dass sie nicht unter der Fuchtel von einem anderen Staat stehen, sondern unabhängig sein wollen. Sie streben nach einer eigenen Nation."
    Buchhändler Ferreira versteht deshalb nicht, warum es einer schon so lang bestehenden Gemeinschaft wie der katalanischen verboten ist, einen eigenen Staat zu bilden. Von seiner Regierung Lissabon würde er sich eine Vermittlerrolle wünschen:
    "Wenn der portugiesische Premierminister oder der Außenminister nach der Krise in Katalonien gefragt werden, dann verweisen sie immer auf die spanische Verfassung. Aber damit tun sie nur das, was Pilatus getan hat: Sie waschen ihre Hände in Unschuld. Ich würde mir wünschen, dass wir Portugiesen uns viel stärker einbinden und uns solidarisch mit den Katalanen zeigen. Wir wollten ja auch unabhängig sein, warum sollten wir also jemandem das gleiche Recht verweigern, der dazu noch hier in unserer Nachbarschaft lebt?"