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Portugals Sanierer
Der langsame Abschied des Ex-Premiers Passos Coelho

Während der europäischen Schuldenkrise hat der frühere portugiesische Premierminister Pedro Passos Coelho sein Land einem Sanierungs- und Sparprogramm unterzogen. Dafür wurde er 2015 abgewählt und ging in die Opposition, blieb aber Chef der Konservativen Partei. Jetzt gibt er auch diesen Vorsitz ab.

Von Tilo Wagner | 10.10.2017
    Pedro Passos Coelho blieb sich auch bei einem seiner letzten öffentlichen Auftritte als Parteivorsitzender treu: Der 53-Jährige sprach ernst, mit vielen Pausen und fast emotionslos, als er bekannt gab, dass er nicht mehr um den Vorsitz von Portugals größter, konservativer Oppositionspartei PSD kandidieren werde.
    Damit beginnt der langsame Abschied eines Politikers, der wie kaum ein anderer für den harten Sparkurs zwischen den Jahren 2011 und 2015 steht. Das Urteil vieler Portugiesen fällt deshalb eindeutig aus:
    "Er hätte zurücktreten sollen, als er nach den Parlamentswahlen 2015 keine Mehrheit mehr bilden konnte. In der Opposition hat er immer nur in der Vergangenheit gelebt", sagt eine Frau in Lissabon. Ein junger Mann hält ihn für "den schlechtesten Politiker Portugals der vergangenen 50 Jahre", und ein älterer Herr glaubt, dass die PSD unter seiner Führung noch mehr nach rechts gerutscht sei.
    "Musterschüler der europäischen Sparpolitik"
    Im Juni 2011 hatte Pedro Passos Coelho als Premierminister ein denkbar schweres Erbe angetreten. Seine Mitte-Rechts-Koalition musste die harten Auflagen der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank erfüllen und Portugal aus der Finanz- und Staatsschuldenkrise herauslenken. Für viele Portugiesen übertrieb es Passos Coelho jedoch in seinem Eifer, ein Musterschüler der europäischen Sparpolitik in Südeuropa zu sein. Das trug ihm nicht nur den Ärger auf der Straße zu, sondern er bekam auch einen Denkzettel an den Wahlurnen: Seine Mitte-Rechts-Regierung verlor 2015 die absolute Mehrheit und Passos Coelho wurde Oppositionsführer im Parlament. Einen radikalen Neuanfang hat er jedoch nicht gewagt. Der Jurist und politische Kommentator João Esteves Lemos glaubt, dass sich Passos Coelho in der neuen Rolle nicht neu erfinden konnte:
    "Passo Coelho gilt als ein sehr ernsthafter und linientreuer Politiker, aber er ist gleichzeitig auch eigenwillig, weil er glaubt, dass seine Vorstellung vom Land immer nur dem nationalen Interesse und nicht dem Parteiinteresse untergeordnet sein sollte. Deshalb gibt es keinen Unterschied zwischen seinem politischen Diskurs als Premierminister und seinen Ideen als Oppositionsführer. Und das hat es in Portugal noch nicht gegeben, weil ehemalige Regierungschefs ihre Haltung immer verändert haben, sobald sie in der Opposition waren. Das ist sein entscheidender Fehler gewesen. Denn Passos Coelho sprach viel über die Vergangenheit oder die Gegenwart, aber so gut wie gar nicht über die politische Zukunft Portugals."
    Nachfolger noch nicht gefunden
    Die Quittung kam bei den Kommunalwahlen vor knapp zehn Tagen. Die Kandidaten der konservativen PSD in Lissabon und Porto mussten heftige Niederlagen einstecken. Nach kurzer Bedenkzeit zog Passos Coelho nun die Reißleiste.
    Der Kampf um die Nachfolge des ehemaligen Regierungschefs hat bereits begonnen. Im Dezember sollen die Parteimitglieder in Direktwahlen einen neuen Vorsitzenden wählen. Der Europaabgeordnete Paulo Rangel, ein sehr guter Redner und scharfer Kritiker der aktuellen Linksregierung, stand für einen politischen Neuanfang, zog jedoch im letzten Moment seine Kandidatur zurück. Als aussichtsreichster Kandidat gilt neben dem Ex-Premier Pedro Santana Lopes nun vor allem der ehemalige Bürgermeister von Porto, Rui Rio, von dem sich viele Parteimitglieder auch eine Rückkehr zu den sozialdemokratischen Wurzeln der PSD wünschen. Für den Parteikenner Esteves Lemos stehen jedoch beide Politiker für einen Stillstand, und nicht für den erhofften Neustart:
    "Wenn es zu einem Rennen zwischen Rio und Santana kommen sollte, dann ist das ein politisches Debakel für die Partei, die scheinbar keine Fähigkeit hat, sich innerlich zu erneuern. Die PSD muss sich der Gesellschaft öffnen und neue Leute aus den Universitäten und innovativen Unternehmen integrieren. Zudem muss sie mit ihrem Programm den Menschen ganz pragmatische Antworten geben, anstatt sich darüber zu streiten, ob die Partei nun mehr links oder mehr rechts steht. Wenn das nicht passiert, dann droht der PSD, dass sie mittelfristig nur noch eine untergeordnete Rolle in der portugiesischen Politik spielen wird."