Freitag, 29. März 2024

Archiv

Portugals Sparpolitik
Auf den Hund gekommen

Bei der Verabschiedung des Haushalts 2016 geht es für die portugiesische Regierung unter Ministerpräsident António Costa um jede einzelne Stimme. Das hat zur Folge, dass es zu ganz neuen politischen Deals im Parlament kommt. Davon könnte eine Partei profitieren, die bislang niemand auf dem Zettel hatte: die portugiesische Tierschutzpartei.

Von Tilo Wagner | 16.03.2016
    Hunde im Käfig in einem Tiefheim.
    Portugals Tierschützer hoffen, dass die Bedingungen für Tiere bald besser werden. (picture alliance / dpa / Ma Luyao)
    Cristina Rodrigues steht vor den Türen des städtischen Tierheims, im Lissabonner Park Monsanto. Die Anlage sei vor zwei Jahren komplett saniert worden und erfülle nun alle gesetzlichen Ansprüche, sagt die Tierschützerin. Das sei jedoch nicht immer so gewesen. Jahrelang hätten herrenlose Hunde und Katzen auch in der Hauptstadt erbärmlich gelebt - so wie in ganz Portugal:
    "Die Städte haben einfach einen Tierarzt eingestellt, der dann nichts anderes tat, als die Tiere einzuschläfern. Weder Sterilisation noch andere vorbeugende Maßnahmen sind getroffen worden. Manchmal gibt es in den viel zu kleinen Tierheimen keinen Ort, wo die Tiere sterilisiert werden könnten, und manchmal haben die Verantwortlichen fälschlicherweise geglaubt, dass sie durch die Massentötung das Problem in den Griff bekommen können. Wir schätzen, dass jedes Jahr in Portugal weit mehr als 100.000 Tiere in den Heimen getötet wurden."
    Die städtischen Tierheime haben sich damit nicht direkt strafbar gemacht. Denn laut Gesetz ist das Einschläfern von herrenlosen Haustieren in Portugal unter besonderen Umständen erlaubt. Aus dem Einzelfall ist jedoch die Regel geworden - auch weil nach jahrelangen Kürzungen in den Etats die Städte und Gemeinden kein Geld für bessere Tierschutzmaßnahmen ausgeben wollten. Auch Portugals Regierungschef António Costa habe sich nicht mit Ruhm bekleckert, als er zwischen 2007 und 2015 Bürgermeister von Lissabon war. Das sagt André Silva, Abgeordneter der Tierschutzpartei "PAN", die im November zum ersten Mal in das portugiesische Parlament eingezogen ist:
    "Leider hat sich António Costa erst wirklich bewegt, nachdem ein Gerichtsverfahren den Tierschützen Recht gegeben hatte. Dann ist endlich was passiert, und die Stadt Lissabon hat Geld und Personal investiert, um die Bedingungen für die Tiere zu verbessern und das Massentöten zu stoppen. Heute nimmt die Hauptstadt eine Vorbildfunktion ein, wie die Tiere besser geschützt werden können - und daran sollten sich die anderen Gemeinden ein Beispiel nehmen."
    Bisher ist der Regierungschef nicht auf die Tierschutzpartei angewiesen
    André Silva arbeitet zurzeit an einem neuen Gesetzesentwurf, mit dem das Massentöten in portugiesischen Tierheimen endlich ein Ende haben soll. Er hofft, dass die neue Regelung noch vor der Sommerpause auch mit den Stimmen der regierenden Sozialisten verabschiedet wird:
    "Wir merken, dass die Dialogbereitschaft der Sozialisten sehr hoch ist. Schließlich bilden sie eine Minderheitsregierung und brauchen die Unterstützung anderer Parteien. Ich hoffe, dass hinter diesem Sinneswandel nicht nur politisches Kalkül steckt, sondern eine neue Form Politik zu machen, indem man die Ideen anderer Parteien anhört und diskutiert. Und dazu gehören auch die Vorschläge unserer Partei, denn wir sind sehr neu hier im Parlament und sind deshalb nicht so voreingenommen wie andere Fraktionen."
    Bisher ist Regierungschef Costa noch nicht auf die Zustimmung der Tierschutzpartei angewiesen. Denn das mehrheitsbildende Bündnis zwischen den Sozialisten und drei weiteren kleinen Linksparteien zeigt noch keine Risse. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass die kommunistische Partei mögliche zusätzliche Sparmaßnahmen, die von der EU-Kommission gefordert werden, nicht mittragen will. Und dann könnte die Stimme des Tierschützers André Silva ausschlaggebend sein:
    "Wir sind uns natürlich bewusst, dass mittelfristig unsere eine Stimme in einer wichtigen, zukunftsweisenden Abstimmung entscheidend sein könnte, um die sozialistische Regierung zu stützen. Eine solche Entscheidung bringt für uns natürlich Risiken mit sich, aber wir bekommen dadurch auch ein größeres Gewicht und können unsere Forderungen durchsetzen.”
    Solange Costas Linksbündnis jedoch funktioniert, ist davon wenig zu spüren. Im Nachtragshaushalt 2016 konnte die Tierschutzpartei nur eine von 28 eingereichten Ideen verwirklichen. Und deshalb will sich der Abgeordnete André Silva beim heutigen abschließenden Votum seiner Stimme enthalten.