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Portugiesen blicken nach Zypern

Der portugiesische Finanzminister Vítor Gaspar hat im Parlament erklärt, eine Zwangsabgabe wie in Zypern würde niemals im Land angewandt werden. Doch dieser Aussage glaubt kaum jemand mehr in Portugal.

Von Tilo Wagner | 21.03.2013
    "Das ist ein Verbrechen", sagt der portugiesische Rentner Alberto Sobreira, wenn er an die Zwangsabgabe auf Bankguthaben in Zypern denkt: Das sei so, wie wenn sie einem nachts, wenn man schlafe, das Messer in den Rücken rammen würden.

    Mit großer Verunsicherung blicken die Portugiesen in diesen Tagen auf Zypern. Zum einen fühlen sie sich solidarisch mit einem weiteren südeuropäischen Land verbunden, dem nun ein hartes Sparprogramm bevorsteht. Zum anderen fürchten sie um ihre eigenen Bankguthaben. Bis vor knapp einer Woche war die Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank in Portugal, um die Fortschritte bei der Umsetzung des vereinbarten Reformprogramms zu bewerten. Und eigentlich präsentierte die Regierung wieder nur verfehlte Wirtschaftsprognosen und neue Schwierigkeiten bei dem Versuch, die Neuverschuldung einzudämmen. Viele Portugiesen stellen deshalb die Glaubwürdigkeit der Mitte-Rechts-Koalition infrage.

    "Finanzminister Vítor Gaspar konnte bei einer Sitzung im portugiesischen Parlament seine Botschaft nicht häufig genug wiederholen: Eine Zwangsabgabe, wie sie in Zypern durchgesetzt werden sollte, würde Portugal auf keinen Fall führen."

    Portugiesische Bankkunden wie der Unternehmer António Vieira schenken dem Versprechen des Finanzministers jedoch kaum noch Glauben. Denn Gaspar gilt in Portugal als treuer Verbündeter der Troika, der die Forderungen der internationalen Institutionen willig umsetzt:

    "Jetzt ist alles möglich. Wenn jemand vor einer Woche in Zypern gefragt hätte, ob die Bankkonten teilgepfändet werden würden, dann hätte doch jeder gesagt: Nein, das ist unmöglich, Zypern ist doch Teil der EU. Wenn also jetzt jemand sagt: Nein, in Portugal ist das unmöglich, dann ist das für mich genauso wenig wert. Ich glaube, dass die Leute nun nach und nach ihr Geld aus Portugal abziehen werden."

    Das Misstrauen gegenüber dem europäischen Finanzsystem wächst auch unter Großinvestoren. Tiago Caiado Guerreiro ist Steuerrechtsexperte und berät mit seiner Kanzlei vor allem vermögende Portugiesen und ausländische Investoren. Zur Lösung der Zypern-Krise hätte die Euro-Gruppe keinen schlechteren Vorschlag ausarbeiten können, meint Guerreiro. Und das spüre er nun an der Reaktion seiner portugiesischen Mandanten:

    "Die Verunsicherung ist sehr groß. Der Schaden ist angerichtet. Für meine Mandanten werde ich jetzt ein Sicherheitssystem schaffen, damit Ähnliches nicht mit ihren Vermögen passieren kann. Die Konten lege ich aber außerhalb Europas an. Denn Europa, und vor allem Deutschland haben sich ein Eigentor geschossen. Die Investoren fühlen sich nun in ganz Europa nicht mehr sicher. Das Gefühl überwiegt wieder, dass Europa zerfallen werde, und wenn das geschieht, dann sind nicht nur die portugiesischen spanischen, italienischen oder französischen Banken dran, sondern auch die deutschen, holländischen oder schwedischen. Schließlich ist ja alles miteinander verbunden."

    Die Psychologie scheint in Portugal zurzeit eine größere Bedeutung zu haben, als die Wirklichkeit. Nicht nur die portugiesische Regierung, sondern auch der Präsident der Nationalbank und führende Finanzexperten haben in den vergangenen Tagen versucht, die Gemüter zu beruhigen. Tatsächlich ist das portugiesische Bankensystem wesentlich stabiler als in Zypern oder im Nachbarland Spanien. Und auch die Troika akzeptiert, dass weitere Sparmaßnahmen in Portugal die Rezession nur vertiefen und verlängern würden. Nicht umsonst hat Portugal ein Jahr mehr Zeit bekommen, um das Defizit bis 2015 unter die Drei-Prozent-Grenze zu drücken.

    Die Opposition sieht das anders. Die Kommunisten haben als Folge der Zypern-Krise den Austritt Portugals aus dem Euro gefordert, um die nationale Souveränität wiederzuerlangen. Der Rentner Alberto Sobreira ist zwar kein Kommunist. Den Pessimismus gegenüber Europa teilt er jedoch mit der radikalen Linkspartei:

    "Die EU muss aufhören zu existieren. Schluss damit. Jedes Land mit seiner Währung. Jedes Land mit seinen Grenzen. Das war's."