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Portugiesische Azoreninsel
Lokalpolitiker will US-Militärbasis an China verkaufen

Mehr als 1000 US-amerikanische Soldaten lebten bis vor Kurzem auf der portugiesischen Azoreninsel Terceira. Fast ein Drittel der lokalen Wirtschaftsleistung hängt an der dortigen US-Militärbasis. Die Obama-Regierung will nun die Mehrheit der Streitkräfte abziehen, jedem vierten Einwohner droht die Arbeitslosigkeit. Aus Protest will ein Lokalpolitiker nun stattdessen die Chinesen ins Boot holen.

Von Tilo Wagner | 24.07.2015
    Seit mehr als drei Jahrzehnten besitzt die Familie von Hernani Rocha einen Friseursalon in der Kleinstadt Praia da Vitória auf der Azoreninsel Terceira. Amerikanischen Soldaten das Haar zu schneiden, daran kann sich der 49-Jährige noch gut erinnern, war wirklich einfach. Er musste nur den Schädel kahl scheren.
    "Vor nicht allzu langer Zeit war hier noch alles voller Amerikaner. Sie lebten mit ihren Familien in unserer Stadt oder in der Umgebung. Jetzt kommen sie kaum noch in meinen Laden. Die Familien leben hier nicht mehr. Nur noch wenige Soldaten sind hier stationiert, sie wohnen in Kasernen, also auf der Militärbasis."
    Der amerikanische Militär-Flughafen ist nur etwa vier Kilometer von Rochas Salon entfernt. Er war der Motor der lokalen Wirtschaft. Über 1.000 GIs und ihre Familien lebten in der Region, und Generationen von Azorianern arbeiteten direkt auf der Militärbasis. Doch vor drei Jahren hat Washington damit begonnen, die Präsenz auf ein Minimum herunterzufahren: Nur noch 168 Militärs sollen auf der Insel Terceira bleiben.
    70 Jahre wirtschaftliche Abhängigkeit von Militärbasis
    Das Ganze sei ein einziger Albtraum, sagt der Bürgermeister von Praia da Vitória, Roberto Monteiro:
    "Seit 70 Jahren ist unsere Gemeinde wirtschaftlich von der Militärbasis abhängig. Rund 30 Prozent unserer lokalen Wirtschaftsleistung hängt am Flugplatz. In einem ersten Schritt sind die Familien der Amerikaner nach Hause geschickt worden. Das heißt, die Soldaten kamen nur noch allein auf die Insel. Allein dadurch sind schätzungsweise 1.500 Arbeitsplätze verloren gegangen."
    Jetzt werden auch noch Portugiesen entlassen, die auf der Militärbasis im Dienstleistungsbereich und in der Verwaltung tätig sind. Von 800 Stellen fällt die Hälfte weg. 21.000 Menschen leben in der Gemeinde. Von jenen, die erwerbstätig sind, wird jeder Vierte arbeitslos. Bürgermeister Roberto Monteiro hat Anfang des Jahres deshalb die Chinesen als neuen Investor mit ins Spiel gebracht.
    Eine chinesische kontrollierte Militärbasis auf halbem Weg zwischen Amerika und Europa? Der portugiesische Verteidigungsminister José Aguiar-Branco weist diese Idee zurück:
    "Aus militärische Sicht gibt es keinen Zweifel, auf welcher Seite Portugal steht: Wir sind NATO-Mitglied und das ist Teil unserer geostrategischen Ausrichtung, die wir nie infrage stellen würden. Deshalb werden wir diese Idee gar nicht erst weiterverfolgen, denn wir würden niemals etwas tun, was unsere NATO-Mitgliedschaft infrage stellen könnte."
    "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand"
    Das ist dem Bürgermeister auf der Azoreninsel Terceira natürlich bewusst. Roberto Monteiro hat auch auf mögliche chinesische Investoren verwiesen, damit überhaupt etwas Bewegung in die Diskussion um die Zukunft seiner Stadt kommt. Er kritisiert, dass sich die Amerikaner über ihren Teilabzug hinaus das volle Nutzungsrecht des militärischen Flughafens sichern wollen:
    "Ich habe nie von einer militärischen Nutzung des Flugplatzes durch die Chinesen gesprochen. Sondern von einer wirtschaftlichen Komponente, also zum Beispiel die Schaffung von Handelszentren hier auf den Azoren. Sie könnten die beiden konsumstarken Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks versorgen. Denn man kann mir doch nicht einfach sagen: Okay, du verlierst 30 Prozent der Wirtschaftsleistung und jeder vierte Arbeiter sitzt auf der Straße, und jetzt bau mal deine Wirtschaft richtig um.
    Wie soll ich das denn machen, ohne den Flughafen oder den Hafen der Amerikaner nutzen zu können. Ich muss meine Wirtschaft nach außen ausrichten, und nicht nach innen. Und dafür brauche ich die Infrastrukturen und muss sie auch richtig verwalten können. Wir stehen also mit dem Rücken zur Wand."
    Roberto Monteiro hat mit seinen provozierenden Ideen zumindest den schlafenden Riesen geweckt. Eine Delegation von US-amerikanischen Senatoren hat im Mai die Azoreninsel besucht und will sich nun dafür stark machen, dass die Militärbasis Lajes vom Pentagon in Zukunft als großes Kommunikations- und Informationszentrum genutzt wird.