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Positionspapier "Ein anderer Fußball ist möglich"
St. Pauli und Fans erhöhen mit Reformideen Druck auf Verbände

Erstmals hat ein Profiverein aus der Bundesliga zusammen mit seinen Fans Reformideen für den Profifußball erarbeitet. Der FC St. Pauli und seine Anhänger fordern einen Fan-Beirat und können sich einen nationalen Salary Cap - eine Gehaltsobergrenze - vorstellen.

Von Thorsten Poppe | 03.08.2020
Spiel ohne Fans: FC St. Pauli gegen 1. FC Nürnberg Hamburg am 17. Mai 2020. Auf den Rängen ist ein Banner mit der Aufschrift "Fußball lebt durch seine Fans. Reformen jetzt" zu sehen.
Fan-Banner beim Geisterspiel des FC St. Pauli gegen den 1. FC Nürnberg im Mai 2020: "Fußball lebt durch seine Fans. Reformen jetzt" (imago images / Poolfoto)
Der FC St. Pauli gilt als etwas anderer Verein im Profi-Geschäft "Bundesliga". Jetzt hat der Kiez-Club aus Hamburg zusammen mit seinen Anhängern Reformvorschläge vorgestellt, die einen anderen Fußball möglich machen sollen. Gerade für die Vereine hinter den Top-Klubs, erklärt Präsident Oke Göttlich:
"Ich muss ganz ehrlich sagen, der FC St. Pauli ist ein Verein, der sich immer auf die Fahne geschrieben hat, mal Ideen zu haben. Vielleicht sind manche Ideen sehr quergedacht, aber sie sind zumindest Debattenbeitrag. Und natürlich geht es auch um die KMUs des Profi-Fußballs, die kleineren und mittelständischen Unternehmen: Wie wollen wir mit dem Fußball umgehen?"
Göttlich für Festlegung einer Gehaltsobergrenze durch die DFL
Das Papier sieht unter anderem die Bildung eines Fan-Beirates vor, der dem Präsidium der Deutschen Fußball-Liga DFL angegliedert werden soll. Sowie einen nachhaltigeren und faireren Profi-Fußball. Dabei soll solides Wirtschaften belohnt, und die Ausgabenseite der Vereine kontrolliert werden. Zum Beispiel mit Hilfe einer Gehaltsobergrenze, sagt Göttlich:
"Es ist durchaus möglich, dass so eine Gehaltsobergrenze festgelegt wird. Mir gefällt der Zungenschlag nicht immer, dass es seitens der UEFA passieren muss. Wir sind die DFL, wir sind ein Verein der DFL, und ich glaube, wer sich zutrauen darf, ein Hygienekonzept 1.0 zum Re-Start der Bundesliga hinzubekommen, der darf auch als Vorreiter in finanztechnischen Fragestellungen gelten."
St.-Pauli-Präsident Göttlich - „Der deutsche Fußball wäre doof, wenn er jetzt nicht reflektiert“
Den Sieg seines FC St. Pauli hätte Präsident Oke Göttlich gerne dafür eingetauscht, keine Geisterspiele machen zu müssen. Doch Göttlich sieht auch Chancen in der Coronakrise und hofft auf tiefgreifende Veränderungen im Fußball. Ganz konkret will er die Finanzierung der Vereine unter die Lupe nehmen.
Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli
Auch die Einnahmen des Profi-Fußballs sollen anders verteilt werden, als es aktuell der Fall ist – "gerechter" wie es heißt. Anlass für die Reformvorschläge ist die Situation in der Corona-Pandemie gewesen, in der etlichen Klubs nach eigener Aussage die Pleite drohte, wie Henning Rennekamp aus der organisierten St. Pauli-Fanszene klarmacht:
"Das ist ja quasi ein Kernpunkt dessen, was wir sagen wollen, wenn wir schreiben, dass fairer Wettbewerb und nachhaltiges Wirtschaften zusammengehören. Weil gerade durch viele Vereine, die einen Wettbewerbsvorteil haben durch externe Zuflüsse von Geld, entsteht natürlich der Drang bei ganz vielen anderen Vereinen, dem irgendwie standhalten zu müssen. Wodurch sie extrem große finanzielle Risiken eingehen, die dann zu der Situation geführt haben, die wir vor Kurzem mal hatten, dass 13 von 36 Vereine kurz vor der Insolvenz standen."
Fan-Initiative "Unser Fußball" hat schon Reformpläne vorgelegt
Deshalb ist schon im Juni die Initiative "Unser Fußball" mit Reformplänen an die Öffentlichkeit gegangen. Dahinter stehen mehr als 2.500 Fan-Clubs beziehungsweise -Gruppen. Auch "Unser Fußball" fordert eine nachhaltigere Bundesliga. Die beiden Papiere ähneln sich, stellt auf Deutschlandfunk-Nachfrage auch der Fanbeauftragte des FC St. Pauli, Sven Langner, fest:
"`Unser Fußball` hat sehr gute Vorschläge zur Debatte in den letzten Wochen eingebracht. Und uns ist es auch total wichtig, dass eben nicht als Konkurrenzpapier zu sehen, was wir erarbeitet haben. Das ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich in Zukunft noch weiter zu vernetzen, und zusammenzuarbeiten."
Die Stimmen für Reformen im Profifußball verhallen nicht. Auch wenn sie sich stark ähneln, jede weitere erhöht den Druck auf DFB und DFL.