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Post setzt Standard & Poor's vor die Tür

Viele deutsche Großkonzerne sind erbost über die zu hohen Preise, die Standard & Poor's ihrer Meinung nach verlangt, aber erstmals ist ein Dax-Konzern so konsequent und wechselt zur Konkurrenz. Der Schritt der Deutschen Post könnte Signalwirkung haben.

Von Michael Braun | 22.11.2012
    Es könnte eine Kündigungsserie werden, aber bis zum Mittag ist nur der Baustoffkonzern HeidelbergCement der Post gefolgt. Beide haben ohne Zucken und Zaudern die größte Ratingagentur der Welt vom Hof geschickt: Standard & Poor's. Die Anleger, die auf den schnellen Blick wissen wollen, wie die Kreditwürdigkeit der Deutschen Post DHL eingeschätzt wird, bekommen dort aber eine Alternative: Moody's, bisher schon im Haus, bleibt von der Post beauftragt, die Wertpapiere des Unternehmens regelmäßig zu beurteilen. Und statt Standard & Poor's kommt Fitch, die kleinste der drei Großen, nun neu hinzu. Moody's und Fitch bleiben auch bei HeidelCement an Bord. Investoren wie Trudbert Merkel, der bei der Deka Bank einen großen Fonds managt, fühlen sich mit der neuen Informationsbasis auf den ersten Blick gleich wohl wie zuvor:

    "Grundsätzlich muss man sagen, dass sich die drei Ratingagenturen hinsichtlich ihrer Qualität wenig geben. Wenn man sich die Ratings anguckt, gibt es auch keine Unterschiede. Beispielsweise raten S & P und Fitch die Deutsche Post nahezu gleich. Insofern gibt es da keine Unterschiede."

    Die Gutachten der Ratingagenturen bezahlen nicht etwa die Investoren, die das Ratingurteil nutzen, sondern die Emittenten der Wertpapiere. Der Benotete also zahlt. Und der Post ist es bei Standard & Poor's offenbar zu teuer geworden. "Aus kommerziellen Gründen" habe man die langjährige Kooperation eingestellt, teilte die Post mit. In einem Protestbrief an Standard & Poor's hatten sich vor einigen Monaten elf deutsche Dax-Konzerne, neben der Post auch VW und Siemens, über die Preispolitik der Agentur beklagt.

    Die Post zog heute als erstes DAX-Unternehmen Konsequenzen. HeidelbergCement folgte am Mittag. Weder Post noch Standard & Poor's wollten Konkretes über die Preispolitik sagen. Angeblich soll Standard & Poor's seine Preise verdoppelt und auch auf nur kurz laufenden Verträgen beharrt haben. Mit Fitch sollen die Kosten erstens niedriger und zweitens, wegen längerer Laufzeit, besser kalkulierbar sein. Dem Vernehmen nach geht es um rund eine halbe Million Euro. Einerseits, so Fondmanager Merkel, sei es natürlich schön, wenn die Post auch bei relativ kleinen Beträgen spare:

    "Auf der anderen Seite kann man verschwörungstheoriemäßig so ein bisschen hineingeheimnissen, dass es doch zu einer atmosphärischen Störung zwischen S & P und der Deutschen Post möglicherweise gekommen ist, dass man da verschiedene Dinge unterschiedlich sieht und da nicht ganz zufrieden ist. Das ist eine Vermutung. Wenn das so wäre, wäre das sicher ein Punkt, den man dann mal nachbearbeiten müsste und bei der Deutschen Post mal nachfragen müsste."

    Das ist natürlich geschehen. Aber die Post-Sprecher beließen es bei einer schriftlichen Mitteilung, in der Finanzvorstand Larry Rosen versicherte:

    "Wir haben uns aus rein kommerziellen Gründen für eine Beendigung der langjährigen und konstruktiven Zusammenarbeit mit Standard & Poor's entschieden."

    In der Mitteilung von HeidelbergCement stand nichts darüber, warum der Vertrag mit Standard & Poors's gekündigt worden ist. Wie zu hören ist, sollen es aber rein kommerzielle Gründe nicht gewesen sein. Welche dann?

    Ein gutes Rating bedeutet so viel wie hohe Kreditwürdigkeit. Dann müssen Unternehmen für Anleihen und Kredite tendenziell niedrigere Zinsen zahlen. Die amerikanischen Ratingagenturen S & P, Moody's und Fitch kontrollieren zusammen 97 Prozent des Weltmarktes für Bonitätsbewertungen.