Theatermacherin Simone Dede Ayivi

"Schwarze Stimmen lassen sich nicht mehr ausblenden"

17:24 Minuten
Die Performerin Simone Dede Ayivi in einer Szene des Stücks "Black Bismarck" von andcompany & Co. im Theater HAU 2 in Berlin
Die Theatermacherin Simone Dede Ayivi zieht eine kritische Bilanz © imago /DRAMA-Berlin.de
Moderation. Timo Grampes  · 23.12.2019
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Beim Rückblick auf das vergangene Jahrzehnt spricht die Theatermacherin Simone Dede Ayivi von mehr Sichtbarkeit der "schwarzen community" auch im Kulturbetrieb. Aber es bleibt die Sorge, dass es sich nur um einen Trend handelt.
Zum Ende des Jahrzehnts blicken wir unserer Reihe "Das Jahrzehnt quer" auf wichtige popkulturelle Diskurse zurück. Mit der Theatermacherin Simone Dede Ayivi sprechen wir über "Afrodeutschland 2010 bis 2019". Dabei geht es um gestiegene Sichtbarkeit und hitzige Debatten, über Theatertreffen und den Ingeborg Bachmann-Preis, aber auch "Black Panther" und die Sängerin Beyoncé.

Kritik an Richterspruch

Ayivi zeigte sich empört über ein kürzlich erfolgtes, umstrittenes Urteil des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern in Greifswald: "Das ist ein riesengroßer Schwachsinn." Das Gericht hatte dem AfD-Landtagsfraktionschef Nikolaus Kramer Recht gegeben, der als Abgeordneter im Landtag von Schwerin mehrfach das "N-Wort" gesagt hatte. Das verletze nicht automatisch die Würde oder die Ordnung des Hauses, urteilten die Richter. Die Vorfälle datieren vom Oktober 2018. Das Urteil zeige die Herabwürdigung schwarzer Menschen in Deutschland, sagt Ayivi. Die Betroffenen hätten immer sehr klar gesagt, was sie von diesem Begriff und dessen Gebrauch hielten.

Mehr Sichtbarkeit

Als "community" seien schwarze Menschen in Deutschland sichtbarer und auch im Kulturbetrieb stärker vertreten. So lautet das Fazit der Theatermacherin aus dem letzten Jahrzehnt. Zu dessen Beginn sei es noch um die Nutzung des "N-Wortes" in Kinderbüchern und "blackfacing" im Theater gegangen. Viele hätten damals gesagt, dass sie keine Lust mehr hätten auf rassistische Praktiken. "Damit ist eine Debatte angestoßen worden, die in viele andere Bereiche mit reingewirkt hat." Sie finde es schön, dass sich "schwarze Stimmen" nicht mehr ausblenden ließen, so sagt Ayivi. Auch die Bündnisse mit anderen Kollegen und Kolleginnen würden immer enger.
Die in Berlin lebende Autorin Sharon Otoo posiert am 05.07.2016 in Berlin. Mit der doppelbödigen Geschichte über ein Ei, das nicht hart werden will, hat die in Berlin lebende Autorin den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen. Foto: Paul Zinken/dpa | Verwendung weltweit
Die Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo gewann 2016 den Ingeborg-Bachmann-Preis. © dpa
2016 ging der Ingeborg-Bachmann-Preis an die in Berlin lebende britische Autorin Sharon Dodua Otoo für ihren Text "Herr Gröttrup setzte sich hin". Ayivi erinnert sich an die Reaktion ihres eigenen Vaters, der sich überrascht zeigt, dass die Autorin schwarz war. Sie sei sehr froh, wenn solche Preise der deutschen Hochkultur in dieser Weise verliegen würden, denn sie hätten eine Vorbildfunktion. Ihre Hoffnung sei, "das sehr viele schwarze Mädchen vor dem Fernseher sitzen und sich sagen, ich kann irgendwann auch mal so einen Literaturpreis gewinnen."

Hype um "Black Panther"

Die Sängerin Beyoncé habe Türen zu neuen Diskussionen geöffnet. "Sie ist nicht die erste schwarze Popdiva, da kamen viele vorher." Aber sie habe in ihren Songs und Musikvideos viele Facetten der schwarzen politischen Bewegungen mit aufgenommen. Zu den erfolgreichsten Filmen gehört "Black Panther", der zu einem riesigen Hype geführt habe. "Das schöne für mich an dem Film ist, ich habe lange nicht mehr, so viele falsche Menschen zusammen kommen sehen, um zu streiten." Der Film habe viele Diskussionen ausgelöst, beispielsweise über schwarze Superhelden oder die Rolle des schwarzen Kontinents. Aber es habe auch andere wichtige Filme gegeben, wie "Get Out" oder "12 years a Slave".

Wünsche für die Zukunft

Für das neue Jahrzehnt wünscht sich Ayivi im Kulturbetrieb mehr Selbstverständnis. Sie habe immer noch Angst, dass schwarze Menschen zu einem Trendthema gemacht worden seien und es gerade angesagt sei, schwarze Leute einzuladen. Es wäre wichtig anzuerkennen, dass schwarze Geschichten Teil deutscher Geschichte und des Alltags seien.
(gem)
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