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Postkarte aus Cannes
Der Duft der groβen, weiten Welt

Bei den Festspielen in Cannes gibt es viel zu sehen, gelegentlich auch zu riechen. Nicht immer ist der Duft willkommen. Ein Klagelied unserer Filmkritikerin Maja Ellmenreich.

Von Maja Ellmenreich | 20.05.2017
    Frischluft en masse - am Hafen in Cannes.
    Frischluft en masse - am Hafen in Cannes. (Deutschlandradio / Maja Ellmenreich)
    Wer morgens mit über 2.000 anderen Frühaufstehern im Kino sitzt, kann nun wirklich nicht behaupten, allein zu sein. Die Nähe zum Platznachbarn ist groβ, manchmal schlichtweg zu groβ. Besitzt man bei den sommerlichen Temperaturen in Cannes nämlich nicht die gleiche Hygienevorstellung, muss der Film schon richtig gut sein und Auge und Ohr, Hirn und Herz beschäftigt halten. Sonst fordert die Nase volle Aufmerksamkeit – schlieβlich ist sie am Morgen ein besonders sensibles Sinnesorgan.
    Doch wer schon mal so richtig unter einem Müffelnachbarn leiden musste, entwickelt so seine Strategien, um olfaktorischen Frieden im Kino zu finden: besonders herausgeputzte Kritikerkolleginnen tragen meist genügend Parfum auf, um unangenehme Geruchsattacken abzuwehren. Teilt man ihre Duftvorliebe und setzt sich daneben, ist man fein raus.
    Zur Sicherheit ein Platz am Rand
    Oder lieber gleich einen Platz am Rand auswählen? Damit sind dann schon auf einen Schlag 50 Prozent der Gefahr gebannt. Wenn die anderen 50 Prozent es dann nicht gut mit einem meinen, bleibt immer noch die Möglichkeit, sich wie ein Seekranker über die Reeling, pardon, über die Armlehne zu beugen und neutrale Gangluft zu schnuppern. Not macht halt erfinderisch!
    Mit zwei Kollegen habe ich ein ausgeklügeltes System entwickelt zum gröβtmöglichen Stinkerschutz: Wir sitzen nebeneinander am Reihenrand und lassen die Positionen von Vorstellung zu Vorstellung rotieren. Auβerdem haben wir einander in die Hand versprochen, beim leisesten Verdacht auf Deoversagen Klartext zu sprechen.