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Präsident der Akademie für Sprache und Dichtung räumt Verbesserungspotenzial ein

Gerade eine Woche im Amt, zeigt sich der neue Präsident selbstkritisch: Es sei "vieles daran, was eine Frage der Selbstpräsentation der Akademie betrifft", entgegnet Heinrich Detering den jüngsten Kritiken. Gleichzeitig meldet er erhöhten Finanzbedarf für die künftige Akademiearbeit an.

Heinrich Detering im Gespräch mit Dina Netz | 06.11.2011
    Dina Netz: Zwei Tische in einem gutbürgerlichen Wirtshaus. Am linken sitzen zwei leger gekleidete Männer. Der eine trocknet seine Tränen mit einem Taschentuch. Am rechten Tisch sitzt ein Mann mit Jackett, Krawatte und einer kleinen Metallbrille. Vor ihm steht kein Glas, wie bei den beiden anderen, sondern liegt ein Buch. Er hat den Finger in dozierender Pose erhoben und sagt: "Entschuldigen Sie bitte, Ihre Frau hat Sie nicht "wesche dem Neschä", sondern "wegen des Negers" verlassen. Die Präposition "wegen" erzwingt den Genitiv, mein Herr." Unten drunter haben die gnadenlosen Karikaturisten Greser und Lenz den Satz geschrieben: "Die Akademie für Sprache und Dichtung ist in Frankfurt angekommen." Diese Karikatur erschien gestern in der FAZ und bündelt wie im Brennglas die Kritik, die an der Akademie seit deren Jahrestagung vor einer Woche laut geworden ist: Am "Neger" interessiere die Akademie der Genitiv, aber nicht das gesellschaftliche Problem des Rassismus. - Ich habe Heinrich Detering, Professor für Neuere Deutsche Literatur in Göttingen und seit einer Woche Präsident der Akademie für Sprache und Dichtung, gefragt: Konnten Sie über die Karikatur lachen?

    Heinrich Detering: Ich habe sehr gelacht, als ich sie gestern sah, schon deshalb, weil ich ein Fan von Greser und Lenz bin und dies für eine der besseren und witzigeren Arbeiten aus den letzten Wochen halte von den beiden. Tatsächlich, haben Sie recht, bündelt diese Karikatur ein paar Dinge vielleicht weniger dessen, was in dieser lebhaften Woche diskutiert worden ist über die Akademie, als dessen, was aus den Tiefen der historischen Mottenkiste kommt, also die Vorstellung vom Akademiemitglied als nicht etwa einem Dichter, Schriftsteller, lebendigen Intellektuellen, sondern einem studienrätlich griesgrämigen Dozierer, eines Kleinkrämers und Pedanten. Das hat, glaube ich, viel mit Vorurteilen gegen Akademien im Allgemeinen und vielleicht auch gegen unsere im Besonderen zu tun, aber sehr wenig mit dem, was ich mir für die Arbeit als Präsident vorgenommen habe und was im Augenblick auch die Arbeit unserer Akademie ausmacht.

    Netz: Lassen Sie uns, Herr Detering, vom Akademiemitglied zur Diskussion allgemein über die Akademie kommen, die Jürgen Kaube in der FAZ angestoßen hat, indem er schrieb, es gäbe den Verdacht, der Zweck der Akademie läge in der Bedeutungspflege und Selbstgeselligkeit der Mitglieder. Was antworten Sie ihm?

    Detering: Na ich habe ja schon in der FAZ in einem ausführlichen Text geantwortet, zwei Tage darauf, dass tatsächlich in einer Weise Kaube einen wunden Punkt berührt hat, nämlich den, dass die ja doch offenbar sehr attraktiven intellektuellen Unterhaltungen, die in dieser Akademie stattfinden, gerne ein bisschen stärker, vielleicht sogar viel stärker unter Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit stattfinden sollten. Andererseits tut er der Akademie Unrecht, weil er übersieht, oder nicht erwähnt jedenfalls, was schon in den letzten Jahren unter meinem Vorgänger an beträchtlichen und erfolgreichen Anstrengungen unternommen worden ist, um die Akademie in aktuelle kulturelle Debatten einzubeziehen. Es ist vieles daran, was eine Frage der Selbstpräsentation der Akademie betrifft, an der noch sehr viel zu arbeiten sein wird, und ein bisschen vielleicht auch, was ihr Auftreten im gesamten und im Einzelnen ihrer Mitglieder angeht.

    Netz: Was das Auftreten im gesamten angeht, Herr Detering, die Denkschrift, die Sie herausgebracht haben und die der Anstoß für diese ganze Diskussion war, darin ist von einer Nationalakademie die Rede, die die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung werden solle. Das hat Ihnen viel Spott eingebracht und in Ihrer Antwort an Jürgen Kaube, die Sie gerade erwähnt haben, in der FAZ steht davon auch nichts mehr. War das eine unglückliche Formulierung?

    Detering: Worauf es uns ankommt – und nur das und nichts anderes ist mit dieser unseligen Rede von dem Wort Nationalakademie gemeint – ist, dass wir von einer umständlichen Mischfinanzierung durch Hessen, den Bund und die Kulturstiftung der Länder auf Bundesförderung umgestellt werden müssen und dass wir das auch als ein kulturpolitisches Signal verstanden wissen wollen, dass der Bund seine Akademie als eine solche wahrnimmt. In allem übrigen Nebensinn aber nationaler Beschränktheit und Borniertheit habe ich sowohl in meinem Beitrag in der FAZ als auch in einer Reihe von Interviews und öffentlichen Stellungnahmen die weltbürgerliche Offenheit als jetzt schon Praxis und als übergeordnetes Ziel unserer Akademie benannt, das Gegenteil von einer kleinkarierten Nationalpflege, einem Nationalismus, oder gar einer Konkurrenz, die andere Akademien aus dem Weg räumen will. Davon kann überhaupt nicht die Rede sein, war auch nie die Rede.

    Netz: Ein weiterer Kritikpunkt, Herr Detering: In der Berliner Tageszeitung hieß es zum Georg-Büchner-Preis, also sozusagen zu Ihrem Aushängeschild, er sei ein "scheißender Teufel auf der Suche nach dem größten Haufen", also in etwas gepflegteren Worten ausgedrückt: Der Preis zementiere bloß schon sowieso zementierte Bedeutung, also von Dichtern, die ohnehin bekannt sind. Was sagen Sie dazu?

    Detering: Das ist nun mal eine ganz neue Variante und ein Beispiel dafür, dass es vielleicht eine Institution wie die unsere auch am Ende niemals allen recht machen kann. In den letzten Jahren war ganz im Gegenteil ein Tenor der Kritik an der Büchner-Preis-Vergabe, dass er an allzu delikate ausgewählte abseitige Autoren vergeben worden sei wie, sagen wir, den wunderbaren Schriftsteller Wolfgang Happacher, ganz gewiss kein populärer Autor. Wichtig ist mir noch, dass an dieser Diskussion ja auch etwas sehr Störendes und Trivialisierendes darin liegt, dass die Akademie keineswegs nur den Büchner-Preis vergibt, sondern, um nur bei den Preisen zu bleiben, ja auch Preise für vorbildliche wissenschaftliche Prosa, für Übersetzungen ins Deutsche, aus dem Deutschen, für Literaturkritik und Essay. Auch dies sind ja weit mehr als nur Preise, es sind ja kulturpolitische Stellungnahmen, es sind auch Arten, etwas als maßgebend, mustergültig zu kennzeichnen, was dies nach unserer Auffassung ist.

    Netz: Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat jetzt mehr Fördergelder verlangt, und Sie haben selbst vorhin schon angedeutet, dass es einiges zu tun gibt, vor allem was das Auftreten nach außen betrifft. Herr Detering, was packen Sie jetzt als Allererstes an?

    Detering: Zunächst mal geht es tatsächlich darum, dass wir finanziell besser ausgestattet werden. Also mit 600.000 Euro im Jahr als Gesamtetat, sieben Personen auf sechs Planstellen, in einem Haus von 300 Quadratmetern, in dem es reinregnet, das ist keine sehr günstige Ausgangsposition für all das, was von uns sehr vollmundig verlangt wird. Was wir vorhaben, ist, zunächst unbedingt an unserer Kommunikation zu arbeiten, deutlicher zu machen, was schon geschieht und was noch geschehen soll, auch deutlicher zu markieren, in welcher Weise wir uns in kulturpolitische Debatten einmischen, und dazu möglichst auch produktiv beitragen wollen. Das geschieht zum Beispiel, wenn das Thema unserer kommenden Frühjahrstagung sein wird, "Die Beschränkungen der Meinungsfreiheit in wichtigen Ländern Europas", Ländern, aus denen auch unsere Mitglieder kommen, die ja keineswegs nur aus Deutschland, sondern aus einer Reihe von Ländern kommen, und diese Mitglieder werden dort über ihre Erfahrungen und ihre Meinungen berichten und sicher auch kontroverse Debatten führen. Das, scheint mir, ist eine Art, in der wir gefragt sind, gefordert sind, an kulturpolitischen Debatten über Sprache und Kultur teilzunehmen. Das bewegt sich auf einem anderen Niveau und einer anderen Relevanz als nur die Frage über "ß" oder Doppel-S oder andere Dinge, die Greser und Lenz beschäftigen.

    Netz: Heinrich Detering, neuer Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, gab einen Ausblick auf die künftige Arbeit der Akademie, die übrigens vorerst in Darmstadt bleiben wird.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.