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Präsident der Humboldt-Stiftung
"Die globale Entwicklung des Wissens erfassen"

International exzellente Wissenschaft fördern, das möchte der neue Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, Hans-Christian Pape. Der Hirnforscher tritt sein Amt zudem mit dem Vorsatz an, Forscher zu unterstützen, die in ihrer Heimat Restriktionen ausgesetzt sind. Dazu müssten mehr Fördermittel bereit gestellt werden, sagte er im Dlf.

Hans-Christian Pape im Gespräch mit Kate Maleike | 18.01.2018
    Hans-Christian Pape, Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung
    Hans-Christian Pape, Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (Humboldt Stiftung - Foto: Mario Wezel)
    Kate Maleike: Die türkische Wissenschaftlerin Bediz Yilmaz über ihr neues Leben in Osnabrück. Und möglich macht das ein Stipendium der Philipp-Schwarz-Initiative, das von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung vergeben wird, die sich seit vielen Jahren für die Förderung exzellenter ausländischer Wissenschaftler engagiert, einsetzt, mit verschiedenen Programmen. Professor Hans-Christian Pape ist ab heute der neue Präsident dieser Stiftung. Guten Tag!
    Hans-Christian Pape: Schönen guten Tag, Frau Maleike.
    Maleike: Was geht Ihnen denn durch den Kopf, wenn Sie so eine Geschichte hören wie die von Frau Yilmaz?
    Pape: Da geht mir zum einen durch den Kopf, dass unsere Humboldt-Stiftung einen großen Bedarf erkannt hat und hier ganz gezielt bei Schicksalen helfend eingreifen kann. Der Fall und das Schicksal von Bediz Yilmaz zeigt ja auch das Anliegen, die Ziele, aber auch die Erfolge der Philipp-Schwarz-Initiative. Wir bieten ganz gezielt Unterstützung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann, wenn deren Leben, Überleben oder auch nur die Freiheit der Meinungsäußerung gefordert sind. Wir unterstützen Sie, binden Sie an ausgewählte Institutionen, Labors, in der Hochschule oder in außerhochschulischen Einrichtungen in Deutschland an, um ihnen weiter Arbeitsmöglichkeit zu geben, aber auch, um ihr weiteres Überleben zu gewährleisten.
    "Bei individuellen Schicksalen nur punktuell Hilfe leisten"
    Maleike: Und auch das der Angehörigen, denn die Gelder finanzieren ja auch die Verbliebenen in den Ländern mit, die ja dann auch zum Beispiel jetzt in dem Fall vom türkischen Staat keinen Cent bekommen. Wie sieht das denn aus, wie viele Forscher fördern Sie denn jetzt gerade über diese Initiative?
    Pape: Die Zahl unserer Stipendien bewegt sich in der Größenordnung um die hundert. Und Ihre beiden Bemerkungen zeigen zum einen an, dass wir hier ja nur punktuell Hilfe leisten können bei solchen individuellen Schicksalen, und dass auf der anderen Seite der Bedarf für eine solche Unterstützung sicher in absehbarer Zeit nicht sinken wird. Unter dem Strich wäre es sinnvoll, im Rahmen unserer Hilfestellung mehr von diesen Fördermitteln vergeben zu können, denn diese Schicksale werden nach allem, was wir wissen, in näherer Zukunft eher steigen als nachlassen – leider, muss ich hinzufügen.
    Maleike: In diese Richtung wollte ich fragen, denn ich hab heute auf der Internetseite mal nachgeschaut, und da steht aber bei der Initiative, dass keine Anmeldungen zurzeit möglich sind. Heißt das, dass das Programm nicht weitergeführt wird, oder warten Sie auf die Regierungskoalition im Bund, die ja auch Gelder mitgeben wird?
    Pape: Sie wissen ja, dass wir eine öffentliche Stiftung sind, die von der finanziellen Unterstützung unserer Zuwendungsgeber insbesondere im Auswärtigen Amt, aber auch im Bundesministerium für Bildung und Forschung abhängig sind. Diese Fördermittel sind immer wieder zu diskutieren. Ich gehe nicht davon aus, dass im Grundansatz die Philipp-Schwarz-Initiative infrage gestellt wird, aber sie in Richtung einer vermehrten Mittelbereitstellung zu entwickeln, das ist mir persönlich ein wichtiges Anliegen, was Teil meiner Verhandlungen mit der Politik sein wird. Inwieweit die Humboldt-Stiftung konkret ein Punkt in den aktuellen oder anstehenden Koalitionsverhandlungen sein wird, weiß ich nicht. Ich würde es mir allerdings wünschen.
    Maleike: Wenn man Ihr Portfolio der Förderung anguckt, dann ist klar, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung hat eine ganze Reihe von Programmen, von Stipendiaten-Netzwerken inzwischen entwickelt, das sich echt sehen lässt. Sie sind ja ein Magnet sozusagen für ausländische Spitzenforscher, die hierher nach Deutschland geholt werden, von Ihnen ja aktiv. Was wird Ihr größtes Ziel sein für die Zeit, die jetzt vor Ihnen liegt?
    Pape: Was ich mir vorgenommen habe, sind vor allen Dingen, die Strahlkraft, die Erfahrung der Alexander-von-Humboldt-Stiftung zu nutzen, um die globale Entwicklung des Wissens noch systematischer zu erfassen, zu kartieren. Warum ist das wichtig? Nun, die Wissenschaft, Gesellschaft, Politik, wie wir alle und ihre Hörer sicherlich nachvollziehen, ändern sich in schneller Art und Weise in sehr vielen Ländern. Daraus resultieren Herausforderungen – das Schicksal von Bediz Yilmaz hat das gezeigt –, aber auch Chancen. Und wir möchten solche Potenziale, die sich ergeben, systematisch erkennen, in solchen Ländern noch gezielter als bisher für unsere Programme werben und dann gezielt fördern, auch im Sinne der Entwicklung der entsprechenden Länder.
    "Es ist nicht falsch, die besten Köpfe zu fördern"
    Maleike: Es gibt natürlich auch die Kritiker, die sagen, die AVH, also die Alexander-von-Humboldt-Stiftung ist ein Elitezirkel. Sie holen nur die Elite nach Deutschland. Wie gehen Sie mit diesem Vorwurf um oder dieser Kritik?
    Pape: Zunächst mal ist es gar nicht falsch, die besten und kreativen Köpfe zu fördern, das, was Sie als Elite nennen. Denn wir wollen ja insbesondere exzellente Wissenschaft und deren Internationalisierung fördern. Auf der anderen Seite ist die Humboldt-Stiftung keine Abwerbeagentur für die Elite aus diesen Ländern auf Dauer, sondern wir fördern für einen begrenzten Zeitraum, binden die internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier an unsere Forschungsstrukturen, haben immer aber auch den Rückweg dieser Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihre Heimatländer im Augen. Denn diese Eliten, um Ihren Begriff noch einmal aufzunehmen, müssen an der weiteren Strukturierung oder im Extremfall an der weiteren Konstruktion ihrer Länder beteiligt werden.
    Maleike: Sie haben sich heute für Ihren Tag der Amtsübernahme, des Amtsantritts einen sehr stürmischen Tag ausgesucht. Gerade fegt der Orkan über Deutschland. Wie machen Sie sich wetterfest für Ihre Aufgabe als Präsident?
    Pape: Ich habe gestern bei der Voraussage eines Orkans für den Tag des Amtsantritts erst an eine gewisse Symbolik gedacht. Aber wenn ich heute aus dem Fenster schaue, muss ich sagen, es ist ein meteorologisches Phänomen. Und Frederike bedeutet ja vom Namen her "Friedensfürstin". Ich nehme das als Rückenwind, sodass ich wetterfest sein muss, vor allen Dingen aber auch den Rückenwind der Förderer, Freunde und Unterstützer der Humboldt-Stiftung verwenden werde.
    Maleike: Herr Pape, Sie sind eigentlich, muss ich fast sagen, Hirnforscher und Neurophysiologe an der Uni Münster. Was passiert denn jetzt mit Ihrer eigenen Forschung? Liegt das erst mal still, oder kriegen Sie beides unter einen Hut?
    Pape: Ich werde beides unter einen Hut bekommen. Zum ersten ist die Humboldt-Stiftung ein Ehrenamt, was ich mit all meiner Kraft betreiben, unterstützen und weiterentwickeln werde. Zum anderen bleibe ich aber im Hauptamt Professor an der Universität in Münster und werde meine Forschungsinteresse in den Grundlagen von Furcht, Angst und Angsterkrankungen weiter verfolgen. Die Universität hat sich da großzügig gezeigt, hat mich durch personelle Entlastung von Lehr- und administrativen Aufgaben weitestgehend freigestellt. Und diese Freiräume kann ich nutzen für die Arbeit in der Humboldt-Stiftung. Aber meine Forschungsinteressen werde ich nicht aufgeben. Erstens, um meinen eigenen Ambitionen zu folgen, vor allen Dingen aber auch, weil ich Wissenschaft vertrete, national und international. Und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ein sehr gutes Gespür dafür, ob ihr Gesprächspartner noch Teil dieser Wissenschaft ist oder, wie der Amerikaner sagt, eine "lame duck", die nur noch davon redet. Insofern werde ich beide Aufgaben aus diesen beiden Punkten heraus sicherlich parallel betreiben, mit all dem, was mir gegeben ist.
    Maleike: Professor Hans-Christian Pape ist ab heute der neue Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die unter anderem auch den höchstdotierten Forschungspreis in Deutschland vergibt mit fünf Millionen Euro. Gutes Gelingen, Herr Pape!
    Pape: Herzlichen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.