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Präsident der Ukraine
Politikneuling Selenskyj wird in Amt eingeführt

Nach wochenlangem Streit mit dem Parlament wird Wolodymyr Selenskyj heute in sein Amt als Präsident der Ukraine eingeführt. Ein politisches Programm hat der Satiriker bisher nicht vorgelegt. Klar ist nur, dass er das Parlament auflösen und vorgezogene Neuwahlen ansetzen will.

Von Florian Kellermann | 20.05.2019
Der ukrainische Präsidentschaftskandidat Wolodymyr Selenskyj jubelt nach den ersten Prognosen bei der Stichwahl um das Präsidentenamt.
Wolodymyr Selenskyj hatte die Wahl im April gewonnen (AFP - Genya Savilov)
Wolodymyr Selenskyj bleibt sich auch als designierter Staatspräsident treu. Das Datum seiner Amtseinführung, beschlossen vom Parlament, kommentierte er in einer flapsig formulierten Videobotschaft im Internet:
"Ich will euch sagen: Da kommen viele ausländische Gäste. Für sie werden viele Straßen in Kiew gesperrt sein. Deshalb wollten wir ja, dass die Amtseinführung am Sonntag stattfindet, einem arbeitsfreien Tag. Die Abgeordneten bereiten uns Unannehmlichkeiten. Und ich verspreche, das werden wir ihnen mit gleicher Münze heimzahlen."
Selenskyj will Parlament auflösen
Was da so scherzhaft anklingt, ist eine handfeste Drohung. Wolodymyr Selenskyj hat mehrfach klargemacht, dass er das Parlament auflösen und vorgezogene Neuwahlen ansetzen will. Der Plan: Mit seiner Partei "Diener des Volkes" könnte er dann auch im Parlament eine wichtige Rolle spielen - und eine ihm genehme Regierung bilden.
Mit dem aktuellen Parlament könne Selenskyj kaum zusammenarbeiten, erklärte sein enger Vertrauter Dymtro Rasumkow:
"Der Präsident will einige Gesetz durchs Parlament bringen. Dazu gehört, die Immunität der Abgeordneten abzuschaffen und auch die Immunität von Richtern und des Präsidenten selbst. Ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsident soll möglich werden. Selenskyj will die Regeln ändern, nach denen die ukrainische Politik bisher funktioniert hat."
Kommunikation durch Videobotschaften
Kurze Videobotschaften waren die eine Form, durch die Selenskyj im Wahlkampf kommunizierte. Die andere waren Auftritte seiner Kabaretttruppe. Der gehört der 41-Jährige nun formal nicht mehr an. Aber sie agitiert weiterhin in seinem Sinn.
So machte sie sich zuletzt darüber lustig, dass der noch amtierende Präsident Petro Poroschenko in seinen letzten Tagen im Amt nach links und rechts Orden verteilte und Beförderungen aussprach.
"Bevor Du gehst, musst Du austeilen, so das Motto von Petro Aleksekewytsch. Es ist ihm nicht gelungen, für alle etwas Gutes zu tun. Da wollte er wenigstens die seinen bedenken."
Mit Wolodymyr Selenskyj übernimmt also ein völliger Politneuling das höchste Amt im Staat. Die meisten Stimmen bekam er im russischsprachigen Osten und Süden des Landes, denn von dort stammt er. Genauer: aus der Stahl- und Bergarbeiterstadt Krywyj Rih. Dort setzen die Menschen große Hoffnungen in ihn, obwohl Selenskyj ohne Programm angetreten ist.
Viele Arbeiter setzen Vertrauen in Selenskyj
So der 22-jährige Wladyslaw Zeglow, der gerade im größten Stahlwerk der Stadt gekündigt hat, um Arbeit in Polen zu suchen:
"Er hat nichts versprochen, und das ist gut so. Die anderen Politiker haben ihre Versprechen ja alle gebrochen. Ein Jugendfreund von mir kennt seinen Vater, der hier Universitätsprofessor ist. Das ist eine sehr anständige Familie, hat er gesagt. Und im Fernsehen macht Selenskyj einen ehrlichen, offenen Eindruck. Man vertraut ihm."
Selenskyj hat versprochen, gegen Korruption und Vetternwirtschaft vorzugehen. Wie ernst er das meint, wird er rasch unter Beweis stellen können. Sein Gönner, Ihor Kolomojskyj, ist gerade in die Ukraine zurückgekehrt, nach zwei Jahren Exil. Der Oligarch will eine Entschädigung dafür, dass seine hoch verschuldete Bank verstaatlicht wurde.
Wenn der neue Präsident dem nachgibt, würde er der Ukraine schwer schaden, warnen Experten. Der Internationale Währungsfonds würde die Finanzierung einstellen - und das Land auf den Bankrott zusteuern.