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Präsidentenwahl in Voralberg
Bundesland zwischen Weltoffenheit und rechtem Nationalismus

Im österreichischen Bundesland Voralberg holte der Grüne Alexander van der Bellen 60 Prozent der Stimmen. Das Land liegt im Dreiländereck und die meisten Menschen setzen auf eine EU-freundliche Politik. Doch die Stimmung nach den ersten Hochrechnungen war nicht bei allen positiv.

Von Thomas Wagner | 05.12.2016
    Der österreichische Präsidentschafskandidat Alexander van der Bellen mit seiner Ehefrau Doris Schmidbauer und seinen Anhängern nach dem Wahlerfolg in Wien.
    In Voralberg lag Alexander van der Bellen deutlich vorne - trotzdem gibt es auch hier Hofer-Unterstützer (dpa / picture alliance / Christian Bruna)
    Mittagessen bei Voglers:
    "Ich bin mal sehr gespannt, wer morgen oder übermorgen als Bundespräsident feststeht. Ich hab fast ein bisschen Angst."
    "Wobei wovor? "Vor dem Ergebnis." Naja, der Bundespräsident hat ja nicht viel Kompetenzen."
    Irene und Peter Vogler, beide Mitte 40, leben in Dornbirn, der größten Stadt in Vorarlberg. Wer wird siegen bei der Bundespräsidentenwahl?
    "Sie ist insofern Schicksalswahl, als wiederum die Frage entstehen wird: Gibt es noch mehr Druck auf die Europäische Union? Wer steht noch hinter der Europäischen Union?"
    Schließlich gab Kandidat Norbert Hofer von der rechtsnationalen FPÖ im Wahlkampf stets den heftigen EU-Kritiker, während Mitbewerber Alexander van der Bellen von den Grünen als EU-Befürworter gilt. Stunden später hat das Warten ein Ende:
    "Ich möchte jetzt zu den Hochrechnungen schauen…"
    Im Landesstudio Vorarlberg des Österreichischen Rundfunks schauen gucken sie alle wie gebannt um kurz nach 17 Uhr auf die Bildschirme. Dann: Ein Raunen in den Büros.
    "Die Hochrechnung – da kommt Alexander von der Bellen auf 53,6 Prozent der Stimmen, Norbert Hofer bei 46,4 Prozent der Stimmen. Das heißt: Alexander von der Bellen ist neuer Bundespräsident."
    FPÖ sieht keinen Grund für Kurskorrektur
    Und das entgegen vielen Umfragen vor der Wahl, die FPÖ-Kandidat Norbert Hofer vorne gesehen hatten.
    "Auf Umfragen ist nichts zu geben", zeigt sich Reinhold Bösch, Vorarlberger FPÖ-Abgeordneter im österreichischen Nationalrat, ziemlich verschnupft: "Wir haben eine umfassende Kampagne aller anderen Parteien und verschiedenster Gruppierungen gegen unseren Kandidaten erlebt."
    An Hofers EU-kritischem Kurs kann die Niederlage jedenfalls nicht gelegen haben, ist sich FPÖ-Mann Bösch sicher. Denn: "Die Österreicher wollen eine Reform der Europäischen Union - zumindest 40 Prozent, erkennend, dass die Union am Abgrund steht, sowohl sicherheits-, als auch wirtschaftspolitisch."
    Erleichterung bei Grünen in Voralberg
    Ein Mann Anfang 50 steht ein paar Meter daneben, schüttelt den Kopf.
    "Von Bregenz aus ist es gerade mal ein Kilometer bis nach Lindau in Deutschland", so Johannes Rauch, Sprecher der Grünen in Vorarlberg. Dort hat sein Kandidat Alexander van der Bellen deutlich mehr Stummen als auf Bundesebene eingefahren, nämlich gleich mal 60 Prozent – unter anderem wegen seines Kurses gegen Abgrenzung und "pro Europäische Union": "Da ist ganz sicher mit eine Ursache für das Vorarlberger Ergebnis. Wir sind ein exportorientiertes Land. Wir sind weltoffen. Und das Land hat eine europäische Tradition."
    "Und wir mögen Nachbarn. Und diese Nachbarschaft darf man nicht stören durch einen Kurs der Einigelung. Und schon gar nicht in Richtung rechter Nationalismus", ergänzt der Vorarlberger Regierungschef, Landeshauptmann Markus Wallner von der christlich-konservativen ÖVP. Auch er hat dem Kandidaten der Grünen die Daumen gedrückt: "Der hat heute um halb zwei gesagt: Das geht positiv aus für Österreich. Ich war auch überzeugt."
    Wahlparty der Vorarlberger Grünen in der Landeshauptstadt Bregenz: Ihr Kandidat, Alexander von der Bellen, als neuer Bundespräsident sei, finden alle, ein Gewinn für Österreich und für Europa: "Ich glaub, dass ein Zeichen der Offenheit ist auch der EU gegenüber."
    "Uns fällt allen ein Stein vom Herzen. Es ist sehr wichtig, dass Österreich ein weltoffenes Land bleibt."
    "Vielleicht besser für das Ansehen Österreichs im Ausland"
    Temperaturen um den Gefrierpunkt herum – draußen, in der Bregenzer Innenstadt, sind am Abend nur wenige Passanten unterwegs. Nicht alle, aber die meisten hier zeigen sich erleichtert über den Wahlausgang.
    "Es ist schlussendlich der Richtige geworden."
    "Ja, ich hätte die andere Seite gewählt. Aber vielleicht ist es fürs Ansehen von Österreich im Ausland besser."
    "Der Präsident hat ja nur repräsentative Funktion. Viel ändern wird sich nicht. Ich denke, das werden erst die Nationalratswahlen im nächsten Jahr zeigen."