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Präsidentschaftswahl in Österreich
Das Warten geht den ganzen Tag über weiter

Erst am späten Abend nach der Auszählung der Briefwahl-Stimmen ist mit der Entscheidung in Österreich zu rechnen: den unabhängigen Kandidaten Alexander Van der Bellen sehen die Demoskopen mit leichten Vorteilen. Bei den abgegebenen Stimmen an den Wahlurnen aber lag der Rechtspopulist Norbert Hofer im Rennen um das Bundespräsidentenamt noch vorn.

Von Ralf Borchard | 23.05.2016
    Die beiden stehen lächelnd im Fernsehstudio; Hofer ist im Vordergund, van der Bellen unscharf im Hintergrund zu sehen.
    Die beiden österreichischen Kandidaten für die Präsidentenwahl, Alexander van der Bellen und Norbert Hofer, nach der Abstimmung im Fernsehen am 22. 5.2016. (EPA /DPA / Florian Wieser)
    Der Wahlkrimi in Österreich geht den ganzen Tag über weiter. Die Briefwahl-Stimmen sollen laut Innenministerium zwischen 17 und 19 Uhr ausgezählt sein. Die beiden wichtigsten Wahlforschungs-Institute sehen einen hauchdünnen Vorteil für Ex-Grünen Chef Alexander Van der Bellen, jeweils um wenige tausend Stimmen.
    Doch auch Christoph Hofinger vom Institut Sora, das die Hochrechnungen für den ORF macht, sagt, das Ergebnis bleibt offen bis zum Schluss: "Wir sagen, es ist eine Spur wahrscheinlicher, dass Van der Bellen knapp vorne ist. Aber de facto muss man sagen, wir werden es erst nach der Auszählung jeder Stimme wissen."
    In den Wahlkampfzentralen der beiden Kontrahenten war es den ganzen Wahlabend über ein Wechselbad der Gefühle. Österreich, Österreich-Sprechchöre bei der FPÖ, als Norbert Hofer kurz nach Schließung der Wahllokale noch vorn liegt - mit 50,2, dann 50,1 Prozent. Kurz danach: Jubel, nicht hier, sondern im Van der Bellen-Lager: Jetzt liegt der frühere Grünen-Chef kurz mit 50,1 Prozent vorn: "Uns geht’s so gut, wir haben’s geschafft", sagen einige. "Noch nicht ganz", werfen andere ein: "Ja aber…"
    Es geht darum, das Land wieder zu einen
    Dann exakter Gleichstand: 50,0 zu 50,0 – so bleibt es, den ganzen Wahlabend über. Die beiden Kandidaten treten gemeinsam im ORF-Fernsehen auf. Norbert Hofer betont: "Egal, wer Präsident wird muss darauf achten, dass dieses Land geeingt ist. Auch wenn es unterschiedliche Meinung gibt, unterschiedliche Haltungen gibt. Aber - wir leben in einem Österreich und jeder Politiker hier hat Verantwortung für Österreich. Und da spielt Sympathie oder Antipathie keine Rolle."
    Der Parteichef der Freiheitlichen, Heinz-Christian Strache sagt wenig später, die FPÖ habe auf jeden Fall gewonnen, sie sei mit 50 Prozent der Wählerstimmen "in der Mitte der Gesellschaft" angekommen. Hofer ergänzt, es gebe zwei Möglichkeiten, entweder werde er jetzt schon Präsident oder Strache in zwei Jahren Bundeskanzler.
    Gegen den Vorwurf, rechtsextreme Positionen zu vertreten, wehrt sich Hofer: "Das ist völlig absurd, wenn man sich die Parteiprogramme zum Beispiel von den US-Demokraten oder Republikanern ansieht. Wenn man die vergleicht mit dem Programm der FPÖ, dann ist die FPÖ keine Partei, die ganz rechts steht. Es ist immer eine Frage des Blickwinkels, was ist der Vergleich im Land. Also ich würde mich bezeichnen als Mitte-Rechts-Politiker mit großer sozialer Verantwortung."
    Österreich darf nicht in rechtsextreme Ecke gestellt werden
    Alexander Van der Bellen betont, auch er werde nicht zulassen, dass Österreich im Ausland in eine rechtsextreme Ecke gestellt werde: "Ich werde erklären, dass man das nicht so sehen kann und muss. Ich werde erklären, dass es in Österreich eine breite Proteststimmung gegeben hat, gegen die Bundesregierung, gegen die Landesregierungen, gegen Politik im Allgemeinen."
    Und wie ist seine Stimmung, nach dem er im Vergleich zum ersten Wahlgang 14 Prozent auf Norbert Hofer aufholen konnte? "Damals war ich ganz klar hinter Herrn Hofer. Und die wenigsten haben geglaubt, dass das aufholbar ist. Aber in den letzten 14 Tagen ist so eine Bewegung, wie soll ich sagen, in die Wählerinnen und Wähler gekommen, Musiker, Schauspieler, ganz andere Leute, Angestellte, also quer über die Generationen, quer über Berufe - und das trägt einen schon, also dafür bin ich sehr dankbar."
    Alexander Van der Bellen oder doch Norbert Hofer - erst am frühen Abend herrscht voraussichtlich Klarheit, wer als nächster Bundespräsident in die Hofburg einzieht.