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Prager Crystal-Meth-Klinik
Der letzte Ausweg vor dem Absturz

Die Zahl Crystal-Meth-abhängiger Jugendlicher in Tschechien steigt rapide an. Die Droge wird von der tschechischen Gesellschaft weitestgehend toleriert und die Konsumenten werden immer jünger. Ein Problem, mit dem das Team der einzigen tschechischen Suchtklinik für Jugendliche täglich zu kämpfen hat.

Von Stefan Heinlein | 07.07.2014
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    Mode-Droge Crystal Meth (picture alliance / dpa)
    Vormittagspause auf der Suchtstation. In ausgewaschenen Jogginganzügen schlurfen die Jugendlichen müde über den blank gescheuerten Linoleumfußboden und verschwinden in ihren Zimmern. Zwei Betten – ein Waschbecken und vergitterte Fenster – mehr gibt es dort nicht. Die grüne Farbe an den Wänden blättert. Trübes Licht aus Neonröhren. Jana ist bereits zum zweiten Mal auf Entzug. Als 14-Jährige hat ihr älterer Freund sie an die Droge gebracht. Seither bestimmt Crystal ihr Leben:
    "Ganz ehrlich – am Anfang war das total klasse. Man war gut drauf und hat echt viel Spaß gehabt. Dann hat es plötzlich Klick gemacht in meinem Kopf. Ich war total aggressiv – und hab dann auch die Schule geschmissen. Manchmal war ich aber auch ganz traurig und depressiv. Das war verdammt krass."
    Eine Geschichte, die Marian Koranda fast jeden Tag zu hören bekommt. Der 42-jährige Psychiater leitet die Suchtstation im Prager Krankenhaus Pod Petrinem. 300 Jugendliche werden hier jedes Jahr behandelt. Die einzige Entzugsklinik in Tschechien für jugendliche Drogenabhängige ist fast immer voll belegt:
    "Fast 90 Prozent der Kinder bei uns sind abhängig von Crystal Meth. Sie kommen aus allen Schichten der Bevölkerung. Die Zahlen steigen jedes Jahr und die Süchtigen werden immer jünger. Die Droge ist extrem gefährlich. Wir haben uns deshalb auf die Heilung der Amphetamin-Sucht spezialisiert."
    "Es ist ihnen bald völlig egal, ob sie stinken oder die Zähne verlieren"
    Fast alle der jugendlichen Patienten hätten ihre Drogenkarriere mit Cannabis und Alkohol begonnen. Der Konsum werde von weiten Teilen der tschechischen Gesellschaft großzügig toleriert. Oft beginne damit ein Teufelskreis – so die Therapeutin Schwester Immaculata.
    "Die Kinder rauchen Cannabis und manche aus der Clique experimentieren dann mit Crystal. Das zerstört nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche. Es ist ihnen bald völlig egal, ob sie stinken oder die Zähne verlieren. Menschen werden durch diese Droge sozial vernichtet."
    Die Prager Suchtstation des katholischen Krankenhauses sei damit meist der letzte Ausweg vor dem völligen Absturz. Nach der akuten Entgiftung beginnt eine intensive zweiwöchige Gesprächs- und Beschäftigungstherapie. Eine längere Behandlung wird von Kassen nicht finanziert. Trotz staatlicher Subventionen und EU-Fördergelder schreibt die Klinik jedes Jahr tiefrote Zahlen. Dennoch gelingt den meisten Kindern nach der Behandlung der dauerhafte Ausstieg aus der Drogenszene:
    "Wir sind nur die erste Station. Die Kinder lernen zu akzeptieren, dass sie tatsächlich süchtig sind. Wir helfen ihnen dann auf ihrem weiteren Weg. Unsere Klinik ist also ein Sprungbrett für die weitere Heilung."
    Auch Jana ist fest entschlossen diesmal endgültig den Ausstieg zu schaffen. Den Freund hat sie verlassen und zu ihrer alten Clique den Kontakt abgebrochen. Trotz ihrer lebensgefährlichen Hepatitis-C-Infektion schmiedet die 16-Jährige Pläne für die Zukunft:
    "Ich will weiter lernen und später einmal das Abitur machen und dann Tourismus studieren. Zuerst muss ich aber die Grundschule beenden. Ich hoffe es wird schon irgendwie gehen und vielleicht wird bald alles viel besser sein."