Ulla Lachauer: "Von Bienen und Menschen"

Was für Menschen mit Bienen leben

Cover "Von Bienen und Menschen" von Ulla Lachauer, im Hintergrund: eine mit Pollen und Blütenstaub bepackte Biene.
Cover "Von Bienen und Menschen" von Ulla Lachauer, im Hintergrund: eine mit Pollen und Blütenstaub bepackte Biene. © Rowohlt Verlag / dpa / Patrick Pleul
Von Johannes Kaiser · 03.08.2018
Ulla Lachauer hat Bienenzüchter in ganz Europa besucht. Sie hat unter ihnen Ökofreunde, Geschäftsmänner und Laien angetroffen. Eines allerdings zeichnet die Imker alle aus: Bei der Aufzucht ihrer Bienenvölker sind sie sehr konzentriert.
Aus der russischen Melkerin Galina ist dank der Bienen eine resolute, selbstbewusste Imkerin geworden. Der Landwirtschaftsgroßbetrieb im Staatsbesitz ist untergegangen, die Arbeiter entlassen, das Land an Investoren verkauft, aber Galina hat dank der Bienenstöcke Arbeit und Brot behalten - der Honigverkauf erlaubt ihr ein bescheidenes Leben. Und Galinas Engagement wird angesichts des weltweiten Bienensterbens über die Zukunft der Honigbiene mitentscheiden.
Nicht zuletzt deshalb hat die Sachbuchautorin Ulla Lachauer zehn Imker besucht – in Deutschland, Gotland, der Tschechei, in Slowenien, Österreich und Frankreich. Sie wollte wissen, was für Menschen halten Bienen? Wie gewinnen sie Honig? Und gibt es regionale Unterschiede? Entstanden sind so zehn sehr persönliche Porträts, die nicht nur vom Leben der Imker erzählt, sondern immer auch über das Land, in dem sie leben.

Nebenbei führt die Autorin in die Bienenzucht ein

Ulla Lachauer gelingt es dabei mühelos, neugierig auf diesen besonderen Menschenschlag zu machen: viele von ihnen Außenseiter, oftmals belächelt, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben und mit Passion betreiben. Da man für Bienenstöcke kein eigenes Land braucht und nur wenig Kapital, eignet sich die Bienenzucht gut als Nebenerwerb oder für junge Existenzgründer. Und so finden sich unter den Imkern Männer und Frauen, professionelle Bienenzüchter und Ökofreund, Geschäftsmänner und Laien. Eines allerdings zeichnet sie alle aus, sie sind ruhig und konzentriert – nur so kann die Bienenzucht gelingen. "Man muss ganz gegenwärtig sein", hießt es im Buch, "und nur den Bienen zugewandt".
Fast schon nebenbei führt die Autorin auch in die Geheimnisse der Bienenzucht ein. Erklärt, wie Bienen als Volk zusammenleben, welche Bedeutung die Königin hat, welche unterschiedlichen Bienenrassen es gibt, was es mit der Jungfernzeugung auf sich hat. Und so man lernt auch, wie wichtig eine artenreiche Landschaft für eine erfolgreiche Bienenzucht ist und wie Pestizide und Monokulturen ihr ebenso zusetzen wie die Varroa Milbe. Es sind die Imker, die als erste mitbekommen, wenn eine Landschaft verarmt - immer dann, wenn ihre Bienen zu wenig Futter finden.

Die "braune" Vergangenheit deutscher Imker

Eine Geschichte, auf die Ulla Lachauer bei ihren Recherchen stieß, ist allerdings bis heute ungeschrieben: die "braune" Vergangenheit deutscher Imker. Zahlreiche von ihnen stand treu zu Hitler. Im Kampfblatt "Der Deutsche Imkerführer" wurden Juden als "Schmarotzer" und "Landplage" verunglimpft und die Zucht "reinrassiger" deutscher Bienen propagiert. Nach dem Krieg machte man weiter, als sei nichts geschehen. Bis heute hat sich diesem Thema kaum jemand gewidmet.
Es ist nicht zuletzt die gelungene Mischung aus Zeit- und Wirtschaftsgeschichte, Wissenschaft und Landschaftsschilderungen, die Ulla Lachauers Porträts so unterhaltsam machen. Staunend liest man, wie bunt und vielfältig die Welt der Imker ist. Und so ist dieses Buch eine wichtige Ergänzung zu den zahlreichen Bienenfachbüchern der letzten Jahre - und ist genau aus diesem Grund dringend zu empfehlen.

Ulla Lachauer: Von Bienen und Menschen
Eine Reise durch Europa
Rowohlt Verlag, Reinbeck 2018
384 Seiten, 22 Euro

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