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Preisgekrönte Karikaturen

Am Sonntag wurde im Dresdner Schauspielhaus der Karikaturenpreis 2011 verliehen. Während die Preisträger Mario Lars, Nicolas Mahler und Nel sich Diktatoren, Gott und das Gesundheitssystem zur Brust nahmen, machte Ehrenpreisträger F.W. Bernstein sich Sorgen um den karikaturistischen Nachwuchs.

Von Claudia Altmann | 07.11.2011
    Sie merken es vielleicht auf Anhieb nicht. Hier bearbeitet das Musikerduo Christian von Richthofen und Rolf Clausen Dach, Frontscheibe und Türen eines weißen Kleinwagens auf der Bühne des Dresdner Schauspielhauses. Sozusagen Percussion auf Pkw bei dieser Spritztour durch die Welt von Karikatur und Cartoon. Aus über 600 eingereichten Werken von 171 Künstlern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden die drei besten ausgewählt. In diesem Jahr war es besonders schwer, sagt der ebenfalls zu den Juroren gehörende Peter Ufer von der "Sächsischen Zeitung", die den Preis seit zwölf Jahren vergibt.

    "Wir haben deutlich mehr Einsendungen gehabt und wir hatten wirklich grandiose Lacher dabei. Das war im letzten Jahr auch gut, aber dieses Jahr hatte ich irgendwie das Gefühl, man hat sich noch mehr Mühe gegeben, um bemerkt zu werden."

    Und das ist auf dem dritten Platz dem Mecklenburger Grafiker und Journalisten Roland Regge-Schulz alias Mario Lars mit seiner Idee zum Thema "Arabischer Diktator" gelungen. Die frohe Botschaft überbrachte Kabarettist Tom Pauls in einer beige-grünen Polizeiuniform.

    "Was gibt's denn da zu Feixen?"

    Ein ziemlich heruntergekommener Gaddafi in blauem Gewand und Sandalen sitzt auf einem roten Thron. Ihm gegenüber steht ein verschlumperter Militär, der sagt:

    "Chef, es gibt Probleme mit dem Volk. Und dadruff der Genosse Chef: Na, dann schießen Sie mal los."

    Der zweite Platz ging an den Wiener Nicolas Mahler, der seine absurden und kafkaesken Cartoons unter anderem in der "Zeit", "FAZ" und "Neuen Züricher Zeitung" veröffentlicht. Laudator Pauls stellte das Werk – ein Schnappschuss aus dem Arztzimmer - als rüstige sächsische Rentnerin vor.

    "Gucken Sie mal: Diese vermummte Person da hinten sagt: 'Eine schlechte Nachricht wegen der Blutwäsche, Herr Doktor! Ich habe aus Versehen Ihre Tennissocken mitgewaschen.' Und der Doktor hat bloß ein Auge. Und da isses doch ganz glasklar, was bei uns im Gesundheitswesen abläuft: Unter den Blinden ist der Einäugige König."

    Nicht um irdische, sondern gar göttliche Herrschaft geht es dem diesjährigen Sieger. Jeder im Saal merkte natürlich, dass da nicht der echte Papst in schlohweißer Amtstracht die Laudatio hielt.

    "Mit brennender Sorge beobachte ich die wachsende Gleichgültigkeit vieler Christenmenschen auf der Welt und mit allergrößter Sorge beobachte ich nun auch die Gleichgültigkeit meines Vorgesetzten. Machen wir uns ein Bild von ihm."

    Und das hat der in Erfurt lebende Künstler Nel so zu Papier gebracht: Gott sitzt gelangweilt in einem grauen unbequemen Sessel, den Kopf auf die rechte Hand gestützt und die linke an einem Schalthebel, den er zwischen "Tag Ein" und "Tag Aus" umlegt.

    "Gott unser Herr - ein Elektriker?"

    Für den aus Rumänien stammenden Cartoonisten und Buchillustratoren Nel ist die Karikatur eine ideale Ergänzung des geschriebenen Wortes. Ein Beitrag zur Entkrampfung, der die Debatte wieder auf den richtigen Weg führen kann, wie er sagt. Aber das Thema Gott? Hat Satire Narrenfreiheit?

    "Es ist eine Bürgerfreiheit. Entweder sind wir alle Narren. Oder ist der Karikaturist, nein, der ist nicht mehr der Narr des Hofes. Er ist der Bürger, der – sag ich mal – ein Privileg hat, direkt zu äußern, was der Leser vielleicht am nächsten Tag sagt: Ja, das kann ich mir auch aneignen."

    In seinem Fall können das die Leser von "Thüringischer Landeszeitung", "Sächsischer Zeitung", "Taz" und "Eulenspiegel". Aber wie geht es denn dem Genre und seinen Künstlern hierzulande jenseits von Preisverleihungen? Der deutsche Altmeister F. W. Bernstein, der in Dresden den Preis für sein Lebenswerk entgegennehmen durfte, macht sich Sorgen über die Zukunft der Karikatur.

    "Sie wird vom Publikum gewürdigt. Es finden überall Karikaturenausstellungen statt, die kleinste Galerie kann das machen, das ist pflegeleicht. Aber es wird nicht gewürdigt von den Redaktionen, von den Lektoraten, von den Verlagen. Es gibt Verlage, die Karikaturbücher machen, aber davon kann nun wieder ein Zeichner nicht leben. Und die Redaktionen, das ist einfach ne Schand, dass die immer weniger Karikaturen bringen. Also mein Aufruf an alle Redaktionen, dass sie dieses Medium hier nicht vernachlässigen sollen."

    Sein ostdeutscher Kollege Rainer Ehrt, der Publikumsliebling der Ausstellung des vergangenen Jahres, beobachtet auch inhaltlich eine zunehmende Verflachung.

    "Gerade die genuin politische Satire, also das politische Denken und aus der Kritik ne satirische Idee abzuleiten, das sehe ich bei Jüngeren kaum noch."
    Für ihn ist seine Arbeit, wie er sagt, ein Mittel gegen das tägliche Erbrechen.

    "Im Moment werden im Zeichen des neoliberalen Zeitgeistes große Volksvermögen vernichtet. Das wird auch von interessierter Seite vernebelt. Und da reinzupieken, das finde ich wichtig und das hilft mir auch, damit fertig zu werden, muss ich sagen."

    Und seien wir ehrlich, es hilft auch dem Betrachter, denn eine Zeitung ohne Karikatur wäre doch:

    "…wie Rundfunk ohne Musik."

    "…wie Kartoffel ohne Salz."

    "…wie ein Stier ohne Hoden."