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Preisgekröntes Debüt

Zitate aus Briefen, Tagebucheintragungen und Prosawerken Franz Kafkas hat der Autor Matthias Baxmann in seinem ersten Hörspiel "Kein Brief gestern, keiner heute" ineinander verwoben und dabei "Gespür bewiesen, Berührungspunkte zwischen den Quellen ausfindig zu machen und im Zuge einer künstlerischen Rekonstruktion zu einem neuen Ganzen zusammenzufügen". So die Jury der Frankfurter Akademie der Darstellenden Künste, die dieses Debütstück so überzeugt hat, dass sie es nun zum "Hörspiel des Jahres 2003" kürte.

Von Frank Olbert | 14.02.2004
    Mit dem 1957 in Berlin geborenenen Autor, Archivar, Graphikdrucker, Puppenspieler und Theaterpädagogen habe ich mich über sein Stück unterhalten.

    Frank Olbert: Herr Baxmann, wie sind Sie denn eigentlich zum Hörspiel gekommen?

    Matthias Baxmann: Meine Mutter war Schauspielerin und hat zu DDR-Zeiten bei sehr vielen Hörspielen mitgewirkt. Während des Studiums habe ich dann auch kleine Rollen gespielt. Ich habe ja Puppenspiel studiert und da hat man sich auch intensiv mit Sprache und mit Bildern auseinandergesetzt. Dieses akustische Medium hat mich immer fasziniert.

    Frank Olbert: Wie sind Sie auf die Figur Franz Kafka gekommen?

    Matthias Baxmann: Ich hab während des Studiums zwei Studio-Inszenierungen nach Texten von Kafka gemacht. Da habe ich zu einer Montage verschiedener Texte sich verändernde Bilder in einem Bühnenraum gestaltet. Das war also etwas ganz anderes, als man sich vielleicht unter Puppenspiel vorstellt, ohne Handpuppen oder Marionetten, eine Collage-Technik.

    Frank Olbert: Was ist denn der spezielle Punkt, der Sie an Kafka interessiert?

    Matthias Baxmann: Die immer wiederkehrenden Fragen von Macht und Ohnmacht, ausgeliefert sein, in einer Fantasiewelt leben – vor dem damaligen DDR-Hintergrund war das ein Thema, das mich interessiert hat. Und dann war es diese Klarheit der Sprache, das Ultimative in seinen Werken.

    Frank Olbert: In dem Hörspiel "Kein Brief gestern, keiner heute" schildern sie Kafkas Beziehung zu Felice Bauer in Briefen und Fragmenten erzählerischer Texte – was hat Sie zu dieser Form geführt?

    Matthias Baxmann: Ursprünglich wollte ich ein Feature über diese Beziehung machen. Bei der Beschäftigung mit der Sekundärliteratur habe ich dann festgestellt, dass ich da nichts hinzuzufügen habe. Aber, was ich wollte, war diese Beziehung darzustellen, die vor allem aus über 500 Liebesbriefen bestand, gesehen haben sich die beiden vielleicht zehn, zwölf Mal. Und diese Begegnungen sind allesamt gescheitert.

    Frank Olbert: Woran gescheitert?

    Matthias Baxmann: Kafka hat all seine Sehnsüchte, auch den Wunsch, mit einer Frau zu leben, an Felice Bauer festgemacht, und zwar im Kopf – verdeutlicht durch dieses Bombardement von Briefen – und sie dabei überfrachtet. Und wenn man dem Menschen dann gegenübertritt, ist das ja eine völlig andere Art der Beziehung.

    Frank Olbert: Sie haben gleich mit ihrem Hörspiel-Debüt den Preis "Hörspiel des Jahres 2003" gewonnen. War das eine Überraschung?

    Matthias Baxmann: Das war schon eine grandiose Überraschung. Aber ich muss sagen, es ist die Inszenierung, die diesen Preis gewonnen hat. Das Hörspiel ist ein Produkt einer sehr intensiven gemeinsamen Arbeit, mit der Dramaturgin, dem Komponisten und der Regisseurin Barbara Plensat. Nicht zu vergessen, handelt es sich natürlich um großartige Texte – und die sind nicht mein Verdienst.

    Frank Olbert: Sind Sie denn jetzt angespornt, noch weitere Hörspiele zu schreiben?

    Matthias Baxmann: Ja, sicher. Das macht schon sehr viel Mut, wenn einem so etwas gelingt und dann auch noch so toll umgesetzt wird.

    Am Sonntag, den 7. März wird Baxmanns Preisstück "Kein Brief gestern, keiner heute" im Kleinen Haus des Schauspiels Frankfurt öffentlich vorgeführt. Frankfurt am Main, Kleines Haus des Schauspiels, Sonntag, 7. März, 11 Uhr. Am Nachmittag desselben Tages ist es auf SWR 2 zu hören: Sonntag, 7. März, 16.05 Uhr.