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Prekäre Lage

Hoch motiviert und qualifiziert, aber unterbezahlt - so sieht die Situation vieler Nachwuchswissenschaftler an deutschen Universitäten aus. Seit Jahren erlauben immer weniger Arbeitsverhältnisse noch eine sichere Karriereplanung. Befristete und schlecht bezahlte Stellen sind vielmehr die Regel. Unter dem Schlagwort "wissenschaftliches Prekariat" zusammengefasst ist das Phänomen derzeit Thema einer Tagung in Leipzig

Von Maximilian Grosser | 11.01.2008
    Robert Feustel hat die Arbeit gefunden, die ihm gefällt. Der Politikwissenschaftler ist seit einem Jahr wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Leipzig. Er lehrt und forscht im Fach Politische Theorie und nimmt den geringen Stundenlohn trotz seiner Qualifikation in Kauf.

    "Allein von dem Geld, was die Uni mir bezahlt, könnte ich keineswegs leben. Das sind 660 Euro, ein kleines bisschen mehr. Ich habe zwei Kinder, das ginge so nicht, das wäre so unmöglich. Ich lebe quasi von dem Geld, was ich selber einbringe und von dem Hartz IV was meine Freundin bekommt, für die Kinder und für sich. Sie studiert zwar auch noch, aber da ist man entsprechend Hartz-IV-Empfängerin. In der Addition funktioniert das, aber es ist sehr knapp."

    Das Geld reicht für die monatlichen Fixkosten. Nebenjobs bringen das Geld für zusätzliche Ausgaben.

    Trotzdem ist der Politikwissenschaftler glücklich mit seinem Job, auch wenn er mehr als die vertraglichen 19 Stunden pro Woche an der Uni arbeitet. Seine Dissertation kann er zwar nur noch nebenbei schreiben. Aber er klagt nicht über seine Situation, weil er weiß, dass es auch anders aussehen kann.

    "Es ist mittlerweile sehr üblich, halbe Stellen voll anzustellen, also halbe Stellen zu bezahlen und die Leute 40 Stunden arbeiten zu lassen. Das ist in meinem Fall nicht ganz so, aber das ist eher die Ausnahme. Die Regel ist häufig so, dass die Leute eine halbe Stelle haben und eine volle Stelle arbeiten, nicht nur, weil sie es sollen, sondern weil sie es auch selber wollen."

    Ob Robert Feustel seine Promotion noch mit dieser unterbezahlten Stelle abschließen kann, ist ungewiss. Denn er hat einen Jahresvertrag und muss sich jedes Jahr neu um eine Verlängerung bewerben. Er hat sich damit abgefunden, dass seine wissenschaftliche Karriere nicht planbar ist, diese Ungewissheit reizt ihn sogar ein wenig. Andere haben Schwierigkeiten damit, immer wieder von einer zur nächsten befristeten Stelle zu wechseln oder auf die Verlängerung zu hoffen.

    Unbefristete Teilzeitarbeit für den wissenschaftlichen Nachwuchs ist allerdings schon länger Standard an deutschen Universitäten. Matthias Neis, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Jena, beobachtet eine Tendenz zur Prekarisierung an deutschen Universitäten.

    "In der Tat, seit zwei drei Jahren kann man sagen, kommen an verschiedenen Stellen diese Diskussionen über wissenschaftliche Prekarisierung auf. Kann ein Indiz dafür sein, dass wir tatsächlich eine Verschlechterung und zunehmend schwierige Situation haben. Wenn Sie sich anschauen, dass Verträge jetzt immer kürzer getaktet werden, dass zum Teil Drittelstellen, Viertelstellen durchaus vorkommen, dann wäre das genau ein materieller Ausdruck genau davon."

    Der Soziologe Neis erforscht ob und inwieweit die Geistes- und Sozialwissenschaftler vom Prekarisierungsprozess stärker betroffen sind, da für sie außerhalb der Uni kaum Arbeitsplätze vorhanden sind. Deswegen bleiben sie an der Uni und hoffen als Promotionsstudenten auf eine der wenigen Stellen, am liebsten unbefristet.

    "Welche Chancen man hat, dorthin zu kommen, das ist von vielerlei abhängig, von Glück, von Beziehung, davon das man dir richtige Spezialisierung wählt, in der gerade etwas frei wird. Da kommen nur wenige Stellen in Frage. Insofern ist die Planbarkeit eines der größten Probleme aus meiner Sicht, weil aber auch von Seiten der Universität und der Wissenschaft an sich keine Anhaltspunkte gegeben sind, an denen ich messen könnte: Wo stehe ich denn im Moment?"

    Der Durchlauf von immer mehr jungen Wissenschaftlern an den Universitäten ist schneller geworden. Das kann für eine Hochschule durchaus produktiv sein, meint der Prorektor der Universität Leipzig, Professor Wolfgang Fach. Fach sieht das Problem nicht im Mangel an Ressourcen.

    "Zunächst gibt es tatsächlich relativ viel Geld und relativ viele Stellen. Die Stellen fallen ja nicht einfach weg, sondern die Personen fallen weg. Die Stellen werden zusätzlich geschaffen. Wir haben viele Drittmittel, die wir früher nicht hatten. Aber diese Stellen sind eben alle befristet und werden nach einiger Zeit durch neue Personen dann ersetzt werden. Und da liegt das eigentliche soziale Problem."

    Kaum jemand an den Universitäten opponiert gegen diese prekäre Situation. Für Robert Feustel ist der Mangel an Widerstand Ausdruck von Konkurrenzdenken und der Angst um die eigene Karriere, auch wenn er mitunter Solidarität unter den Betroffenen spürt. Voraussichtlich wird sich an seiner Situation und der der anderen Nachwuchswissenschaftler mit ähnlichen Arbeitsverhältnissen nichts ändern, sagt Feustel.

    Die Tagung zur Prekarisierung wissenschaftlicher Arbeitsverhältnisse in Leipzig wird vom Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler organisiert.