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Premiere für Günther Jauch

Seit einem Jahr wartet das deutsche Fernsehpublikum darauf, dass Günther Jauch den Königsplatz des deutschen Fernsehens, die Talkshow am Sonntagabend, übernehmen wird. An diesem Sonntag ist es so weit.

Von Christoph Richter. | 10.09.2011
    Begleitet von einem durchaus potenten Blitzlichtgewitter, von stämmigen Bodyguards, die jeden unsanft zur Seite stoßen, der nicht zum Tross der ARD-Oberen gehört, kommt der akkurat gekleidete Fernsehmoderator Günther Jauch zur Pressekonferenz geschlendert. Um der Öffentlichkeit seinen neuen Arbeitsplatz vorzustellen: einen ehemaligen denkmalgeschützten Gasometer in Berlin-Schöneberg. Aus dem man nun ein Fernsehstudio gemacht hat. So ganz überzeugt wirkt Günther Jauch allerdings nicht …

    "... das ist kein Studio hier. Das ist alles zehnmal aufwendiger, das alles hier hinzukriegen. Ihr wolltet das so. Ja stimmt schon."

    Mitten im nach oben offenen Gasometer – ein Zeugnis vergangener Berliner Industriegeschichte - steht eine durchsichtige 21 Meter hohe Kuppel: die ehemalige WM-Arena, die 2006 am Reichstag stand. Eine Zeltkonstruktion aus Kunststofffolie, die einer Raketenspitze ähnelt. Aus Schutz vor Regen und Wind hat man eine weitere, mit Pumpen betriebene aufblasbare Kuppel draufgesetzt, damit sie nicht in sich zusammenfällt.

    "Es ist so gesehen kein vornehmer Ort, es ist was Raues hier. Sie sehen Rost, sie sehen Industrie. 200 Meter weiter beginnen auch die Dönerbuden."

    Im Studio dröhnt und hallt es. Man hört Flugzeuge drüber fliegen. Für die Studiotechniker eine harte Nuss. Einzig der 17 Sekunden lange Trailer ist bombastisch.

    Warum sich allerdings Günther Jauch gerade diesen Ort ausgesucht hat, während es in Berlin genug "normale" Studios gibt, bleibt ein Rätsel. Man vermutet, dass die EUREF-AG, Besitzerin des Geländes, dem Talkmaster für das vorerst dreijährige Engagement Sonderkonditionen gewährt hat. Dazu Medienwissenschaftler Wolfgang Mühl-Benninghaus:

    "Ich meine für die Stadt Berlin kann das nur günstig sein. Und es ist ein Zeichen, der Weggang von Industrialisierung. Industrialisierung, die ersetzt wird durch neue Formen der Kommunikation."

    Die Gäste der Günther Jauch Talkshow werden in sandfarbenen Polstersesseln mit Nackenrolle sitzen. Es gibt eine Art Betroffeneninsel, in der Jauch intimere Gespräche führen kann. Die 271 Zuschauer haben es allerdings nicht so bequem, sie müssen mit harten Bürostühlen vorliebnehmen. Während über ihren Köpfen, in großer Dynamik, die Kamerakräne kreisen. Ein Markenzeichen des in Deutschland – durch seine Fomel-1, Fußball- und Box-Übertragungen - meist gefragtesten Live-Regisseurs Volker Weicker, den Jauch engagiert hat. Näher, geh näher ran, gehört zu seinen häufigsten Kommandos.

    "Als ob dadurch die Inhalte in irgendeiner Weise spannender werden. Das ist mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Da sitzen fünf Menschen und reden miteinander. Das ist eine Talkshow."

    So ein Kenner der Szenerie, der Filmemacher Marcus Rosenmüller.

    "Wo soll denn die Kamera noch hinfahren? Den Leuten ins Nasenloch und aus dem Ohr wieder raus? Ich halte das für Theaterdonner, der da aufgeführt wird."

    Experimentelles Fernsehen, ja eine Fernsehrevolution wolle er nicht. Betont nachdrücklich Günther Jauch. Es solle schlicht eine simple Gesprächssendung werden. Allerdings wird er eine neue Rubrik einführen, mit der man, wie bei der Sendung mit der Maus, in 60 Sekunden Begriffe erklärt.

    "Dass man ein bisschen klüger aus der Sendung rausgeht, dass man möglicherweise auch sagt, das war interessant. Dass man unter Umständen auch mal sagt, ich hatte vorher eine andere Meinung, aber ich kann das jetzt mal mit ins Kalkül ziehen. Das wir da ein bisschen für sorgen, dass auch Themen, die auf Anhieb nicht so ganz einfach zu erfassen sind, dass wir die den Leuten näher bringen."

    Für die quotenträchtige Sonntagabend Talkshow, bekommt Jauch jährlich, für Honorar und Produktion, zehn Millionen Euro überwiesen. Damit dürfte er so was wie der Superstar, der Brad Pitt des deutschen Fernsehens sein.
    Einen knallharten Polittalk wird man allerdings nicht erwarten können, auch keinen zynischen Moderator, der seine Gäste vorführt, sondern einen charmanten Schwiegersohntyp. Das männliche Pendant zu Anne Will oder Sabine Christiansen.

    Damit alles nicht gleich zu Beginn ein Reinfall wird, sollte Günther Jauch zwei Dinge beherzigen, betont der Medienwissenschaftler Wolfgang Mühl-Benninghaus von der Berliner Humboldt Universität:

    "Erstens Themen zu setzen, zweitens auch Antworten zu finden auf Probleme, die wir im Augenblick haben. Ich glaube, da kann man durchaus Beiträge leisten. Aber man muss sie durchaus neu stellen. Wenn man das allerdings versucht, wie man es oft versucht hat, indem man es moralisiert, wird es nichts bringen."

    Der thematische Auftakt zur Jauch-Talkshow wird der zehnte. Jahrestag der Anschläge von New York sein und die Frage, ob es richtig gewesen sei, in den Krieg zu ziehen. Neben Jürgen Klinsmann, Trainer der US-Nationalmannschaft, und Schriftstellerin Elke Heidenreich, wird unter anderem Marcy Borders, die sogenannte Dust-Lady, dabei sein. Nachdem sie aus dem 81. Stock des Nordturms geflohen war, erwischte sie die Staubwolke des einstürzenden Nordturms. Ein Bild, das um die Welt ging.

    Trotz aller Aufgeregtheiten, trotz aller Erwartungen: Günther Jauch bleibt cool. Dass er sicher auch seiner 25-jährigen Berufserfahrung als Fernsehmoderator zu verdanken hat. Nur eine einzige Sache, gesteht er unumwunden, würde ihn aus der Bahn werfen:

    "Dass dann doch Florian Silbereisen als Ersatzprogramm laufen muss. Das wär' nicht so schön. Aber da hab ich dann doch großes Vertrauen, dass wir das hinkriegen."