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Presse von des Kurfürsten Gnaden

1632, mitten im 30-jährigen Krieg, wurde in Berlin die "Botenmeister-Zeitung" unter staatliche Zensur gestellt. Was auf den ersten Blick als Willkürakt des brandenburgischen Kurfürsten Georg Wilhelm erscheint, war in Wirklichkeit gar keine souveräne Entscheidung des Fürsten, sondern ein Zugeständnis an die Machtverhältnisse im Heiligen Römischen Reich.

Von Klaus Kühnel | 23.01.2007
    "Bet, Kindlein, bet!
    Morgen kommt der Schwed,
    morgen kommt der Oxenstern,
    wird die Kinder beten lehrn.
    Bet Kindlein, bet!"

    Das flüsterten entsetzte Väter ihrem Nachwuchs ins Ohr, seit König Gustav II. Adolf durch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation zog. Der junge Schwede war am 4. Juli 1630 an den Gestaden Usedoms gelandet. Er hatte seinen in der Beschwörungsformel zu Oxenstern verhohnepiepelten Kanzler Axel Oxenstierna zwar zu Hause gelassen, aber ließ sich stattdessen von 13.000 Reitern begleiten, um sich in den bereits seit zwölf Jahren tobenden Krieg zwischen dem katholischen Kaiser Ferdinand II. und seinen rebellischen evangelischen Fürsten einzumischen. Kaiser Ferdinand II. im fernen Wien tat den ganz und gar ungerechtfertigten Eintritt Schwedens in den später 30-jähriger Krieg genannten Kampf mit einem Kopfschütteln und den überheblichen Sätzen ab:

    "Ein Feinderl mehr! Was kann's Uns der schaden?"

    Und Recht schien er zu haben, der Kaiser Ferdinand, denn seine Generale Wallenstein und Tilly besiegten bisher mehrmals hintereinander die feindlichen Heere der Protestanten, als stände Jungfrau Maria wirklich selbst an der Spitze ihrer katholischen Truppen, um die Einheit des Glaubens im Reich wieder herzustellen. Die Heerführer zeigten sich gnadenlos, war eine Stadt erst einmal genommen, ganz im Sinne Ferdinands, der erklärt hatte:

    "Besser eine Wüste regieren, als ein Land voller Ketzer zu haben."

    Immer wieder hatte die in Berlin erscheinende "Botenmeister-Zeitung" scharf das brutale Vorgehen der kaiserlichen Soldateska kritisiert. Botenmeister waren am Hof eines Fürsten verantwortlich für die Läufer, die Mitteilungen des Herrschers an ihre Empfänger zu tragen hatten. Unterwegs erfuhren die Kuriere gewissermaßen nebenbei auch Neuigkeiten, Nachrichten, damals "Zeitungen" genannt, von Ereignissen und Personen, die sie ihrem Botenmeister meldeten, der diese Berichte dann zusammenstellte und als "Zeitungen" veröffentlichen ließ.

    Die harschen Worte der "Botenmeister-Zeitung" waren leicht zu erklären. Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg war evangelischen Glaubens. Auch ihn ärgerte die rücksichtslose Kriegsführung. Aber er war kein erklärter Feind Ferdinands. Durch die Artikel fühlte sich jedoch der Kaiser persönlich beleidigt. Er beschwerte sich bei seinem Kurfürsten über die angeblichen Verleumdungen und die schändlichen Pasquille der Zeitung. Um dem aufbrausenden Ferdinand auch weiterhin keinen Vorwand zu geben, Brandenburg anzugreifen, verbot Georg Wilhelm kurzerhand die "Botenmeister-Zeitung". Aber Frieden konnte er sich damit nicht erkaufen, denn nun war ein noch schrecklicherer Mann in den Krieg getreten: Gustav Adolf, König von Schweden, der sich der "protestantischen Sache" im Reich annehmen wollte.

    "Er schwitzte, hungerte, fror und dürstete mit seinen Soldaten und saß bisweilen 15 Stunden ohne Unterbrechung im Sattel. Blut und Schmutz kümmerten ihn nicht - die königlichen Stiefel hatten bis über die Knöchel in ihnen gewatet."

    Im Juni 1631 erzwang Gustav Adolf ein Bündnis mit Georg Wilhelm gegen den Kaiser. Damit waren Brandenburgs friedliche Zeiten für die nächsten 17 Jahre beendet. Nur die unterdrückte "Botenmeister-Zeitung" profitierte davon, denn der Schwede entschied:

    "Des Kaisers Feinde sind des Königs Freunde."

    Gustav Adolf nötigte den widerwillig in den Krieg getriebenen Kurfürsten deshalb, das Verbot der Zeitung aufzuheben. Georg Wilhelm musste sich dem Diktat des Schweden ebenso wider Willen am 23. Januar 1632 beugen und gestattete das Neuerscheinen der "Botenmeister-Zeitung". Aber weil er es mit dem Kaiser nicht ganz verderben und dem Schweden auch ein wenig die kalte Schulter zeigen wollte, verhängte er die staatliche Zensur über die wieder zugelassene Zeitung und ließ ihrem Herausgeber Veit Frischmann ausrichten, dass er sein Blatt zwar wieder drucken darf, aber nur unter der Bedingung, dass er die Artikel zuvor einen seiner kurfürstlichen geheimen Räte bringt, damit der für gut befinden könne, was ausgestrichen werden müsse und was gedruckt werden dürfe.

    "Wie dann auch nichts von paßquillen, sie seien wider wen sie wollen, oder sonst etwas, so einen oder den anderen, zumahl Standes personen, anzüglich, darinn sein soll."