Freitag, 19. April 2024

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Pressefreiheit
"Der Begriff Wahrheit kommt ins Schwanken"

Die Freiheit der Presse sei kein abstraktes Thema, sondern gehe ins Herz, sagte Musiker Peter Licht im DLF. Zusammen mit anderen Bands und Medienschaffenden tritt er in Berlin bei einem Solidaritätskonzert für die inhaftierten Journalisten in der Türkei auf. Eine freie Welt, so Licht, sei nicht selbstverständlich.

Peter Licht im Gespräch mit Adalbert Siniawski | 03.05.2017
    Der Indie-Pop-Musiker und Autor Peter Licht liest am 19.03.2015 im Rahmen des internationalen Literaturfestivals Lit.Cologne in Köln.
    Der Pop-Musiker und Autor Peter Licht (imago / Horst Galuschka)
    Adalbert Siniawski: Zugang zu Wikipedia gesperrt, Gründer "Jimmy Wales" von einer Konferenz ausgeladen, und dann die markigen Sprüche: "Die Türkei ist nicht der Lakai Europas". Auch diese Woche sorgte Erdogans Türkei für Schlagzeilen. "Reporter ohne Grenzen" und "Amnesty International" berichten von tausenden geschassten Journalisten und 120 Reportern, die in Haft sind. Der hierzulande bekannteste unter ihnen ist der deutsch-türkische "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel.
    Heute, am Tag der Pressefreiheit, organisieren die beiden NGOs zusammen mit der Initiative "FreeDeniz" die Solidaritätskundgebung "Auf die Presse" vor dem Brandenburger Tor. Auf der Bühne sind neben Medienmenschen auch Bands wie "Die Sterne", "The Notwist", "Antilopen Gang" und "Peter Licht". Ihn begrüße ich am Telefon. Hallo nach Berlin.
    Peter Licht: Hallo nach Köln.
    Siniawski: Warum ist es für Sie als Musiker wichtig, heute dort aufzutreten?
    Licht: Ja. Pressefreiheit ist schon so die Grundbedingung für das Ding, in dem wir leben. Das ist total wichtig, da laut zu werden und was dazu zu sagen, dass solche Dinge passieren.
    "Position beziehen und Mund aufmachen"
    Siniawski: Wissen Sie schon, was Sie sagen und was sie singen werden?
    Licht: Ja, also es gibt ein Lied, das heißt "Die Emotionale", das ist eine Umdichtung, eine Aktualisierung der "Internationalen". Ich habe mich bemüht, den Text in die heutige Zeit zu setzen und das werden wir gemeinsam singen. Und da gibt es einen Chor auf der Bühne und es gibt eine Aufforderung an die Leute, dieses Lied dann gemeinsam zu singen. 'Emotionale, hört die Signale, auf zum letzten Verzicht' - und das ist das Lied für Deniz, was wir eben möglichst laut singen wollen. Andere Lieder werde ich auch noch singen, aber das ist das, wo ich mich am meisten drauf freue. Und emotional, also Demokratie, Pressefreiheit und Freiheit ist einfach ein emotionales Thema, und da muss man dann, muss man singen.
    Wir haben noch länger mit Peter Licht gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Gesprächs
    Siniawski: Die Pressefreiheit ist eng verbunden mit der Meinungs- und der Kunstfreiheit. Die Eingriffe der türkischen Behörden gegen Künstler sind noch nicht ganz so stark wie gegen Journalisten, die im Gefängnis sitzen. Und doch wird häufig berichtet, dass die Behörden ein Auge darauf haben, wer im Sinne der der vermeintlichen "türkischen Moral" agiert. Istanbul galt ja lange Zeit als attraktiver Ort international - mit einem Filmfest und der Kunstbiennale - das scheint jetzt in Gefahr zu sein. Ist es das, was einen Musiker wie Sie umtreibt: Erst wird die Presse mundtot gemacht, und dann geht es den Künstlern an den Kragen?
    Licht: Das kann man überhaupt nicht trennen. Es geht eigentlich um das Gesamtphänomen Freiheit. Ich würde das gar nicht trennen wollen, Kunstfreiheit und Pressefreiheit. Und es geht auch nicht nur um die Türkei, es geht auch darum, wie in Amerika, wie Trump mit der Presse da umgeht und was in vielen anderen Ländern, oder wie auch in Deutschland, ja, der Begriff Wahrheit kommt so ins Schwanken: Was ist die Wahrheit und was ist die richtige Nachricht und was nicht. Also ich würde das allgemeiner sehen - es geht jetzt nicht nur darum, dass ich jetzt meinen kleinen Gemüsegarten meiner Kunst hier verteidigen möchte, sondern ich finde, das ist ein allgemeines Phänomen, dass die Dinge einfach näher kommen. Und es geht auch um unsere Verantwortung. Also die Dinge kommen näher, der Terrorismus kommt näher, Beschränkung von Pressefreiheit, es kommt irgendwie näher. Und da muss man Position beziehen und muss man sich, ja, klar werden, dass das alles zusammenhängt und dass man seinen Mund aufmacht.
    "Freiheit ist kein abstraktes Thema"
    Siniawski: Auch Yoko Ono hat das gemacht, wenn auch in Form einer, ja, Anzeige. Sie wurde gebeten, da eine Seite zu gestalten zum heutigen Tag der Pressefreiheit. Und das ist jetzt eine weiße Seite geworden, und ganz schlicht in schwarzer Schrift stehen dort die Worte "Free you, free me, free us, free them". Was können solche politischen Aktionen von Musikern – und die gibt es ja schon seit den nicht unumstrittenen Live-Aid-Konzerten von Bob Geldof – was können die bewirken?
    Licht: Was kann das bewirken? Also ich glaube, es geht auch hier um eine Emotionalität, es geht um das Herz, es geht darum, dass man was tun kann, dass man was spürt. Letztendlich geht es um das Spüren. Freiheit, das ist eben kein abstraktes Thema, was an irgendjemanden delegiert wird, was an irgendein Parlament oder an eine Verwaltung oder an einen außen delegiert wird, sondern das betrifft jeden und das geht ins Herz. Und vielleicht wird das durch solche Aktionen irgendwie klar.
    Siniawski: Kurz nochmal zu dem Konzert heute vorm Brandenburger Tor. Interessant ist, dass mit Komikerin "Jilet Ayse", dem Rapper "Sultan Tunc" und Musiker "Mikail Aslan" nur wenige türkischstämmige Künstler auf der Bühne sind, einige davon sind hier geboren. Hätten Sie sich mehr gewünscht? Also es ist schon interessant, dass da vor allem deutsche Künstler auftreten.
    Licht: Ja. Also ich finde das gut, wenn türkischstämmige Leute da genau ihre Stimme miterheben. Und wenn das jetzt zu wenig sind, das ist mir noch nicht aufgefallen. Ich habe das so wahrgenommen, dass die gut vertreten sind, das ist wichtig, weil natürlich die türkischstämmigen Deutschen oder Menschen oder Türken, die gehören ja natürlich dazu. Gerade in Berlin gehören die dazu, aber auch in ganz Deutschland und das ist wichtig, dass das ein gemeinsames Ding ist.
    Siniawski: Peter Licht – auf der Bühne mit vielen anderen Musikern, Journalisten und Aktivisten im Kampf für Pressefreiheit in der Türkei und auch sonst auf der Welt. "Auf die Presse!" heißt es ab 17:30 Uhr am Brandenburger Tor. Ihnen vielen Dank für das Interview.
    Licht: Danke, ebenfalls.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.