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Pressefreiheit in Australien
Neues Gesetz setzt Medien unter Druck

Das australische Parlament hat in dieser Woche ein Gesetz verabschiedet, das es dem Staat erlaubt, Journalisten bis zu zehn Jahre ins Gefängnis zu stecken, wenn sie über Einsätze des Inlandsgeheimdienstes berichten. Starker Tobak für ein demokratisches Land. Die Reaktionen sind entsprechend.

Von Andreas Stummer | 11.10.2014
    Polizisten durchsuchen im Rahmen eines Anti-Terror-Einsatzes am 18. September 2014 in Sydney ein Gebäude.
    Im Anti-Terror-Kampf bekommt der australische Geheimdienst mehr Befugnisse - und die Presse weniger Rechte. (afp/Khan)
    "This is not a law about journalism, it’s not a law about journalists. It’s a law about the disclosure of something which out not (…) be disclosed."
    High Noon im Presseclub von Canberra. Ausgerechnet im Nervenzentrum des australischen Journalismus verpasste Generalstaatsanwalt George Brandis den einheimischen Medien einen Maulkorb. Gerade erst hat ASIO, Australiens Geheimdienst, mehr Macht im Anti-Terror-Kampf bekommen - mit Risiken und Nebenwirkungen für Journalisten. Besonders umstritten: sogenannte "Verdeckte Spezialeinsätze". Sie werden vom Justizminister bewilligt und garantieren ASIO nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden - selbst wenn der Einsatz misslingt oder die Geheimdienstler ihre Macht missbrauchen. Journalisten, Blogger, Informanten, selbst Twitterposter: Wer Details über einen Spezial-Einsatz veröffentlicht dem drohen bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe. Chris Warren vom Journalistenverband ist empört. Er hält das neue Gesetz für einen Frontalangriff auf die Pressefreiheit in Australien.
    "In Zukunft sollen wir also nur die guten Nachrichten über Einsätze unseres Geheimdienstes bekommen aber nicht mehr die schlechten. Journalisten sind weder naiv noch dumm, sie riskieren nicht leichtsinnig die nationale Sicherheit. Deshalb muss sowohl das Recht auf unabhängige Berichterstattung bewahrt werden als auch das Recht der Öffentlichkeit informiert zu werden."
    Wer publiziert macht sich schuldig - selbst wenn die Enthüllungen im öffentlichen Interesse sind. Straffreiheit winkt nur, wenn der Staat freiwillig auf eine Verfolgung verzichtet. Doch der Geheimdienst darf noch mehr: ASIO kann jetzt die Computer-Netzwerke australischer Medienorganisationen ausspionieren und Telefon- und Internetkontakte auswerten. Journalisten fürchten ihre Quellen und Tippgeber künftig nicht mehr schützen zu können.
    "Wenn eine Regierung ihr politisches Eigeninteresse schützen will, dann versucht sie auch kritischen Journalismus einzuschränken", glaubt George Williams, ein Medienrechtsexperte an der Uni Sydney, "Diese Gesetze sollen einen australischen Edward Snowdon verhindern. Es ist beunruhigend wie leichtfertig Journalisten am Berichten wichtiger Zusammenhänge gehindert werden sollen."
    Sydney, 2003: Ein muslimischer Medizinstudent wird von ASIO-Agenten unter Terrorverdacht festgenommen, ohne Haftbefehl zehn Stunden lang verhört, bedroht und eingesperrt. Reporter Peter Hartcher vom "Sydney Morning Herald" deckte den Vorfall damals auf, die ASIO-Beamten wurden wegen Kidnappings belangt, der Verdächtige nie angeklagt. Heute kann der Geheimdienst Personen eine Woche festhalten und verhören, selbst wenn sie nicht unter Verdacht stehen. Aber nach den verschärften Anti-Terrorgesetzen fürchtet Peter Hartcher, dass Missstände im australischen Geheimdienst-Apparat künftig top secret bleiben werden.
    "Soll ich wirklich darüber schreiben, dass der Geheimdienst jemand ungerecht-fertigt verhaftet und eingesperrt hat? Mit dem Risiko damit selbst zehn Jahre ins Gefängnis zu kommen? Diese Mängel unserer Sicherheitsbehörden werden dann tatsächlich geheim und vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben."
    Nie war der australische Geheimdienst mächtiger, nie war die australische Presse ohnmächtiger. Nationale Sicherheit, der Kampf gegen Terrorismus – im Irak und gegen einen unsichtbaren Feind an der Heimatfront – das alles bringt Wählerstimmen. Weshalb auch die Labor-Opposition für ein Einschränken der Pressefreiheit gestimmt hat. Dagegen waren nur die Grünen. "Das erste Opfer im Krieg ist immer die Wahrheit", heißt es. In Australien aber sind es die Medien, die sie berichten wollen.