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Pressefreiheit in Großbritannien
Personenschutz für BBC-Topreporterin

Laura Kuenssberg wird regelmäßig online bedroht. Der Vorwurf: Die BBC-Journalistin berichte zu negativ über den Labour-Chef Jeremy Corbyn. Nun hat ihr die britische Rundfunkanstalt einen Bodyguard zur Seite gestellt.

Von Friedbert Meurer | 27.09.2017
    September 25, 2017 - Brighton, Sussex, UK - Brighton, UK. BBC journalist Laura Kuenssberg at The Labour Party Conference at The Brighton Centre . Kuenssberg has been reported to require bodyguards to protect her when working covering the event.
    Laura Kuenssberg, BBC-Reporterin, erhält beim Labour Parteitag Personenschutz (imago stock&people / Joel Goodman)
    Der Moderator der BBC-Abendnachrichten leitet zum Aufmacher-Thema ein. Laura Kuenssberg, Chefredakteurin und Star-Reporterin der BBC, berichtet aus Brighton vom Labour-Parteitag. Es ist nicht ihr erster Parteitag der britischen Sozialdemokraten, von dem sie berichtet – aber doch ist etwas anders. Fotos in den Zeitungen zeigen Laura Kuenssberg mit einem Bodyguard. Er ist um die 40, ein ehemaliger Soldat, heißt es, und spezialisiert auf Personenschutz.
    Kein Mitgefühl von Kollegen anderer Medien
    Kuenssberg hat die letzten zwei Jahre kritisch über Labour-Chef Jeremy Corbyn berichtet. In den Online-Foren wird sie dafür bedroht und beschimpft. In einem privaten Talkradio kann es eine Moderatorin nicht fassen: "Stellen Sie sich vor, sie braucht einen Bodyguard, um vom Labour-Parteitag zu berichten. Was glauben Sie, wer sie da bedroht?"
    Ein Vorwurf, der sich an Labour richtet. Andere Moderatoren machen Witze und leiten die Live-Schaltungen nach Brighton ein, als stünde der Reporter dort mitten im Krisengebiet.
    Kollege Theo Washwood werde gleich von einer ganzen Truppe von Marines beschützt, spottet Moderator Nick Ferrari. Aus Sicherheitsgründen gibt der Sender keine Stellungnahme dazu. Kuenssberg erhält auch nur Personenschutz bei Labour, nicht aber offenbar ab kommenden Sonntag beim Kongress der Konservativen in Manchester.
    "Meine Name ist Laura Kuenssberg von der BBC. Mr. Corbyn ….?"
    Das war bei einer Pressekonferenz vor geraumer Zeit. Die BBC-Frau wird von den Labour-Anhängern feindselig angezischt, als sie gerade Jeremy Corbyn eine Frage stellen will. In Großbritannien mit seinen Höflichkeitsformen ist so etwas erst recht unerhört - und einschüchternd. Der Labour-Abgeordnete Chris Williamson relativiert aber, Kritik an Journalisten sei ja wohl erlaubt: "Sie implizieren hier, dass eine vernünftige Kritik dasselbe sein soll wie Einschüchterung."
    Besonders Frauen werden online attackiert
    Andere, wie Partei-Vize John McDonnell erklären dagegen, es sei unerträglich, wenn in einem freien Land Journalisten mit Gewalt bedroht würden. Sollte sich herausstellen, dass tatsächlich Labour-Sympathisanten dahinter stecken, will er sie sich "vorknöpfen".
    Mary Hamilton, Journalistin des linksliberalen Guardian, wies kürzlich bei einer Tagung auf einen besonderen Umstand hin: Es sind vor allem Frauen, die attackiert werden. "Die Autoren, die am meisten von Lesern geschmäht werden, sind bei uns Frauen. Von zehn Autorinnen, zu deren Schutz wir die Kommentarfunktion ausschalten mussten, waren acht Frauen. Und keiner der beiden restlichen Männer war weiß."
    Journalistinnen und Kollegen ethnischer Minderheiten - sie werden in den sozialen Netzwerken v.a. angepöbelt, bedroht und mit wüsten Vergewaltigungsphantasien überzogen.
    Die Schmähorgien kommen von ganz links, aber auch ganz rechts. Laura Kuenssberg mit ihrem Bodyguard ist bislang noch eine Ausnahme. Aber die Vorstellung, dass Journalisten in Großbritannien bedroht werden wie in Diktaturen, ist in einem Land, das stolz auf seine freie Presse ist, ernüchternd.