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Pressefreiheit light

Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit lud die Landesanstalt für Medien NRW und die Deutsche Welle nach Brüssel ein. Thema der Veranstaltung: Kann Europa Vorbild sein für die afrikanischen Staaten in Sachen Pressefreiheit?

Von Bettina Schmieding | 07.05.2011
    "Nein, das würde ich nicht empfehlen."

    ... sagt Károly Vörös, Chefredakteur von Népszabadság, der führenden liberalen Tageszeitung Ungarns. Was seit der neuen Medienverfassung mit der Pressefreiheit in seinem Heimatland – das übrigens seit Januar die EU-Ratspräsidentschaft innehat - geschehen sei, erfülle ihn mit Traurigkeit.

    "In den gesetzlichen öffentlichen Medien ist die Lage katastrophal geworden. In den Nachrichten am Abend sind mehr als 90 Prozent Regierungsseite und weniger als zehn Prozent Opposition. Das ist wirklich schrecklich, glaube ich."

    Das EU-Mitglied Ungarn steht auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen übrigens auf Platz 23 – kurz hinter Namibia. Und Italien teilt sich Rang 49 mit Burkina Faso. Ein Vorbild sieht anders aus, meint Erik Bettermann, Intendant der Deutschen Welle. Dass diese Diskussionsrunde zum Thema Pressefreiheit in Brüssel stattfinde, habe durchaus Gründe:

    "So eine Veranstaltung dient doch auch dazu, das Bewusstsein hier in Brüssel zu schärfen. Wie bedeutend Medienfreiheit für die Europäische Union, aber auch im Verhältnis zu anderen Teilen in der Welt ist. Das ist nicht selbstverständlich. Es gibt hier durchaus Menschen in der Administration, die sagen, die sollen erst mal Texte, die sie senden, mit uns abstimmen. Das heißt, das Verständnis, dass es die Sache bewertende und sie so objektiv wie möglich darstellende Journalisten gibt, muss auch in der EU gelernt werden."

    In einem demokratisch geprägten Kulturkreis wie der EU zu leben, bedeutet also nicht automatisch, dass Presse- und Meinungsfreiheit uneingeschränkt im Paket mit dabei sind. Und auch potenzielle neue EU-Mitgliedsländer werden von Brüssel offensichtlich nach vielem gefragt, aber nicht vor allem danach, wie sie es denn so mit der Pressefreiheit halten. Und wer einmal Mitglied ist, hat zwar die Grundrechtecharta akzeptiert, genießt aber in Kulturfragen weitgehende Souveränität. Aber auch die gerade entstehenden demokratischen Bewegungen in Nordafrika haben offenbar andere Sorgen als die Pressefreiheit, berichtet Erik Bettermann.

    "Wissen Sie, was für uns, den deutschen Auslandsrundfunk, heute zum Beispiel in Tunesien die meistgefragte Thematik ist? Wie habt ihr Deutschen das eigentlich mit eurem Geheimdienst in der DDR gemacht? Also, die Stasiaufarbeitung."

    Pressefreiheit sei in arabischen Ländern zweitrangig, sagt auch Aktham Suliman, Deutschlandkorrespondent des arabischen Senders Al-Jazeera. Medien seien für die Menschen der Region eher ein Instrument zur Durchsetzung der eigenen Interessen.

    "Kaum machen wir etwas, was populär ist, sind wir Götter für die Zuschauer, was wir nicht werden wollten. Kaum machen wir etwas Negatives aus deren Wahrnehmung, sind wir die Mitarbeiter Satans."

    Aber natürlich sei eine Demokratie nichts wert ohne eine freie Presse. Auf diese Idee müssten die Tunesier und Ägypter jedoch schon selber kommen und zwar ohne, dass Europa ihnen den erhobenen Zeigefinger hinhalte, erklärt Suliman.

    "Ob die Europäer beim Ertasten helfen können und wollen ist etwas Nettes. Aber letztendlich ist derjenige, der ertastet, derjenige, der herausfindet, was für ihn wichtig ist. Europa kann beratend helfen, natürlich. Europa hat eine große Erfahrung. Aber wirklich nur beratend, das heißt man zeigt die eigenen Schwächen und die eigenen Stärken und bietet das an. Nicht, dass man als Lehrmeister agiert."