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"Der Gerichtssaal verkommt zum Basar"

Die Kommentatoren der Tageszeitungen beschäftigt vor allem ein Thema: das Ende des Prozesses gegen den Formel-1-Chef. "War das wirklich ein deutscher Gerichtssaal, in dem Bernie Ecclestone sich durch die Zahlung von 100 Millionen Dollar freikaufen konnte?", fragt beispielsweise die Rhein-Neckar-Zeitung.

05.08.2014
    Verschiedene deutsche Tageszeitungen liegen zur Presseschau bereit.
    Verschiedene deutsche Tageszeitungen liegen zur Presseschau bereit. (Jan Woitas, dpa)
    "Die Begründung jedenfalls lässt am Glauben an Justitia zweifeln: Weil dem Formel-1-Chef die Bestechung des wegen Bestechlichkeit vom selben Gericht zu achteinhalb Jahren Haft verurteilten Bankers Gerhard Gribkowsky nur schwer nachzuweisen wäre, kürzte das Gericht das Verfahren ab - und stellte es ein", schreibt die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg weiter.
    "Man muss es nüchtern sehen", heißt es in der MAIN-POST aus Würzburg. "Am Ende haben die Richter mit einer Einstellung gegen diese hohe Geldauflage wohl weit mehr herausgeholt als bei einem Prozess, der sich noch Wochen hingezogen hätte."
    Der NORDKURIER aus Neubrandenburg empört sich: "Alleine das Wort 'Deal' hinterlässt einen unguten Eindruck. Es klingt so nach: Eine Hand wäscht die andere. Oder nach: Da drücken wir mal ein Auge zu. Mit Recht und Ordnung hat das nichts mehr zu tun. Der Gerichtssaal verkommt zum Basar, auf dem sich jeder das kaufen kann, was er möchte. Im Klartext heißt das, die Armen sind die Dummen. Wer sich die besten und teuersten Anwälte leisten kann, kommt mit einem blauen Auge davon."
    Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG meint dagegen: "Wer im Fall Ecclestone 'Klassenjustiz' wittert, liegt daneben. Was viele übersehen: Die entscheidende Regelung im Strafprozessrecht ist kein Privileg für Reiche. Tag für Tag stellen Gerichte Verfahren gegen Geldauflagen ein, etwa wenn die dürftige Beweislage eine Verurteilung erschwert. Da sich die Höhe am Vermögen des Angeklagten orientiert, kommt bei einem Ecclestone eben mehr zusammen."
    Und die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus MÜNSTER vermuten: "Ecclestone wird die Rekordsumme an das Landgericht München ohne Verdruss zahlen. Dafür geht der 83-Jährige als freier Mann aus dem Gerichtssaal. Er gilt als unschuldig und kann damit in seinem geliebten Rennzirkus weiter als Direktor die Fäden ziehen. 'Money makes the world go round': Nur das zählt in der Welt des Briten."
    Ein weiteres Thema der Zeitungen von morgen ist Roland Koch, der als Vorstandschef des Bilfinger-Konzerns abgelöst wird. Die NEUE PRESSE aus Hannover kommentiert: "Koch hat die Härte in der Führungsetage eines Baukonzerns unterschätzt. Wo man sich nicht mit Oppositionspolitikern herumschlägt, sondern mit Investoren und Aufsichtsräten. Koch versprach viel, präsentierte sich als der bekannt Ehrgeizige. Daran ist er gescheitert, er wollte zu viel. Immerhin melden sich zum Trost alte Weggefährten aus der Union und reden von einem Comeback Kochs in der Union. Das sind aber auch nicht mehr als nette Worthülsen."
    Der KÖLNER STADT-ANZEIGER fragt sich: "Ist die Tür nun wieder zu für Wechsel von Politikern an die Spitze von Unternehmen? Auf einer rationalen Ebene wäre es falsch, diesen Schluss zu ziehen. Auf einer emotionalen Ebene aber haben sich die Chancen von Politikern, Konzernchef zu werden, klar verschlechtert. Wer einem Aufsichtsrat künftig eine solche Personalie vorschlägt, wird es schwer haben."
    Und der DONAUKURIER aus Ingolstadt stellt fest: "Koch fällt weich, bis zum Ende seiner Vertragslaufzeit in zwei Jahren ist ihm ein Jahresgehalt in Höhe von 2,3 Millionen Euro sicher. Die Dummen sind die Anteilseigner, also die Aktionäre. Während der durchschnittliche Wert der Firmen aus dem M-Dax - Unternehmen von mittlerer Größe - seit 2011 um 40 Prozent stieg, sank die Bilfinger-Aktie unter Koch um 20 Prozent."