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Presseschau
Deutschland als Streber der EU

Der Bund will im kommenden Jahr erstmals seit 1969 keine neuen Schulden machen. Kommentatoren in deutschen Zeitungen von morgen sehen das kritisch. Dass für Flüchtlinge mehr Geld ausgegeben werden soll, begrüßen die meisten jedoch. Außerdem wird der Besuch von Papst Franziskus in der Türkei und der Fall der für hirntot erklärten Tugce in Offenbach kommentiert.

28.11.2014
    Verschiedene deutsche Tageszeitungen liegen auf einem Tisch.
    Verschiedene deutsche Tageszeitungen liegen auf einem Tisch. (dpa / Jan Woitas)
    Der Bundestag hat den Haushalt für das kommende Jahr beschlossen, erstmals seit 1969 wieder ohne eine Neuverschuldung. Dazu schreibt die Neue Osnabrücker Zeitung: "Deutschland ist der Streber der EU: Die schwarze Null von Finanzminister Schäuble kommt gut an. Doch der Haushalt speist sich unter anderem aus den Sozialkassen. Auch an Investitionen lässt es Berlin fehlen, was angesichts sprudelnder Steuereinnahmen völlig unverständlich ist."
    Die Schwäbische Zeitung aus Ravensburg nennt die Entscheidung des Bundestags "historisch", zumindest "ein bisschen. Die Hartnäckigkeit des Finanzministers spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Rückendeckung der Kanzlerin. Trotz aller Skepsis ist die schwarze Null unbestritten ein starkes Signal".
    Der Bund will die Länder und Kommunen bei den Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen entlasten. Der Bonner General-Anzeiger stellt fest: "Deutschland kann und muss sich diese eine Milliarde Euro leisten. Das Land ist reich und der Flüchtlingsdruck hoch."
    Der Donaukurier spricht von einem guten Tag "nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für das Selbstverständnis Deutschlands als Land, das eine lange Erfahrung mit Flucht und Vertreibung hat."
    Die Berliner Zeitung lobt die Vereinbarung über die ärztliche Versorgung: "Es ist der Beharrlichkeit der Grünen zu verdanken, dass dieses Problem als Teil des Gesamtpakets gelöst werden soll."
    Die Süddeutsche Zeitung kritisiert hingegen: "Bund und Länder haben gefeilscht und gegengerechnet. Sie haben dieses Problem behandelt, als müssten sie Kompromisse in der Kennzeichnung von Fahrradwegen aushandeln. Hier aber geht es um Menschen, die in Not sind. Es geht um Schicksale, die eine besondere Sensibilität verlangen."
    Papst Franziskus besucht derzeit die Türkei. Zuvor hatte Staatspräsident Erdogan gegenüber dem Westen schwere Vorwürfe erhoben. Der Kölner Stadt-Anzeiger reagiert empört: "Mit seinen Hasstiraden hat der türkische Präsident die Grenze des Erträglichen überschritten. Erdogan kultiviert die Fremdenangst. Seine Vision, die Türkei zur Führungsmacht im Nahen Osten aufzubauen, hat sich als Fata Morgana erwiesen."
    Der Münchner Merkur konstatiert: "Es spricht für die menschliche Größe des Papstes, dass er das Niveau seines Gastgebers ignoriert und sich wünscht, die Türkei sollte nicht nur als geographische Brücke fungieren, sondern auch ein Dialog-Klima schaffen. Das Problem ist nur: Erdogan will keine Brücken bauen, sondern einen islamistischen Staat formen - mit der AKP als Vollstrecker."
    Zum Schluss noch mal ins Inland. Für große Anteilnahme sorgt der Einsatz der Studentin Tugce. Sie hatte zwei Mädchen geholfen und kam anschließend bei einer Prügelattacke ums Leben. Der Nordkurier aus Neubrandenburg fordert Konsequenzen: "Die Bundesrepublik besitzt kein erfolgreiches Rezept gegen Intensivtäter. Die Gerichte verhängen zudem zu oft milde Jugend-Strafen, die es der Zivilcourage in unserer Gesellschaft noch schwerer machen. So kann es nicht weitergehen. Tugces Tod darf nicht sinnlos gewesen sein."
    Das Darmstädter Echo resümiert: "Tugce ist eine hessische Heldin. Sie hat das Richtige getan - und zu unser aller Entsetzen dafür mit dem Leben bezahlt. Sie hat versucht, mit ihrem Einsatz das Leben in diesem Land besser zu machen. Dafür schulden ihr die Bürger Dank."