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Pressevertrieb
Trends erkennen, flexibel reagieren

Kiosk, Bahnhofsbuchhandlung oder Supermarkt: In Deutschland kann man überall seine Lieblingszeitschrift kaufen, ganz egal, ob Tageszeitung, Strickmagazin oder Kinderzeitschrift. Zu verdanken hat das der Leser nationalen Pressevertrieben wie IPS, die flexibel auf die Nachfrage vor Ort reagieren können.

Von Brigitte Baetz | 18.07.2014
    Tageszeitungen stecken in Frankfurt am Main an einem Zeitungsstand.
    Ob "Süddeutsche" oder "Didls Käseblatt": Pressevertriebe sorgen für die Verteilung der Printmedien. (Frank Rumpenhorst, dpa picture-alliance)
    "Die Wurzel - das Rohkostmagazin", "Dog's Avenue", "Diddls Käseblatt". In der Lagerhalle des IPS-Pressevertriebes reihen sich in großen Stapeln Titel an Titel aus der deutschen Magazinlandschaft, die so vielfältig wie kleinteilig ist. Ein großer Verkaufsschlager sind zur Zeit Häkel- und Strickzeitschriften, wie Dieter Wirtz erzählt, während er durch die Lagerräume führt.
    "Das ist ein Trend, der aus England rübergeschwappt ist. Das sind zum Großteil englische Lizenzausgaben, die in deutscher Sprache dann hergestellt werden, wo man doch erst davon ausgeht, Häkeln und Stricken muss was typisch deutsches sein."
    Mehr als reine Logistik
    Vor fast 30 Jahren hat Dieter Wirtz den IPS Pressevertrieb gegründet. IPS - das heißt Intercontinental Press Services. Ein ambitionierter Name für ein - allerdings nur auf den ersten Blick - einfaches Geschäftsmodell, nämlich das Produkt eines Verlages zum Leser zu bringen.
    Hier im Industriepark von Meckenheim bei Bonn ist die Schaltzentrale des größten verlagsunabhängigen deutschen Nationalvertriebs mit 65 Mitarbeitern. Sein Kerngeschäft sind die kleinen und mittleren Verlage, die - anders als die großen - auch mit niedrigen Auflagen Gewinne machen können. Doch der IPS bietet nicht nur Lagerkapazitäten und Logistik, verpackt und verteilt Zeitungen und Zeitschriften an Großhandel, Bahnhofsbuchhändler, Flughafenbuchhandlungen und an spezialisierte Einzelhandelsgeschäfte, die traditionell nicht vom Pressegrosso beliefert werden. Für Auflagen von manchmal nur 5.000 Stück muss sehr genau überlegt werden, wo sich der Verkauf überhaupt lohnt. Und das ist eine Arbeit, die in der Stille der Büros mit modernen IT-Methoden umgesetzt wird.
    Die Datensätze dafür seien natürlich anonymisiert, betont Dieter Wirtz.
    "Aber wir wissen eben: ist dieser Händler mit der Nummer xy, ist das eine Lotto-Toto-Annahmestelle, ist das eine Trinkhalle, ein Supermarkt, wie viel Bordmeter hat er, wie lange hat er Öffnungszeiten, welche Produkte verkauft er am besten und danach erarbeiten wir im Grunde einen so genannten Leitverteiler. Wir wissen dann eben, wenn Frauenmagazine in diesem Geschäft sehr gut laufen und wir haben einen kleineren Verleger, der auch über Frauenzeitschriften kommt, dann gehen wir natürlich auf die Verkaufsstellen los, wo wir sagen: wenn er mindestens vom Marktführer zehn verkauft, als Beispiel, dann schalten wir diesen Händler."
    Trends erkennen
    In einem rückläufigen Markt wie dem Printgeschäft sei es wichtig, sich möglichst breit aufzustellen, sagt Wirtz. Der IPS habe sich in seiner fast dreißigjährigen Geschichte von einem Logistik- und Vertriebsunternehmen schon fast zu einem Unternehmensberater entwickelt, der mittels Marktanalysen einem Verlag erklären kann, ob und wie ein Titelbild wirkt, ohne dass der dafür einen Stab von Angestellten beschäftigen muss.
    "Viele Verleger kommen auch und sagen: ja, ich bin jetzt hier an der Palette "Essen" unterwegs und was ist denn da im Moment der Trend. Und dann gehen wir natürlich hin und untersuchen den Markt und sagen: das ist der Trend. Es gibt aber auch Verleger, die einfach sagen: gebt mir einen Tipp für ein neues Magazin. Es ist mir vollkommen egal, wo das herkommt. Ich kann mir am Markt Fachleute besorgen, die das herstellen können."
    Mit Flexibilität zukunftsfähig bleiben
    Von Anfang an war der IPS Pressevertrieb international orientiert. Auch das zahlt sich heute aus. Seit 2011 hat Wirtz beim italienischen Marktführer Messinter das Sagen. Messinter importiert 80 Prozent aller ausländischen Zeitungen, die in Italien vertrieben werden, darunter nahezu alle deutschen. Doch da der Transport immer teurer wurde, entwickelte Wirtz ein besonderes Angebot und eröffnete in Rom und Mailand digitale Druckereien, in denen nun die Auslandsausgaben von "Bild" bis "Süddeutsche", aber auch die des holländischen "Telegraaf" oder des "Daily Telegraph" aus England produziert werden - teilweise mit speziellen Sonderinformationen für die Urlauber in unterschiedlichen italienischen Regionen. Flexibilität, so scheint es, war auf dem Printmarkt noch nie so wichtig wie heute, und wie man Dieter Wirtz anmerkt, macht sie auch Spaß:
    "Als wir gestartet sind, kam der 'Mannheimer Morgen', den wir auch vertrieblich betreuen hier in Deutschland und meinte: Mensch, wir haben doch da den Katholikentag in Mannheim, können wir nicht da in Rom hundert Exemplare 'Mannheimer Morgen' drucken und rund um den Vatikan so in zehn oder 15 Verkaufsstellen den verkaufen. Wir machen auf unserer Internetseite richtig Werbung und damit können Mannheimer oder Deutsche, die in Rom sind, können trotzdem sehr aktuell über den Katholikentag informiert werden. So, das haben wir gemacht, das hat eine riesige Medienresonanz gefunden und die ganze Aktion hat dann den 'Mannheimer Morgen' ich glaube noch keine 1.000 Euro gekostet. Das war eine Marketing-Aktion, die war wirklich für Pfennigkram gemacht und das Schönste war auch noch, die Dinger haben wir auch noch verkauft in Rom."
    Dass das deutsche Modell des Pressegrosso gerade aufgebrochen wird, weil der Grosso-Bundesverband seine Konditionen mit den Verlagen nicht mehr zentral aushandeln darf, hält Wirtz für keine Tragödie. Mehr Wettbewerb unter den Gebietsgroßhändlern - das würde auch für ihn als Dienstleister kleiner und mittlerer Verlage mit 54 Millionen Euro Umsatz neue Spielräume eröffnen.