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Primaten als Werkzeugmacher
Kapuzineraffen stellen Vorläufer von Faustkeilen her

Nicht nur Menschen können Werkzeuge herstellen und einsetzen - auch einige Primaten sind dazu in der Lage. Forscher aus Brasilien und Großbritannien haben sich die Werkzeuge von Rückenstreifen-Kapuzineraffen jetzt genauer angesehen. Dabei hat sich gezeigt, dass einige der abgeschlagenen Steine Abschlägen unserer Vorfahren ähneln.

Von Jochen Steiner | 20.10.2016
    Ein Kapuzineraffe hämmert mit einem Stein auf einer Felswand. Dadurch wird Quarzstaub erzeugt, den er dann aufleckt.
    Ein Kapuzineraffe hämmert mit einem Stein auf einer Felswand. Dadurch wird Quarzstaub erzeugt, den er dann aufleckt. (M.Haslam)
    Der Archäologe Tomos Proffitt kennt sich bestens mit Steinwerkzeugen aus. Er hat viel Zeit in der berühmten Olduvai-Schlucht in Tansania verbracht, um dort nach Werkzeugen unserer Vorfahren zu graben. Seit kurzem erforscht der Wissenschaftler von der britischen Universität Oxford auch die Werkzeuge von Primaten, und zwar von Rückenstreifen-Kapuzineraffen.
    Die Tiere benutzen Steine, um Nüsse zu knacken oder nach Nahrung im Boden zu graben. In einem brasilianischen Nationalpark, wo es Felswände gibt, beobachteten die Forscher noch ein weiteres Verhalten:
    "Die Kapuzineraffen heben einen Stein auf, der dort liegt, oder sie brechen sich einen aus der Felswand. Sie setzen sich dann hin oder stehen und nehmen den Stein in eine oder in beide Hände. Dann hämmern sie damit immer wieder auf Steine in der Felswand."
    Bereits 2007 haben Wissenschaftler dieses Verhalten erstmals beschrieben. Doch erst jetzt haben sich Forscher die Steinwerkzeuge der Affen genauer angesehen:
    "Es sieht so aus, als ob sie ihren Steinhammer nach Gewicht aussuchen. Sie wählen größere Steine, wenn sie damit harte Objekte wie andere Steine bearbeiten. Sie scheinen auch bestimmte Formen zu wählen, und zwar Steinhämmer, die abgeflacht sind. Damit haben sie eine größere Chance, die Steine in der Felswand gut zu treffen."
    Die Abschläge entstehen beim Hämmern als zufälliges Nebenprodukt
    Manchmal brechen die Hämmer beim Gebrauch auseinander. Das kann auf zwei Arten geschehen, erklärt Proffitt:
    "Der Hammer kann in der Mitte durchbrechen. Er wird dann einfach liegen gelassen oder weiter genutzt. Wenn die Affen solche durchgebrochenen Steine weiter auf Steine schlagen, dann kann es passieren, dass kleinere Steinsplitter, sogenannte Abschläge entstehen. Das geschieht unbeabsichtigt, sozusagen als Nebenprodukt. Das Interessante dabei: Sie sehen den ersten Steinwerkzeugen unserer homininen Vorfahren sehr ähnlich."
    Die Affen nutzen die Steinsplitter nicht weiter. Sie produzieren also zufällig etwas, dessen Herstellung man bisher nur den frühen Homo-Vertretern zugetraut hatte.
    Doch warum hämmern die Kapuzineraffen überhaupt Steine aufeinander? Proffitt:
    "Wir wissen nicht genau, warum sie dieses Verhalten zeigen. Es gibt einige Hypothesen: Beim Aneinanderschlagen der Steine entsteht Staub, der mineralhaltig ist und den die Tiere auflecken. Sie könnten damit auch Flechten abschlagen, die sie ebenfalls fressen, als Heilpflanze. Aber ganz ehrlich, wir wissen es nicht."
    Steinsplitter in Ostafrika könnten auch von Affen stammen
    Tomos Proffitt regt nun an darüber nachzudenken, wie viel Intelligenz nötig ist, um scharfkantige Steinwerkzeuge herzustellen, mit denen man Materialien ritzen oder schneiden kann. Die Vorfahren des Menschen konnten es, aber auch Affen sind dazu in der Lage - zufällig:
    "Was wir aber auf keinen Fall damit sagen wollen, ist, dass die Werkzeuge unserer Vorfahren, die man in Ostafrika gefunden hat, von Affen hergestellt wurden. Diese Werkzeuge wurden mit anderen homininen Gegenständen zusammen gefunden, auch mit eingeritzten Knochen. Und die dort gefundenen primitiven Faustkeile sind viel aufwändiger gearbeitet als die der Affen."
    Würden Archäologen aber eines Tages Steinsplitter in Ostafrika finden, die etwa vier Millionen Jahre alt sind, müssten diese nicht zwangsläufig von einem unserer Vorfahren stammen. Theoretisch könnten auch Affen sie damals hergestellt haben.