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Printkrise und Pressefreiheit in Rumänien

Seit in Rumänien vor 15 Jahren das Privatfernsehen den Markt erobert hat, hat sich das Land mehr und mehr zu einer Fernsehgesellschaft entwickelt. Viele Rumänen versorgen sich mittlerweile nicht mehr bei den Zeitungen, sondern bei einem der Nachrichtenkanäle mit Informationen.

Von Felix Hügel | 13.02.2010
    Auch die zunehmende Verbreitung des Internets im ganzen Land ist eine Konkurrenz für die Printbranche. Die Wirtschaftskrise und der daraus resultierende Rückgang der Werbeeinnahmen haben nun dazu geführt, dass einige Zeitungen bereits vom Markt verschwunden sind. Es sind schwierige Zeiten für die rumänischen Journalisten, die oft wirtschaftlichem und politischem Druck ausgesetzt sind und nicht selten auch gegen die Interessen der Besitzer ihrer Medien ankämpfen müssen.

    Nach der Revolution von 1989 sind die Rumänen an den Kiosken Schlange gestanden. Heute kommt kaum eine Zeitung mehr über eine Auflage von 100.000 Exemplaren. Im Januar haben sogar drei landesweite Tageszeitungen ihre gedruckte Ausgabe ganz eingestellt. "Gardianul", "Ziua" und "Cotidianul" erscheinen nun nur noch im Internet. Keine von ihnen hatte zuletzt mehr als 10.000 Exemplare gedruckt. Doch dass die drei Zeitungen so kurz hintereinander aufgegeben haben, das hält Razvan Martin nicht für einen Zufall. Der Bukarester Medienexperte arbeitet für die Organisation Activewatch, einem Partner von Reporter ohne Grenzen. Martin schätzt, dass die Zeitungen bis zu den Präsidentschaftswahlen künstlich am Leben gehalten wurden.

    "Die Eigentümer und Chefredakteure haben sie wahrscheinlich als Instrumente gebraucht, um in der Politik Einfluss auszuüben. Und nach den Wahlen hatten sie keine Verwendung mehr dafür. Ihnen wurde klar, dass sie nicht länger Geld verlieren können. Wir befinden uns schon seit über einem Jahr in der Krise. Aber ihre schlimmsten Auswirkungen - Hunderte Journalisten, die ihren Job verloren haben - haben sich erst nach den Wahlen im Dezember 2009 gezeigt. Es gab ein Interesse, Geld in die Medien zu pumpen, wohl wissend, dass sie keinen Profit erzeugen würden."

    Laut der Journalistengewerkschaft Mediasind sind die Werbeeinnahmen der rumänischen Zeitungen im vergangenen Jahr um rund 60 Prozent zurückgegangen. Zudem seien nur noch etwa halb so viele Zeitungen verkauft worden. Wegen der Wirtschaftskrise hätten 2009 etwa 50 regionale und lokale Zeitungen ihre gedruckte Ausgabe eingestellt. 3000 bis 4000 Journalisten seien arbeitslos geworden. Für dieses Jahr rechnet Mediasind mit dem Aus von bis zu 50 weiteren Zeitungen. Gewerkschaftschef Cristi Godinac fordert daher finanzielle Unterstützung von der Regierung:

    "Die Medienindustrie wird versteuert wie jede andere Branche auch. Die Besteuerung in diesem Bereich ist überzogen. Es gibt drei Arten von Druck, die der Meinungsfreiheit schaden. Und wir können in Rumänien nicht von einer freien Presse sprechen, solange der politische Druck, der wirtschaftliche Druck und der Druck durch die Eigentümer die Arbeit der Journalisten beeinträchtigt."

    Besonders betroffen von diesem Druck sind laut Godinac die lokalen Medien. So auch Artpress in Targoviste, einer 90.000-Einwohner-Stadt, eine Autostunde von Bukarest entfernt. Das Unternehmen betreibt einen regionalen Fernseh- und Radiosender und eine Zeitung mit eigener Druckerei. Auch dort seien die Werbeeinnahmen um die Hälfte eingebrochen. Die Lokalverwaltung habe zudem vor Kurzem die Steuern für die Zeitungskioske des Unternehmens um das Hundertfache erhöht. Und auch sonst mache die Politik den Journalisten die Arbeit schwer, erzählt Reporter Andrei Vasiliu. Die Journalisten von Artpress würden zum Beispiel nicht zu Pressekonferenzen eingeladen:

    "Auch wenn wir von selbst von den Pressekonferenzen erfahren und daran teilnehmen wollen, werden wir von der Polizei rausgeschmissen. Die ist dabei recht aggressiv. Und seit eineinhalb Jahren senden wir der Verwaltung Anfragen, weil wir Informationen von ihr verlangen. Erst durch ein Gerichtsurteil sind wir an diese Dokumente gekommen. Sie zeigen drastische Geldströme zu den Privatfirmen von Leuten aus dem Umfeld des lokalen Verwaltungschefs."

    Der Medienexperte Razvan Martin kennt ähnliche Fälle aus anderen Gegenden Rumäniens, etwa aus der Küstenstadt Constanta. Der größte Druck auf die Journalisten komme aber aus den Redaktionen selbst. Die Eigentümer hätten meist wirtschaftliche und politische Interessen. Und die wollten sie mit ihren Medien durchsetzen. In den vergangenen fünf Jahren seien daher viele Journalisten mit gestiegenen Gehältern ruhiggestellt worden.

    "Sie haben Angst, diese wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren, die sie so plötzlich bekommen hatten. Wenn also der Eigentümer sie auffordert, dies oder das zu tun, dann tun sie es lieber, um ihre Jobs zu behalten. Denn sie haben einen guten und angenehmen Job. Warum sollte ich also für eine Idee kämpfen, wenn ich einen Kredit habe und ihn abbezahlen muss? Das wird sich aber wahrscheinlich mit der Krise ändern. In gewisser Weise begrüße ich die Krise daher. Ich hoffe, dass sie die Journalisten wieder etwas mutiger macht und dass sie sich ihres Auftrags wieder stärker bewusst werden."