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Privat eher sehr schüchtern

Vor 20 Jahren, am 24. November 1991, starb in London einer der größten Entertainer der Musikgeschichte: Freddie Mercury. Mit am Sterbebett saß sein persönlicher Assistent Peter Freestone. Die beiden standen sich beruflich wie privat sehr nah. Corso hat Freestone verraten, wie der "Great Pretender" denn nun wirklich war.

Peter Freestoneim Gespräch mit Oliver Rustemeyer | 24.11.2011
    Oliver Rustemeyer: Welche Seite von Freddie hat seine Fans besonders überrascht?

    Peter Freestone: Was die Leute am meisten verwundert, sind meine Erzählungen vom sehr schüchternen Freddie. Jeder kennt diesen großartigen Entertainer, diesen Giganten auf der Bühne – der gerade mal 1 Meter 78 groß war und eben sehr schüchtern. Am wohlsten hat er sich aber immer zu Hause im kleinen Kreis von Freunden gefühlt – wo er der andere, der private Freddie Mercury sein konnte. Er konnte zum Beispiel kaum einen Raum mit 20 fremden Menschen betreten. Wenn ein Freund ihm diese Leute vorgestellt hätte, dann wäre es für ihn in Ordnung gewesen. Aber allein unter Fremden – da fühlte er sich immer unsicher. Allein hätte er so einen Raum nicht betreten. (056)

    Oliver Rustemeyer: Welchen Einfluss hat Freddie Mercury denn Ihrer Meinung nach auf die heutige Musik noch?

    Freestone: Es gibt natürlich noch einige Künstler, denen man heute die Bewunderung für Freddie ansieht oder anhört. Einen Nachfolger erkenne ich aber nicht im Ansatz. Das sind heute aber auch ganz andere Zeiten. Es gibt doch keine Supergroup mehr, wie früher Queen eine war. Zu viele Künstler werden auch nur noch von diesem Celebrity-Gedanken angetrieben. Diese Casting-Shows haben doch nichts mit Talent zu tun. Es geht nur um die Absicht von Produzenten, möglichst viel zu verkaufen. Und dann sind da noch diese unzähligen Queen-Tribute- und Coverbands. Denen sehe ich sofort an, ob sie mit dem Herzen Queen-Songs nachspielen oder nur am Wochenende auf einem Stadtfest mit bekannten Liedern schnell Geld machen wollen. Da interessanterweise heute noch immer Platz für die Musik von Queen ist, wird es auch noch Platz für Tribute-Bands in dieser Welt geben. Aber bitte: Spielt immer mit dem Herzen.

    Rustemeyer: Können Sie denn Namen nennen? Welche Künstler erinnern Sie heute in ihrer Art an Freddie?

    Freestone: Ein Pendant ist sehr, sehr schwierig zu finden. Der Name "Lady Gaga" kommt mir da schon mal in den Sinn. Sie bewundert ja Queen auch sehr. Und sie ist ja heute selbst eine große Nummer – wobei man sich natürlich auch fragen muss: Ist sie so berühmt, weil sie gut singt' Oder wegen ihrer schrillen Outfits? Und große Bands, die man mit Queen vergleichen kann, gibt´s auch nicht mehr. Ich denke, deren Zeit ist vorbei.

    Rustemeyer: Sie haben die Casting-Shows angesprochen. Was denken Sie, wenn Sie im Fernsehen ein 18-jähriges Mädchen sehen, das sich ein Lied von Queen ausgesucht hat und nachsingt?

    Freestone: Oft habe ich mir gewünscht, sie hätten das lieber nicht getan. Die Sache ist doch die: 18-jährige Stimmen sind ja noch keine fertigen Stimmen. Die sind noch längst nicht ausgereift. Und gerade Queen-Songs mögen sich zwar einfach anhören. Aber genau das sind sie nicht. Die hat man nicht nach einer Woche mit Gesangs-Coach drauf. Gestern habe ich noch so eine Show im Fernsehen gesehen. Da wurden die Nachwuchssänger gefragt, warum sie mitmachen. Die Antwort der meisten: "Weil ich reich und berühmt werden will." Das ist die heutige Einstellung. Es geht nicht mehr wie früher bei Queen um künstlerische Kreativität, sondern darum, viel Geld zu verdienen und in der Zeitung zu stehen.

    Rustemeyer: Sie haben ja auch von den vielen Queen-Tribute-Bands gesprochen. Vermutlich haben Roger Taylor und Brian May mittlerweile auch genug davon. In einem Wettbewerb im Internet suchen sie gerade die offizielle Queen-Coverband. Jetzt müssen Sie schon lachen. Wahrscheinlich wissen Sie, was wirklich dahinter steckt.

    Freestone: Nein. Ich hab' das auch gesehen. Ich glaube nicht, dass Queen genug von schlechten Imitatoren haben. Ich denke eher, dass sie zeigen wollen, dass weit mehr dazugehört, als nur Klassiker nachzuspielen. Die suchen wohl nach einer eigenen Note dieser Coverbands. Und es steckt ja auch viel Arbeit dahinter. Die beiden sind ja auch nicht mehr die Jüngsten. Ich hab' sie wirklich bewundert, als Queen mit Paul Rodgers wieder auf der Bühne standen. Die sind ja zehn Jahre älter als ich und rennen noch immer über die Bühne. Respekt. Und mal abwarten: Vielleicht finden sie über den Wettbewerb ja ihre Erben. Wer weiß das schon.

    Rustemeyer: Jetzt haben Sie Paul Rodgers angesprochen. Wie ging's Ihnen im Publikum, als Sie den Nachfolger von Freddie als Sänger von Queen sahen? Was war Ihr Eindruck mit all' den Erinnerungen an früher?

    Freestone: Schwierig zu beantworten. Zum einen war es erstmal wunderbar, Brian und Roger wieder zusammen auf der Bühne zu sehen. Ich habe ja früher fünf, sechs Jahre mit ihnen auf Tour verbracht. Und ganz ehrlich: Brian hat sich auf der Bühne nie mehr bewegt als heute. Und Paul Rodgers war Paul Rodgers. Und das hat mich beruhigt. Er hat nicht versucht, Freddie zu sein. Ob das ganze Konzept im Nachhinein allerdings 100 Prozent richtig war – ich bin mir nicht sicher.

    Rustemeyer: Und jetzt wird Freddie Mercurys Leben auch noch in Hollywood verfilmt. In der Hauptrolle: Sasha Boran Cohen. Eine gute Wahl?

    Freestone: Erstmal ist er ja wesentlich größer als Freddie. Wahrscheinlich müssen dann alle anderen im Film auf Stufen oder Boxen stehen. Ich habe keine Ahnung. Ich glaube, dass Sasha Baron Cohen eine vernünftige Wahl ist: Er muss ja ein guter Schauspieler sein. Jeder erinnert sich schließlich an die Typen, die er gespielt hat: Ali G., Borat. Und ich bin mir auch sicher, dass er nicht in die Geschichte eingehen möchte als der Schauspieler, der Freddie schlecht aussehen lässt. Ich bin mir sicher: Er wird alles geben.

    Rustemeyer: Im westfälischen Gronau haben Sie die Ausstellung "A Kind Of Magic" eröffnet. Die läuft dort im Rock'n'Popmuseum noch bis zum 8. Januar. Jetzt haben Sie in den letzten Jahren schon viele Ausstellung über Freddie Mercury gesehen. Welchen Eindruck haben Sie in Gronau?

    Freestone: Ich liebe diese Ausstellung. Es gibt dort tatsächlich auch Exponate, die ich selbst noch nie in meinem Leben gesehen habe: ein kleines Autogrammbuch zum Beispiel, eine Vorabpressung, Party-Einladungen, Postkarten mit Freddies Handschrift. Und dann habe ich wirklich Gänsehaut bekommen, als ich hinter Glas ein schwarzes Bühnenoutfit wieder entdeckt habe. Das hatte ich '79 aus einer Kiste hervorgeholt und Freddie gezeigt. Er suchte nach Outfits für eine anstehende Tour, zog den schwarzen Anzug an, schaute sich im Spiegel an und meinte nur: "Nein, das ist viel zu alt. Das will ich nicht mehr tragen!"

    Rustemeyer: Sie haben ja auch zur Eröffnung der Gronauer Ausstellung für die Besucher gekocht. Freddies Lieblingsgericht?

    Freestone: Ja, Chili con Carne. Das hat er geliebt. Er mochte vor allem diese unterschiedlichen Gewürze. Deshalb habe ich eigentlich immer Chili con Carne kochen müssen. Zu jedem Anlass. Bei jeder Party. Und gab's mal keinen Grund für eine Party, hat sich Freddie einfach einen ausgedacht.

    Rustemeyer: Welches Erinnerungsstück ist denn für Sie das wertvollste in Ihrer privaten Sammlung?

    Freestone: Etwas, das ich nie hergeben würde, entstand wenige Monate vor seinem Tod – im Februar 1991. Ich weiß noch ganz genau: Freddie und ich saßen am Küchentisch. Wir sahen uns zusammen einen Auktionskatalog von Christie´s an. Da war diese Zeichnung von Matisse. Freddie sah den Preis darunter: 12.000 Pfund. Er meinte nur: "Wie kann so etwas 12.000 Pfund wert sein?" Dann versuchte er auf einem Papier, die Zeichnung nachzumalen. Nach 30 Sekunden hatte er eine perfekte Kopie gezeichnet. Freddie meinte: "Jetzt hast Du gesehen, wie wenig Arbeit dahinter steckt. Wie kann so etwas 12.000 Pfund wert sein?" Dann unterschrieb er die Zeichnung mit seinen Initialen "F" und "M", "Februar ´91" und schenkte sie mir mit den Worten: "Vielleicht ist diese ja auch mal eines Tages so viel wert."