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Privat vor Staat

An den staatlichen Hochschulen in Italien muss gespart werden. Das erklärt das klamme Bildungsministerium in Rom immer wieder - und überweist Millionenbeträge an private Unis, obwohl staatliche Zahlungen an private Bildungseinrichtungen in Italien verboten sind.

Von Thomas Migge | 12.10.2010
    Eine Fernuni mitten im Grünen und doch nahe bei Mailand. Mit 250 komfortablen Unterkünften, mit elf Studiengängen, mit Sportanlagen und einem großen Park. Der Werbeclip des "E-Campus" im norditalienischen Novedrate verspricht das Paradies auf Erden.

    Der "E-Campus" liegt Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi besonders am Herzen. Und weil Berlusconi diese Uni so gefällt, sorgt er auch dafür, dass sie staatliche Finanzmittel erhält. Und das, obwohl sie eine komplett private Bildungseinrichtung ist. Dass staatliche Gelder für private Bildungseinrichtungen aller Art, von der Grund- bis zur Hochschule, qua Verfassung untersagt sind, scheint in der Regierung niemanden zu stören. Im Gegenteil erklärt der linksoppositionelle Bildungspolitiker Fabio Mussi:
    "Es wird immer weniger Geld des Staates für staatliche Hochschulen ausgegeben. Gleichzeitig wird Geld den Privaten zugeschoben. Ganz legal, wie es heißt. Und seit die Rechte regiert bekommen diese Bildungseinrichtungen immer mehr Geld. Und immer neue Privatunis entstehen und erhalten den Segen des Bildungsministeriums. Eigentlich sollte der Staat im staatlichen Sektor investieren!."

    Das tut er aber nicht mehr so wie früher. Im Gegenteil. Im letzten Jahr erhielten 19 private Hochschulen stolze 88,101 Millionen Euro vom Staat. Aus dem klammen Bildungsministerium, das den staatlichen Universitäten immer wieder wortreich erklärt, dass man doch so wenig Geld zur Verfügung habe und den Gürtel deshalb enger schnallen müsse. Den Löwenanteil an Staatsgelder für die Privaten erhält die Università Cattolica mit Sitz in Mailand und Rom. Fast 43 Millionen Euro bekommt diese Bildungseinrichtung. Und das, obwohl sie nicht nur privat ist, sondern der katholischen Kirche gehört. Die italienische Verfassung sagt auch klipp und klar, dass der Staat religiöse Einrichtungen aller Art nicht finanzieren dürfe. Doch die Realität sieht anders aus. Dazu Lorenzo Cantori, Professor für Sozialrecht in Rom und Bildungsexperte:

    "Ich glaube, dass das die Zukunft in Italien sein wird: weniger staatliche Investition in staatliche Bildungseinrichtungen und mehr in private. Das ist der Kurs dieser Regierung, in der auch Exponenten sitzen, die von sich lukrative Privatunis gründen. Wie zum Beispiel die Privatuni 'Jean Monnet' im süditalienischen Casamassima. Die spielt in Apulien eine immer wichtigere Rolle."

    1995 von einem Senator der Berlusconi-Partei gegründet und heute von dessen Sohn als Familienbusiness geleitet, machen dort jedes Jahr zwischen 200 und 300 junge Leute ihr Diplom; für Gesamtkosten von circa 15.000 Euro pro Student. Die Profs dieser und fast aller anderen Privatunis haben Festanstellungen an staatlichen Bildungseinrichtungen. Mit dem Geld von den Privaten runden sie ihr Einkommen ab.

    Einige der staatlich mitfinanzierten Unis sind besonders für jene Abiturienten attraktiv, die gezielt auf einen Beruf hinstudieren wollen. Wie zum Bespiel die private Hochschule "Carlo Cattaneo" in Castellanza bei Como.

    Carlo Cantori: "Die Unternehmen der Region, die diese Uni finanzieren, suchen nach Studienabgängern, die auf ihre Bedürfnisse hin ausgebildet sind. Die besten Studienabgänger in den Bereichen Ökonomie, Wirtschaftsjura etc. haben keine Schwierigkeiten, in der Region schnell einen Arbeitsplatz zu finden."

    Die linke Opposition fordert ein Ende staatlicher Gelder für Privatunis. Aber mit dieser Forderung wirkt sie nicht unbedingt glaubhaft. Vor Berlusconi hat auch sie damit begonnen, ganz bestimmte, vor allem konfessionelle Hochschule, mitzufinanzieren, um auf diese Weise ihre Beziehungen zur Kirche zu verbessern.