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Privatisierung in Griechenland
Invasoren oder Investoren?

Die Privatisierung der griechischen Infrastruktur war eine zentrale Reformauflage der Troika. Nun profitiert davon ausgerechnet ein deutsches Unternehmen: Der Flughafenbetreiber Fraport. Während dieser den Deal als "ausgewogen und fair" bezeichnet, ist er für Kritiker zum Sinnbild dafür geworden, was bei der Privatisierung falsch läuft.

Von Leila Knüppel und Manfred Götzke | 01.09.2017
    Blick auf den Mytilene-Flughafen auf der griechischen Insel Lesbos
    Der Mytilene-Flughafen auf der griechischen Insel Lesbos - einer von 14 griechischen Flughäfen, die vom deutschen Flughafenbetreiber Fraport übernommen wurden. (picture alliance / dpa)
    Gewerkschafter Dimitris Nanouris zeigt über das Rollfeld des Flughafens Thessaloniki hinweg auf Kräne und Bagger. Die Landebahn wird gerade verlängert. Für zwei Milliarden Euro - bezahlt von der EU und dem griechischen Staat. Nutznießer wird jedoch eine deutsche Firma sein: Fraport.
    Der Flughafenkonzern, der mehrheitlich dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt gehört, betreibt den Airport seit April.
    "Es ist schon überraschend, dass der deutsche Staat nach Griechenland kommt und dem griechischen Staat vorschreibt, Staatseigentum zu privatisieren. Und das landet dann beim deutschen Staat."
    Sinnbild dafür, was falsch läuft
    Für Nanouris ist die staatlich gesponserte Landebahn Sinnbild dafür, was falsch läuft bei der Privatisierung von griechischem Staatseigentum.
    "Der Staat verliert mit dem Flughafen Einkünfte, die jetzt Fraport bekommt. Das kann sich unser Staat mit seinen Schulden eigentlich gar nicht leisten."
    1,2 Milliarden Euro hat Fraport an den Privatisierungsfonds Griechenlands überwiesen, zusätzlich gehen jedes Jahr 22 Millionen an den griechischen Staat.
    Fraport hat die Profite, der Staat die Risiken?
    Dafür darf Fraport 14 griechische Regionalflughäfen 40 Jahre lang betreiben. Darunter die von Griechenlands beliebtesten Urlaubsinseln Santorini, Kreta und Mykonos. Für Nanouris ist und bleibt es ein schlechtes Geschäft
    "Alle 14 Flughäfen sind profitabel - im Gegensatz zu den anderen griechischen Airports. Und die Passagierzahlen steigen hier. Deshalb wären acht Milliarden Euro ein fairer Preis gewesen."
    Doch das ist nicht das einzige, was ihn am Fraport-Deal stört. Für den Gewerkschafter stellt sich das Geschäft so dar: Fraport streicht die Profite ein, der griechische Staat übernimmt die Risiken.
    Tatsächlich steht im Konzessionsvertrag, dass der griechische Staat Flughafenmitarbeiter entschädigen muss, die Fraport nicht weiterbeschäftigt.
    "Dieser Vertrag ist einfach ein Witz."
    Staatlicher Flughafen steht noch am Terminal in Thessaloniki. Der lukrative Airport wurde zusammen mit 13 weiteren griechischen Regionalflughäfen von dem deutschen Unternehmen Fraport übernommen.
    "Staatlicher Flughafen" steht noch am Terminal in Thessaloniki. Der lukrative Airport wurde zusammen mit 13 weiteren griechischen Regionalflughäfen von dem deutschen Unternehmen Fraport übernommen. (Deutschlandradio / Leila Knüppel / Manfred Götzke)
    330 Millionen Euro für Modernisierung
    In einem fünfstöckigen Glaskubus im Norden Athens - zwischen Deutscher Schule und Elektro-Markt - lädt der Griechenland-Chef von Fraport Alexander Zinell zum Gespräch. Hier hat das Unternehmen seine Zentrale eingerichtet, 550 Mitarbeiter eingestellt.
    Zinell hält den von ihm ausgehandelten Vertrag für "ausgewogen und fair" - auch wenn er zugibt, dass es für Fraport ein guter Deal ist.
    "Sonst hätten wir es nicht gemacht. Ich glaube, dass es vor allem wichtig ist, dass die Flughäfen ein neues Management bekommen. Die meisten sind völlig veraltet und nicht der Destination würdig. Insofern glaube ich, dass es auch für Griechenland ein guter Deal ist."
    Der Manager ruft auf seinem Laptop eine Bildergalerie auf - "hier mussten wir ein Loch ausbessern" - sie zeigen Vorher-Nachher-Bilder seiner neuen Flughäfen. Der Konzern hat sich vertraglich verpflichtet, 330 Millionen Euro in die Modernisierung der 14 Flughäfen zu investieren.
    In vielen Fällen entschädigt der Staat
    In den letzten Monaten haben Zinells Leute Sofort-Maßnahmen umgesetzt. Für Sanierungsarbeiten, die aufgrund von mangelnder Wartung entstanden sind, kommt allerdings nicht Fraport auf, sondern Griechenland.
    Für Zinell ganz normal, denn: "Was macht man, wenn man weiß, man wird verkauft? Gar nichts mehr."
    Im Vertrag finden sich viele weitere Fälle, in denen der griechische Staat das öffentliche deutsche Unternehmen entschädigt. Werden Gesetze zu Lasten des Unternehmens geändert oder steigen Strom- oder Telekommunikationsgebühren, entschädigt der Staat. Auch Steuern und Abwassergebühren muss Fraport nicht Zahlen.
    Auf Kosten anderer profitiert?
    Dass Griechenland die Flughäfen erst nach massivem Druck der Bundesregierung privatisiert hat und davon nun ein Unternehmen profitiert, das mehrheitlich dem deutschen Staat gehört - für Zinell ist das nichts Ungewöhnliches.
    "Die Bundesregierung hat da natürlich auch ein Interesse im Sinne der Verteidigung der Interessen deutscher Unternehmen. Was durchaus legitim ist - und was andere Länder auch sehr aktiv machen. Insofern hat sich die Regierung hinter ein deutsches Unternehmen gestellt"
    … und selbst davon profitiert, auf Kosten anderer - so sieht es zumindest Gewerkschafter Dimitris Nanouris.