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Privatisierung von Autobahnen
"Wir wollen oberster Bauherr bleiben"

Die Pläne von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Teilprivatisierung der deutschen Autobahnverwaltung stoßen auch in der Union auf massiven Widerstand. Der CSU-Politiker Ulrich Lange sagte im Deutschlandfunk, der Bund müsse weiter entscheiden können, wo ein Ausbau und Investitionen in Autobahnen nötig seien.

Ulrich Lange im Gespräch mit Sandra Schulz | 22.11.2016
    Ulrich Lange, verkehrspolitischer Sprecher Unions-Bundestagsfraktion, spricht am 27.03.2015 während einer Bundestagssitzung im Reichstag in Berlin.
    Ulrich Lange, verkehrspolitischer Sprecher Unions-Bundestagsfraktion (dpa / picture-alliance / Lukas Schulze)
    Lange sagte, die im Oktober beschlossene Gründung einer Infrastrukturgesellschaft, die sich um Bau, Planung und Betrieb der deutschen Autobahnen kümmern soll, sei richtig gewesen. Der Bund sei vollkommen unzufrieden mit einigen Ländern, die seit Jahren keine neuen Bauprojekte mehr freigegeben hätten.
    Die Gesellschaft müsse aber zu 100 Prozent in Hand des Bundes liegen. Die Union habe sich zwar immer für sogenannte ÖPP-Projekte ausgesprochen, also Öffentlich-Private Partnerschaften. Dies sei aber lediglich eine Beschaffungsvariante und ein Unterschied, ob man die Wirtschaft direkt an einer Infrastrukturgesellschaft beteilige. Der Bund wolle das Geschehen in der Hand haben und die Prioritäten selbst setzen können, betonte der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion.
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat bereits sein Veto gegen eine Grundgesetzänderung eingelegt. Es seien weitere Gespräche nötig, hieß es. Auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist gegen eine Teilprivatisierung der Gesellschaft.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: In neun Minuten wird es sieben Uhr. Das ist die Zeit, da sich die Verkehrs- und Staumeldungen schlagartig vervielfachen. Autofahrer auf viel befahrenen Strecken auf dem Weg zur Arbeit fühlen sich werktäglich ausgebremst. Der Ausbau und der Betrieb sowie die Instandhaltung von Autobahnen sind teuer. Darum will die Bundesregierung oder besser gesagt will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mehr privates Kapital dafür mobilisieren. Mitte Oktober hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, eine Infrastrukturgesellschaft zu gründen, sozusagen eine Autobahngesellschaft, die sich um den Bau und Betrieb kümmern soll. Der Bund soll Eigentümer der Autobahnen bleiben; so weit, so unstrittig. Streit gibt es jetzt aber über die Frage, ob sich auch private Investoren an so einer Infrastrukturgesellschaft beteiligen dürfen, was Schäuble zumindest nicht ausschließen will.
    Mit einem Veto hat jetzt Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel die Pläne seinerseits ausgebremst und darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Ulrich Lange.
    Verkehrspolitiker wollen eine Infrastrukturgesellschaft
    Ulrich Lange: Guten Morgen.
    Schulz: Ist Wolfgang Schäuble da auf dem Holzweg?
    Lange: Es ist sicherlich richtig, dass wir den Investitionshochlauf, den wir begonnen haben, nunmehr auch auf die Straße bringen müssen. Das heißt, wir müssen das Nadelöhr Planung und Bau bei den Ländern über die Auftragsverwaltungen beseitigen. Deswegen stehen wir zu einer Infrastrukturgesellschaft. Aber die Verkehrspolitiker der Union stellen sich eine Gesellschaft vor, 100 Prozent in Bundeshand.
    Schulz: Wer sagt‘s Wolfgang Schäuble?
    Lange: Die Verkehrspolitiker haben sich schon im Januar diesen Jahres in einem gemeinsamen Papier positioniert. Unsere Vorstellung heißt wie gesagt ganz klar eine Infrastrukturgesellschaft. Wir sehen einfach die Defizite bei den Ländern. Die Länder sind sehr unterschiedlich aufgestellt im Personal, in der Planung, im Baufortschritt. Das wollen wir aus einer Hand des Bundes machen. Aber wir wollen die Gesellschaft und die Infrastruktur in Bundeshand behalten.
    "Wir wollen keinen Flickenteppich"
    Schulz: Es gibt ja erste Projekte auch für diese sogenannte Private Public Partnership, wo private Investoren und die öffentliche Hand zusammengreifen. Warum soll man das nicht ausbauen?
    Lange: Die Union hat sich immer für diese sogenannten ÖPP-Projekte ausgesprochen. Das ist eine Beschaffungsvariante. Diese Beschaffungsvariante wollen wir auch weiterhin für möglich halten, dort wo sie sich rechnet. Aber das ist ein Unterschied, ob ich ÖPP mache oder ob ich jemand an meiner Infrastruktur unmittelbar oder an einer Gesellschaft unmittelbar beteilige.
    Schulz: Was sind die Befürchtungen, die sich daran knüpfen?
    Lange: Wir wollen als Politik im Endeffekt oberster Bauherr bleiben. Wir wollen das Geschehen in der Hand haben. Wir wollen die Prioritäten setzen. Wir wollen auch Einfluss darauf haben, wo wir die Infrastruktur ausbauen. Und ganz offen: Sie soll einfach in unserem Eigentum bleiben.
    "Einige Länder schaffen seit Jahren nicht eine einzige Baufreigabe mehr"
    Schulz: Das heißt, Sie müssen dann ganz froh sein über die Intervention, die jetzt von dem SPD-Minister kommt? Das heißt, Wolfgang Schäuble ist da wirklich auf verlorenem Posten?
    Lange: Das werden die Diskussionen der nächsten Wochen und Monate zeigen. Die Verkehrspolitiker der Union in ihrem Fall sehen die Vorteile in jedem Fall darin, dass wir sozusagen das Ganze in der Hand behalten. Wir wollen keinen Flickenteppich, wir wollen wirklich sagen können, wo ist es notwendig, dass ausgebaut wird, wo brauchen wir Neuinvestitionen. Wir wollen die Nutzerfinanzierung stärken, das heißt, den Finanzierungskreislauf Straße stärken, aber das soll alles dann über diese Gesellschaft des Bundes in der Hand des Bundes laufen. Wir können uns hier schon selber gut positionieren.
    Schulz: Aber was ist denn das Problem? Wolfgang Schäuble sagt ja nicht, es müssen zwangsläufig private Investoren an Bord kommen, sondern Wolfgang Schäuble will diese Tür einfach nicht zuschlagen, und er sagt auch, wir müssen jetzt mal vorangehen, wir müssen jetzt mal zu Potte kommen, da kann es jetzt nicht permanent Querschüssse geben. Was antworten Sie darauf?
    Lange: Ich kann noch mal unterstreichen, dass wir diese Gesellschaft wollen, weil wir sie brauchen, weil wir nicht vorankommen. Da gebe ich Wolfgang Schäuble uneingeschränkt Recht. Wir sind hier mit den Ländern völlig unzufrieden, wenn Sie auf die letzten Baufreigabelisten sehen, wo seit Jahren einige Länder nicht eine einzige Baufreigabe mehr schaffen, weil sie kein Planungsrecht und kein Baurecht schaffen. Das ist alles richtig. Aber wir sind einfach der Auffassung, dass wir eine Struktur brauchen, die es uns als Bund ermöglicht, auch hier die Prioritäten selber setzen zu können, und da sehen wir nicht, wofür wir private Investoren in der Gesellschaft zur Beschleunigung dieser Verfahren benötigen würden.
    Ausgabenstopp einiger Länder für Infrastruktur sei nicht akzeptabel
    Schulz: Sie skizzieren das jetzt so, als ob in dem Moment, in dem diese Autobahngesellschaft geschaffen ist, dass diese ganzen Probleme, diese planerischen Probleme da vom Tisch wären. Was spricht dafür, dass das dann tatsächlich auch so kommt?
    Lange: Ich bin Realist. Die tief greifende Veränderung der Auftragsverwaltung wird nicht von heute auf morgen dazu führen, dass alle Probleme gelöst sind. Aber die Aufstellung einer solchen Infrastrukturgesellschaft mit ausreichend Personal, mit ausreichend Planungskapazitäten, mit ausreichender finanzieller Unterfütterung - und der Bund gibt ja von Jahr zu Jahr mehrere Milliarden mehr für die Infrastruktur aus; hier hinken die Länder einfach hinterher -, die geben uns die Chance, dass wir auch planen und dann bauen können. Wie gesagt, wir sehen in einigen Ländern, dass wir da seit Jahren Personalkürzungen haben, Mittelkürzungen haben, und das Geld, das der Bund eigentlich für die Infrastruktur jetzt bereitstellt, nicht mehr verbaut wird, und das können wir nicht akzeptieren.
    Schulz: Und das wäre dann automatisch anders?
    Lange: Das wäre automatisch anders.
    Schulz: … sagt Ulrich Lange, der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, heute Morgen hier bei uns in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke Ihnen herzlich für das Interview.
    Lange: Danke schön! Einen schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.