Freitag, 29. März 2024

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Pro und Kontra AStA

Der AStA vertrete an den meisten Unis "nicht mehr wirklich die Interessen der Studenten", sagt Marcel Grathwohl von der Jungen Union. Diese "pauschale Vernichtungskritik" hält Torsten Rekewitz vom Freien Zusammenschluss der StudentInnenschaften für falsch, denn die ASten leisteten durchaus gute Arbeit.

Torsten Rekewitz und Marcel Grathwohl im Gespräch mit Manfred Götzke | 31.07.2012
    Manfred Götzke: Die junge Union bastelt gerade an einem neuen Grundsatzprogramm. Der Entwurf steht bereits, und ein Grundsatzprogrammpunkt heißt: AStA, nein danke! Die JU will die Vertretung der Studenten an den Unis abschaffen. Nur mal kurz zur Erinnerung, was der AStA an den Universitäten so macht: Er vertritt die Studierenden in den Hochschulgremien, verhandelt zum Teil mit den Verkehrsbetrieben über Semestertickets und bietet auch noch die eine oder andere Dienstleistung für Studierende an – Rechts- und Sozialberatung und manchmal hilft er sogar bei der Jobsuche. Nicht wenig also. Trotzdem sagt die Junge Union: Weg damit! Und das wollen wir hier natürlich diskutieren, und zwar mit Marcel Grathwohl aus dem Bundesvorstand der Jungen Union und Torsten Rekewitz vom Freien Zusammenschluss der StudentInnenschaften. Hallo zusammen!

    Torsten Rekewitz/Marcel Grathwohl: Guten Tag! Hallo!

    Götzke: Herr Grathwohl, warum hat die Junge Union ein Problem mit studentischer Mitbestimmung?

    Grathwohl: Wir haben da kein Problem mit studentischer Mitbestimmung, sondern wir haben ein Problem mit ASten generell, weil wir glauben, dass an den meisten Unis, an den meisten Hochschulen mittlerweile der AStA nicht mehr wirklich die Interessen der Studenten vertritt.

    Götzke: Wessen denn sonst?

    Grathwohl: Die eigenen Interessen. Ganz oft habe ich das erlebt, auch an der Uni Köln, wo ich studiert habe, dass ganze viele AStA-Mitglieder, gerade im Vorstand vom AStA, Interessenvertreter nur in eigener Sache sin

    d und oft eigentlich nur, um sich da ein bisschen selbst zu beschäftigen. Und das kann nicht im Sinne einer Studentenselbstverwaltung sein, gerade auch wenn man sieht, was für einen großen Aufwand sie bekommen an Mitteln – von den Studierenden zwangsweise abgeführt, die Studenten können darüber gar nicht entscheiden, was sie abführen. Die Studentenbeiträge werden immer weiter auch erhöht. Und Sie haben das angesprochen: Ja, man verhandelt unter anderem mit Verkehrsbetrieben, aber es ist gar nicht freigestellt – und das fordern wir beispielsweise auch –, ob ich überhaupt ein Semesterticket haben möchte oder ob ich keins haben möchte. Es gibt ja zum Beispiel …

    Götzke: Über solche Dinge kann ja der AStA diskutieren. Herr Rekewitz, macht es Spaß, im AStA zu sein, ist das eine tolle Freizeitbeschäftigung?

    Rekewitz: Ich war noch nie in dem AStA. Ich sehe es immer nur von außen, ich bin ja Mitglied im fzs-Vorstand, und was ich da so in Köln erlebe, aber auch bundesweit in den Hochschulen, finde ich diese pauschale Vernichtungskritik jetzt ein bisschen sehr daneben. Ich kenne übrigens auch wunderbare ASten, wo RCDS-VertreterInnen – beispielsweise in Mainz, das ist ja quasi das Äquivalent zur Jungen Union – wunderbare Arbeit machen, und die fühlen sich jetzt auch zu Recht so ein bisschen beleidigt und wenig wertgeschätzt von ihrem JU-Bundesvorstand.

    Götzke: Herr Grathwohl! Wie verkaufen Sie das Ihren RCDS-Vertretern?

    Grathwohl: Also der RCDS ist eine eigene Sonderorganisation, die unabhängig seitens der Jungen Union ist, und insofern, das ist eine Position der Jungen Union, des JU-Bundesvorstandes, was wir an unserem Deutschlandtag im Oktober vorschlagen werden, um das so in unser Grundsatzprogramm aufzunehmen.

    Götzke: Herr Rekewitz, nun gibt es ja tatsächlich immer mal wieder Finanzskandale im AStA, das ist ja nicht ganz aus der Luft gegriffen. Gehen die ASten manchmal zu schludrig mit dem Geld der Studentinnen und Studenten um?

    Rekewitz: Ja, selbstverständlich. Also solche Fälle gibt es, das kann man ja auch öfters mal bei "Spiegel Online" und den anderen Medien nachlesen, und auch der Deutschlandfunk berichtet darüber. Das ist natürlich immer sehr beliebt, sich dann solche Einzelfälle rauszupicken. Was überhaupt nicht erwähnt wird, ist dann mal ein Lob, wenn ein AStA wirklich gute Arbeit macht. Übrigens kann man das auch nicht an einer Richtung festmachen, dass immer gerne gesagt wird, ja, die linken ASten, die verschleudern das Geld. Also wir haben in den letzten Jahren genug Beispiele erlebt, wo auch ASten mit RCDS-Beteiligung – die dann ja in der Regel ein CDU-Parteibuch haben – genauso Geld verschwenden. Das ist immer eine sehr individuelle Sache. Wenn ich nicht in der Lage bin, so ein Amt auszufüllen, dann neige ich da auch zum Missbrauch, das gibt es aber in vielen anderen Organisationen auch. Also ich weiß nicht, ob die JU jetzt Betriebsräte abschaffen will, nur weil der VW-Betriebsrat da vor einigen Jahren auch mal nicht so toll gehandelt im Interesse der ArbeitnehmerInnen. Das geht doch ein bisschen weit dann.

    Götzke: Herr Grathwohl, wer soll denn nun, wenn Sie den AStA abschaffen wollen, die ASten abschaffen wollen, die Interessen der Studierenden an den Hochschulen vertreten?

    Grathwohl: Wir glauben, dass die Aufgaben, die der AStA übernimmt, ein Studierendensekretariat sehr gut mit übernehmen können, und andere Initiativen, wie das an vielen Hochschulen ja auch schon der Fall ist, auch anders organisiert werden können als über den AStA.

    Götzke: Das heißt, Sie wollen gar keine studentische Mitbestimmung?

    Grathwohl: Eine studentische Mitbestimmung – und wenn ich mir das an der Uni Köln immer angeguckt habe – lebt ja auch davon, dass daran partizipiert wird. Und wenn ich mir angucke, an der Uni Köln lag die Wahlbeteiligung meistens so bei 15 Prozent – da weiß ich nicht, ob man wirklich noch von einer Vertretung der Studenten sprechen kann, wenn dort vor allem im Studierendenparlament, aber auch im AStA alles sehr intransparent ist. Ich kann mir das zwar abrufen, für was der AStA Geld ausgibt, ich habe aber als normaler Studierender überhaupt keinen Einfluss – auch das Studierendenparlament meistens nicht –, wie die Mittel verwendet werden. Und das ist schon ein Kritikpunkt, den wir haben, und deswegen sagen wir, wir wollen den AStA abschaffen, weil dort aus unserer Sicht ganz viel Geld der Studierenden einfach verschwendet wird.

    Götzke: Ab welcher Wahlbeteiligung würden Sie die Bundestagswahl abschaffen?

    Grathwohl: Nee, darum geht's gar nicht, sondern es ist ja so was – wie wird es angenommen. Und man sieht es und man - ich weiß nicht, wo Sie studiert haben, in Köln auf jeden Fall war es immer so – das ist meine eigene Erfahrung gewesen –, dass man zugebombt worden ist eine Woche lang mit Plakaten, mit Flyern, aber der Großteil davon an der Realität an der Hochschule auch vorbeigegangen ist. Also ich möchte nicht, wenn ich bei einer Studierenden-Parlamentswahl mich beteilige, möchte ich nicht über den Frieden in der Dritten Welt abstimmen oder über hungernde Kinder in Afrika. Und das ist ganz oft dort thematisiert worden, wo ich mich immer gefragt habe, was tut ihr hier eigentlich, ihr sollt euch für meine Rechte einsetzen. Und wenn ich Probleme hatte, dann konnte mir der AStA dort nicht weiterhelfen. Und wenn es … Es gibt dort sehr gute Beratungsangebote, ja, da stimme ich Ihnen zu, und zwar zum Beispiel bei der Rechtsberatung, auch bei der psychologischen Beratung, aber aus meiner Sicht und aus Sicht der Jungen Union muss das nicht zwangsläufig der AStA machen, sondern es kann auch eine andere Stelle innerhalb der Universität übernehmen.

    Götzke: Herr Rekewitz, wird manchmal in den ASten, in den Studentenparlamenten an den Problemen, an der Hochschulpolitik vorbeidebattiert?

    Rekewitz: Die berühmte Diskussion um den Weltfrieden, ja, das passiert in der Tat – hab ich übrigens auch schon in Kommunalparlamenten erlebt, also so ist das nicht, dass das jetzt wirklich auf den StuPa begrenzt ist. Aber wenn ich mir allein von meiner eigenen Hochschulgruppe – ich hab auch bei der letzten Wahl wieder kandidiert, im Dezember in Köln – angucke, was wir so auf den Plakaten stehen hatten und an Forderungen, dann ging das um mehr bezahlbaren studentischen Wohnraum, wo der AStA, der momentane, in Köln auch sehr aktiv ist, zusammen mit einigen anderen ASten aus der Stadt, um da eben Druck auf die Politik zu machen, versuchen, dass eine gute Lösung mit dem Studierendenwerk gefunden wird. Das sind Alltagsprobleme, und wer die nicht wahrnimmt als Studierender, da weiß ich nicht, ob man seine Hochschule so besonders häufig besucht hat, weil darüber natürlich auch berichtet wird – auf der Homepage des AStA, in der Studierendenzeitung, in anderen Medien. Es wird da eine sehr große Öffentlichkeitsarbeit gemacht, auch mit Interviews in Lokalradios et cetera. Also es ist nicht so, dass immer nur über Weltfrieden diskutiert wird, sondern auch ganz konkret praktische Probleme, die Studierende haben. Oder ein anderes Beispiel: BAföG-Bearbeitungszeiten, die einfach momentan viel zu lange sind in vielen Fällen. Denen nimmt sich der AStA natürlich auch an, und da wüsste ich jetzt auch nicht, wie das ein Studierendensekretariat machen soll. Also das ist sehr realitätsfern, und wer so eine Forderung aufstellt, der hat auch noch nie einen AStA von innen gesehen oder sich damit beschäftigt.

    Grathwohl: Also die größten Probleme, die es bei uns, gerade auch an meiner Fakultät gab, waren immer: Wie können wir es schaffen, schneller zu studieren, wie können wir es schaffen, zweite Prüfungstermine einzuführen oder beizubehalten, auch nach Abschaffung der Studiengebühren, die wir ja auch für falsch gehalten haben, aber es ist nun mal so passiert. Und da muss man ganz einfach sagen, da hat der AStA oder war der AStA keine Hilfe. Stattdessen gab es hier noch ein kleines Festival mit Künstlern aus ganz Deutschland und da noch ein kleines Festival, und das ist die Frage, ob man so etwas mit den Beiträgen der Studierenden wirklich finanzieren muss, oder ob es nicht viel fokussierter gehen kann, wie das auch an vielen privaten Hochschulen ja der Fall ist, wo man auch ohne diese auskommt, ohne ASten auskommt und trotzdem sehr gut damit lebt. Und mein Eindruck ist immer, AStA ist eine Selbstbeschäftigung für Leute im 35. Semester, und das ist so, das kann auch niemand abstreiten, wenn man sich nämlich die Leute dort anguckt, auch teilweise in den Studierendenparlamenten, die sich irgendwie ihre Freizeit da vertreiben wollen. Und das wollen wir nicht weiterhin unterstützen, und deswegen sagen wir, ASten brauchen wir nicht. Die Aufgaben, die der AStA übernimmt, die können auch anderswo in der Universität effizienter und effektiver übernommen werden.

    Götzke: Die Junge Union will die Studierendenvertretungen abschaffen. Über Pro und Kontra AStA habe ich mit Marcel Grathwohl von der JU und Torsten Rekewitz vom Freien Zusammenschluss der StudentInnenschaften gesprochen. Vielen Dank!

    Rekewitz''': Sehr gerne, auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.